höheren Reiz geben. Da wir aber hier den Landwirth rein in seinem Gewerbe und frei von allen Nebenbegriffen betrachten, so können wir auf diese Zufälligkeit nicht Rücksicht nehmen.
§. 59.
Auswahl eines Landguts.Wer ein Landgut sucht, muß, um es auf das vortheilhafteste zu erhalten, weit umherschauen, und sich nicht auf einen Distrikt, Provinz oder Staat beschränken, weil er um desto besser wählen kann, je mannigfaltiger die Gegenstände seiner Wahl sich ihm darstellen.
Wer Vaterlandsliebe besitzt, die sich auf Anerkennung wahrer Vorzüge der Verfassung gründet, wird hierin mit Recht eine Bestimmung finden, sich für ein Landgut in diesem Staate eher zu entscheiden. Aber eine bloße Vorliebe des Mut- terlandes kann nicht in Betracht kommen, wenn von der Aufgabe die Rede ist, die der Landwirth als solcher zu lösen hat.
§. 60.
Dasjenige Landgut wird immer zu wählen seyn, welches, nach gehöriger Erwä- gung aller Umstände, den möglich höchsten reinen Ertrag verspricht, versteht sich nach Verhältniß der Kräfte des Besitznehmers. Ein ganz vollkommnes, fehlerfreies, und in allen Stücken den Wünschen entsprechendes Landgut wird man selten oder nie fin- den, und es kömmt nur darauf an, in wiefern die Summe seiner guten Eigenschaften die seiner schlechten übersteigt, folglich auf eine genaue Würdigung und Gegenein- anderstellung beider.
§. 61.
Um diese Gegeneinanderstellung klar und deutlich zu machen, scheint mir fol- gende Methode zweckmäßig:
Wenn man sich im Allgemeinen für ein Gut bestimmt hat, oder wenigstens mit der Wahl darauf beruht, so nehme man seinen zuvor nach allgemeinen Grundsätzen ausgemittelten Werth zu 100 oder zu 1000 an, fange dann an, alle Nebenumstände zu untersuchen und zu würdigen, taxire die Vorzüge, die man außer dem eigentlichen Grund und Boden daran bemerkt, jeden zu gewissen Prozenten, nach möglichst rich- tiger Schätzung; man setze diese unter einander, und summire alsdann, um wie viel dieses Gut über seinen eigentlichen Grundwerth höher zu schätzen sey. Dagegen be- merke man aber auf der andern Seite alle Nachtheile, die es hat, und alle Schwie-
rigkeiten,
Auswahl eines Landguts.
hoͤheren Reiz geben. Da wir aber hier den Landwirth rein in ſeinem Gewerbe und frei von allen Nebenbegriffen betrachten, ſo koͤnnen wir auf dieſe Zufaͤlligkeit nicht Ruͤckſicht nehmen.
§. 59.
Auswahl eines Landguts.Wer ein Landgut ſucht, muß, um es auf das vortheilhafteſte zu erhalten, weit umherſchauen, und ſich nicht auf einen Diſtrikt, Provinz oder Staat beſchraͤnken, weil er um deſto beſſer waͤhlen kann, je mannigfaltiger die Gegenſtaͤnde ſeiner Wahl ſich ihm darſtellen.
Wer Vaterlandsliebe beſitzt, die ſich auf Anerkennung wahrer Vorzuͤge der Verfaſſung gruͤndet, wird hierin mit Recht eine Beſtimmung finden, ſich fuͤr ein Landgut in dieſem Staate eher zu entſcheiden. Aber eine bloße Vorliebe des Mut- terlandes kann nicht in Betracht kommen, wenn von der Aufgabe die Rede iſt, die der Landwirth als ſolcher zu loͤſen hat.
§. 60.
Dasjenige Landgut wird immer zu waͤhlen ſeyn, welches, nach gehoͤriger Erwaͤ- gung aller Umſtaͤnde, den moͤglich hoͤchſten reinen Ertrag verſpricht, verſteht ſich nach Verhaͤltniß der Kraͤfte des Beſitznehmers. Ein ganz vollkommnes, fehlerfreies, und in allen Stuͤcken den Wuͤnſchen entſprechendes Landgut wird man ſelten oder nie fin- den, und es koͤmmt nur darauf an, in wiefern die Summe ſeiner guten Eigenſchaften die ſeiner ſchlechten uͤberſteigt, folglich auf eine genaue Wuͤrdigung und Gegenein- anderſtellung beider.
§. 61.
Um dieſe Gegeneinanderſtellung klar und deutlich zu machen, ſcheint mir fol- gende Methode zweckmaͤßig:
Wenn man ſich im Allgemeinen fuͤr ein Gut beſtimmt hat, oder wenigſtens mit der Wahl darauf beruht, ſo nehme man ſeinen zuvor nach allgemeinen Grundſaͤtzen ausgemittelten Werth zu 100 oder zu 1000 an, fange dann an, alle Nebenumſtaͤnde zu unterſuchen und zu wuͤrdigen, taxire die Vorzuͤge, die man außer dem eigentlichen Grund und Boden daran bemerkt, jeden zu gewiſſen Prozenten, nach moͤglichſt rich- tiger Schaͤtzung; man ſetze dieſe unter einander, und ſummire alsdann, um wie viel dieſes Gut uͤber ſeinen eigentlichen Grundwerth hoͤher zu ſchaͤtzen ſey. Dagegen be- merke man aber auf der andern Seite alle Nachtheile, die es hat, und alle Schwie-
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Auswahl eines Landguts.
hoͤheren Reiz geben. Da wir aber hier den Landwirth rein in ſeinem Gewerbe und
frei von allen Nebenbegriffen betrachten, ſo koͤnnen wir auf dieſe Zufaͤlligkeit nicht
Ruͤckſicht nehmen.
§. 59.
Wer ein Landgut ſucht, muß, um es auf das vortheilhafteſte zu erhalten, weit
umherſchauen, und ſich nicht auf einen Diſtrikt, Provinz oder Staat beſchraͤnken,
weil er um deſto beſſer waͤhlen kann, je mannigfaltiger die Gegenſtaͤnde ſeiner Wahl
ſich ihm darſtellen.
Auswahl eines
Landguts.
Wer Vaterlandsliebe beſitzt, die ſich auf Anerkennung wahrer Vorzuͤge der
Verfaſſung gruͤndet, wird hierin mit Recht eine Beſtimmung finden, ſich fuͤr ein
Landgut in dieſem Staate eher zu entſcheiden. Aber eine bloße Vorliebe des Mut-
terlandes kann nicht in Betracht kommen, wenn von der Aufgabe die Rede iſt, die
der Landwirth als ſolcher zu loͤſen hat.
§. 60.
Dasjenige Landgut wird immer zu waͤhlen ſeyn, welches, nach gehoͤriger Erwaͤ-
gung aller Umſtaͤnde, den moͤglich hoͤchſten reinen Ertrag verſpricht, verſteht ſich nach
Verhaͤltniß der Kraͤfte des Beſitznehmers. Ein ganz vollkommnes, fehlerfreies, und
in allen Stuͤcken den Wuͤnſchen entſprechendes Landgut wird man ſelten oder nie fin-
den, und es koͤmmt nur darauf an, in wiefern die Summe ſeiner guten Eigenſchaften
die ſeiner ſchlechten uͤberſteigt, folglich auf eine genaue Wuͤrdigung und Gegenein-
anderſtellung beider.
§. 61.
Um dieſe Gegeneinanderſtellung klar und deutlich zu machen, ſcheint mir fol-
gende Methode zweckmaͤßig:
Wenn man ſich im Allgemeinen fuͤr ein Gut beſtimmt hat, oder wenigſtens mit
der Wahl darauf beruht, ſo nehme man ſeinen zuvor nach allgemeinen Grundſaͤtzen
ausgemittelten Werth zu 100 oder zu 1000 an, fange dann an, alle Nebenumſtaͤnde
zu unterſuchen und zu wuͤrdigen, taxire die Vorzuͤge, die man außer dem eigentlichen
Grund und Boden daran bemerkt, jeden zu gewiſſen Prozenten, nach moͤglichſt rich-
tiger Schaͤtzung; man ſetze dieſe unter einander, und ſummire alsdann, um wie viel
dieſes Gut uͤber ſeinen eigentlichen Grundwerth hoͤher zu ſchaͤtzen ſey. Dagegen be-
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/62>, abgerufen am 21.02.2025.
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