mehr ihrem gesetzten und starken Muth, der sich bey allen Abwechselungen aufrecht erhält, und also ihrer Seelen- stärke, als der vorzüglichen Festigkeit und Stärke ihrer körperlichen Kräfte zu verdanken haben.
3.
Da die Seele ein Wesen ist, welches leidet und wirket, sich modisiciren lässet, und thätig etwas in und außer sich hervorbringet; so wird derjenige, der das Un- terscheidungsmerkmal der menschlichen Seele in einer vorzüglichen Modifikabilität und Selbstthätig- keit setzet, am Ende weder mehr noch weniger als dieß sagen: sie ist eine Seele in einem höhern Grade; sie ist, von der leidenden Seite betrachtet, von einem größern Umfang, und innerlich weicher, mehr und tie- fer durchdringlich, und als thätiges Wesen betrachtet, hat sie eine größere innere Kraft, auf sich und auf an- dere Dinge zu wirken.
Gehen wir nun aber mit dieser Jdee, von einer größern Empfänglichkeit und einer größern Selbstmacht, bis auf die Naturkraft der Seele in dem Zustand zurück, in welchem diese vor ihrer Entwickelung zu einem vor- stellenden und denkenden Wesen sich befindet, können wir alsdenn ihr solche auch in dieser Verfassung noch zu- schreiben? oder ist es nicht vielmehr nur eine Anlage zu einer solchen Selbstmacht zu gelangen, die der Urkraft zu- geschrieben werden kann? Laßt uns sagen, die Grund- kraft der Seele besitze eine vorzügliche Perfektibilität an Selbstmacht, so irren wir nicht, weil sie sich als ein sol- ches Wesen nachher wirklich beweiset, woferne wir an- ders nicht die ganze Ursache ihres nachherigen Vorzuges in den Körper, durch den sie sich ausbildet, setzen wollen. Und dennoch, wenn wir auch alles auf die Einwirkung äußerer Ursachen schieben wollten, so sind diese so bestän- dig mit dem menschlichen Seelenwesen von dem ersten
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XI. Verſuch. Ueber die Grundkraft
mehr ihrem geſetzten und ſtarken Muth, der ſich bey allen Abwechſelungen aufrecht erhaͤlt, und alſo ihrer Seelen- ſtaͤrke, als der vorzuͤglichen Feſtigkeit und Staͤrke ihrer koͤrperlichen Kraͤfte zu verdanken haben.
3.
Da die Seele ein Weſen iſt, welches leidet und wirket, ſich modiſiciren laͤſſet, und thaͤtig etwas in und außer ſich hervorbringet; ſo wird derjenige, der das Un- terſcheidungsmerkmal der menſchlichen Seele in einer vorzuͤglichen Modifikabilitaͤt und Selbſtthaͤtig- keit ſetzet, am Ende weder mehr noch weniger als dieß ſagen: ſie iſt eine Seele in einem hoͤhern Grade; ſie iſt, von der leidenden Seite betrachtet, von einem groͤßern Umfang, und innerlich weicher, mehr und tie- fer durchdringlich, und als thaͤtiges Weſen betrachtet, hat ſie eine groͤßere innere Kraft, auf ſich und auf an- dere Dinge zu wirken.
Gehen wir nun aber mit dieſer Jdee, von einer groͤßern Empfaͤnglichkeit und einer groͤßern Selbſtmacht, bis auf die Naturkraft der Seele in dem Zuſtand zuruͤck, in welchem dieſe vor ihrer Entwickelung zu einem vor- ſtellenden und denkenden Weſen ſich befindet, koͤnnen wir alsdenn ihr ſolche auch in dieſer Verfaſſung noch zu- ſchreiben? oder iſt es nicht vielmehr nur eine Anlage zu einer ſolchen Selbſtmacht zu gelangen, die der Urkraft zu- geſchrieben werden kann? Laßt uns ſagen, die Grund- kraft der Seele beſitze eine vorzuͤgliche Perfektibilitaͤt an Selbſtmacht, ſo irren wir nicht, weil ſie ſich als ein ſol- ches Weſen nachher wirklich beweiſet, woferne wir an- ders nicht die ganze Urſache ihres nachherigen Vorzuges in den Koͤrper, durch den ſie ſich ausbildet, ſetzen wollen. Und dennoch, wenn wir auch alles auf die Einwirkung aͤußerer Urſachen ſchieben wollten, ſo ſind dieſe ſo beſtaͤn- dig mit dem menſchlichen Seelenweſen von dem erſten
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XI. Verſuch. Ueber die Grundkraft
mehr ihrem geſetzten und ſtarken Muth, der ſich bey allen
Abwechſelungen aufrecht erhaͤlt, und alſo ihrer Seelen-
ſtaͤrke, als der vorzuͤglichen Feſtigkeit und Staͤrke ihrer
koͤrperlichen Kraͤfte zu verdanken haben.
3.
Da die Seele ein Weſen iſt, welches leidet und
wirket, ſich modiſiciren laͤſſet, und thaͤtig etwas in und
außer ſich hervorbringet; ſo wird derjenige, der das Un-
terſcheidungsmerkmal der menſchlichen Seele in einer
vorzuͤglichen Modifikabilitaͤt und Selbſtthaͤtig-
keit ſetzet, am Ende weder mehr noch weniger als dieß
ſagen: ſie iſt eine Seele in einem hoͤhern Grade;
ſie iſt, von der leidenden Seite betrachtet, von einem
groͤßern Umfang, und innerlich weicher, mehr und tie-
fer durchdringlich, und als thaͤtiges Weſen betrachtet,
hat ſie eine groͤßere innere Kraft, auf ſich und auf an-
dere Dinge zu wirken.
Gehen wir nun aber mit dieſer Jdee, von einer
groͤßern Empfaͤnglichkeit und einer groͤßern Selbſtmacht,
bis auf die Naturkraft der Seele in dem Zuſtand zuruͤck,
in welchem dieſe vor ihrer Entwickelung zu einem vor-
ſtellenden und denkenden Weſen ſich befindet, koͤnnen
wir alsdenn ihr ſolche auch in dieſer Verfaſſung noch zu-
ſchreiben? oder iſt es nicht vielmehr nur eine Anlage zu
einer ſolchen Selbſtmacht zu gelangen, die der Urkraft zu-
geſchrieben werden kann? Laßt uns ſagen, die Grund-
kraft der Seele beſitze eine vorzuͤgliche Perfektibilitaͤt an
Selbſtmacht, ſo irren wir nicht, weil ſie ſich als ein ſol-
ches Weſen nachher wirklich beweiſet, woferne wir an-
ders nicht die ganze Urſache ihres nachherigen Vorzuges
in den Koͤrper, durch den ſie ſich ausbildet, ſetzen wollen.
Und dennoch, wenn wir auch alles auf die Einwirkung
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 758. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/818>, abgerufen am 21.12.2024.
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