keit, in der Art und Weise zu wirken; nicht eine Noth- wendigkeit zu wirken überhaupt.
Es ist nicht nur nothwendig, daß wir die Folge- rungen für wahr anerkennen; wenn wir die Grundsätze dafür annehmen, und die Verbindung von jenen mit diesen einsehen, sondern es ist auch nothwendig, "daß wir den Schlußsatz für abhängig von seinen Gründen erklären." Der Schlußsatz ist um der Vordersätze wil- len wahr; er wird durch sie gesetzet, er hänget von ihnen ab. Dieß Urtheil ist gleichfalls ein nothwen- diges Urtheil, sobald wir über diese Beziehung reflek- tiren.
7.
Sollte es viertens unter unsern Urtheilen über die wirkende Verbindung der Ursachen mit ihren Wir- kungen, nicht auch einige geben, die von einer gleichen Nothwendigkeit sind, und in denen es nemlich eben so nothwendig ist, bey der Gegeneinanderhaltung der bei- den Objekte, von denen Eins die Ursache, das andere die Wirkung genannt wird, zu urtheilen, "daß sie von einander abhangen," als es nothwendig ist, den Schluß- satz für eine von seinen Prämissen abhängige Folge anzu- sehen?
Dieser Gedanke: Ein Ding ist die Ursache, die ein anders hervorbringet, erfodert, wie vorher weitläuftiger gewiesen worden ist,*) nicht allein, daß wir etwas vorhergehendes und etwas nachfolgendes, und das letztere als ein werdendes oder entstehendes Ding, in dem Erstern aber ein Bestreben und eine Thätigkeit gewahrnehmen, und uns vorstellen, fondern es wird auch die entstandene Sache, die Wirkung ist, als eine sol- che angesehen, die nicht von selbst, noch anderswoher ihren Ursprung hat.
Der
*) Versuch 4. IV. 4.
VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
keit, in der Art und Weiſe zu wirken; nicht eine Noth- wendigkeit zu wirken uͤberhaupt.
Es iſt nicht nur nothwendig, daß wir die Folge- rungen fuͤr wahr anerkennen; wenn wir die Grundſaͤtze dafuͤr annehmen, und die Verbindung von jenen mit dieſen einſehen, ſondern es iſt auch nothwendig, „daß wir den Schlußſatz fuͤr abhaͤngig von ſeinen Gruͤnden erklaͤren.‟ Der Schlußſatz iſt um der Vorderſaͤtze wil- len wahr; er wird durch ſie geſetzet, er haͤnget von ihnen ab. Dieß Urtheil iſt gleichfalls ein nothwen- diges Urtheil, ſobald wir uͤber dieſe Beziehung reflek- tiren.
7.
Sollte es viertens unter unſern Urtheilen uͤber die wirkende Verbindung der Urſachen mit ihren Wir- kungen, nicht auch einige geben, die von einer gleichen Nothwendigkeit ſind, und in denen es nemlich eben ſo nothwendig iſt, bey der Gegeneinanderhaltung der bei- den Objekte, von denen Eins die Urſache, das andere die Wirkung genannt wird, zu urtheilen, „daß ſie von einander abhangen,‟ als es nothwendig iſt, den Schluß- ſatz fuͤr eine von ſeinen Praͤmiſſen abhaͤngige Folge anzu- ſehen?
Dieſer Gedanke: Ein Ding iſt die Urſache, die ein anders hervorbringet, erfodert, wie vorher weitlaͤuftiger gewieſen worden iſt,*) nicht allein, daß wir etwas vorhergehendes und etwas nachfolgendes, und das letztere als ein werdendes oder entſtehendes Ding, in dem Erſtern aber ein Beſtreben und eine Thaͤtigkeit gewahrnehmen, und uns vorſtellen, fondern es wird auch die entſtandene Sache, die Wirkung iſt, als eine ſol- che angeſehen, die nicht von ſelbſt, noch anderswoher ihren Urſprung hat.
Der
*) Verſuch 4. IV. 4.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0554"n="494"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">VII.</hi> Verſuch. Von der Nothwendigkeit</hi></fw><lb/>
keit, in der Art und Weiſe zu wirken; nicht eine Noth-<lb/>
wendigkeit zu wirken uͤberhaupt.</p><lb/><p>Es iſt nicht nur nothwendig, daß wir die Folge-<lb/>
rungen fuͤr wahr anerkennen; wenn wir die Grundſaͤtze<lb/>
dafuͤr annehmen, und die Verbindung von jenen mit<lb/>
dieſen einſehen, ſondern es iſt auch nothwendig, „daß<lb/>
wir den Schlußſatz fuͤr <hirendition="#fr">abhaͤngig</hi> von ſeinen Gruͤnden<lb/>
erklaͤren.‟ Der Schlußſatz iſt <hirendition="#fr">um</hi> der Vorderſaͤtze wil-<lb/>
len wahr; er wird <hirendition="#fr">durch</hi>ſie geſetzet, er <hirendition="#fr">haͤnget von<lb/>
ihnen ab.</hi> Dieß Urtheil iſt gleichfalls ein <hirendition="#fr">nothwen-<lb/>
diges</hi> Urtheil, ſobald wir uͤber dieſe Beziehung reflek-<lb/>
tiren.</p></div><lb/><divn="3"><head>7.</head><lb/><p>Sollte es viertens unter unſern Urtheilen uͤber die<lb/><hirendition="#fr">wirkende Verbindung</hi> der Urſachen mit ihren Wir-<lb/>
kungen, nicht auch einige geben, die von einer gleichen<lb/>
Nothwendigkeit ſind, und in denen es nemlich eben ſo<lb/>
nothwendig iſt, bey der Gegeneinanderhaltung der bei-<lb/>
den Objekte, von denen Eins die Urſache, das andere<lb/>
die Wirkung genannt wird, zu urtheilen, „daß ſie von<lb/>
einander <hirendition="#fr">abhangen,</hi>‟ als es nothwendig iſt, den Schluß-<lb/>ſatz fuͤr eine von ſeinen Praͤmiſſen abhaͤngige Folge anzu-<lb/>ſehen?</p><lb/><p>Dieſer Gedanke: <hirendition="#fr">Ein Ding iſt die Urſache,<lb/>
die ein anders hervorbringet,</hi> erfodert, wie vorher<lb/>
weitlaͤuftiger gewieſen worden iſt,<noteplace="foot"n="*)">Verſuch 4. <hirendition="#aq">IV.</hi> 4.</note> nicht allein, daß wir<lb/>
etwas vorhergehendes und etwas nachfolgendes, und das<lb/>
letztere als ein <hirendition="#fr">werdendes</hi> oder <hirendition="#fr">entſtehendes</hi> Ding,<lb/>
in dem Erſtern aber ein Beſtreben und eine Thaͤtigkeit<lb/>
gewahrnehmen, und uns vorſtellen, fondern es wird auch<lb/>
die <hirendition="#fr">entſtandene</hi> Sache, die Wirkung iſt, als eine ſol-<lb/>
che angeſehen, die <hirendition="#fr">nicht von ſelbſt,</hi> noch anderswoher<lb/>
ihren Urſprung hat.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Der</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[494/0554]
VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
keit, in der Art und Weiſe zu wirken; nicht eine Noth-
wendigkeit zu wirken uͤberhaupt.
Es iſt nicht nur nothwendig, daß wir die Folge-
rungen fuͤr wahr anerkennen; wenn wir die Grundſaͤtze
dafuͤr annehmen, und die Verbindung von jenen mit
dieſen einſehen, ſondern es iſt auch nothwendig, „daß
wir den Schlußſatz fuͤr abhaͤngig von ſeinen Gruͤnden
erklaͤren.‟ Der Schlußſatz iſt um der Vorderſaͤtze wil-
len wahr; er wird durch ſie geſetzet, er haͤnget von
ihnen ab. Dieß Urtheil iſt gleichfalls ein nothwen-
diges Urtheil, ſobald wir uͤber dieſe Beziehung reflek-
tiren.
7.
Sollte es viertens unter unſern Urtheilen uͤber die
wirkende Verbindung der Urſachen mit ihren Wir-
kungen, nicht auch einige geben, die von einer gleichen
Nothwendigkeit ſind, und in denen es nemlich eben ſo
nothwendig iſt, bey der Gegeneinanderhaltung der bei-
den Objekte, von denen Eins die Urſache, das andere
die Wirkung genannt wird, zu urtheilen, „daß ſie von
einander abhangen,‟ als es nothwendig iſt, den Schluß-
ſatz fuͤr eine von ſeinen Praͤmiſſen abhaͤngige Folge anzu-
ſehen?
Dieſer Gedanke: Ein Ding iſt die Urſache,
die ein anders hervorbringet, erfodert, wie vorher
weitlaͤuftiger gewieſen worden iſt, *) nicht allein, daß wir
etwas vorhergehendes und etwas nachfolgendes, und das
letztere als ein werdendes oder entſtehendes Ding,
in dem Erſtern aber ein Beſtreben und eine Thaͤtigkeit
gewahrnehmen, und uns vorſtellen, fondern es wird auch
die entſtandene Sache, die Wirkung iſt, als eine ſol-
che angeſehen, die nicht von ſelbſt, noch anderswoher
ihren Urſprung hat.
Der
*) Verſuch 4. IV. 4.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/554>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.