Der erste Theil dieses letztern Gedankens ist eben so subjektivisch nothwendig, als es ist, einem Dinge, das wir als etwas Entstehendes und Werdendes uns vorstellen, eine Ursache zuzuschreiben, oder mit andern Worten: als es nothwendig ist, zu denken: Aus Nichts wird Nichts, von welcher Nothwendigkeit ich gleich nachher mehr sagen will.
Das zweyte Urtheil, daß die Wirkung nicht sonsten woher entstanden sey, ist alsdenn auch ein nothwendi- ger Gedanke, wenn wir nirgends sonsten etwas wirkli- ches wahrnehmen, was die Ursache zu dem Entstande- nen seyn könnte. Denn es ist ein Naturgesetz der Denkkraft, "daß sie Nichts als ein wirklich vorhande- "nes Ding annimmt, oder annehmen kann, ohne sol- "ches entweder zu empfinden, oder in andern Gedanken "einen Grund dazu anzutreffen."
Daher ist es, wenn die zuletzt erwähnte Bedingung Statt findet, ein subjektivisch nothwendiger Gedanke, daß wir die Bewegung des Arms nach dem Willen der Seele für eine Wirkung unsers Wollens, und das Licht des Tages für eine Wirkung von der Sonne halten. Der Harmonist und der Jdealist urtheilet im Anfang eben so, wie andere Menschen, und muß also urtheilen, so lan- ge nicht in ihm der neue Gedanke hinzu gekommen ist, daß die Bewegung in dem Körper nach dem Willen der Seele wohl anderswoher, nemlich aus den Kräften des Körpers, entstanden seyn könne. Wenn aber dagegen, Spekulation oder Empfindung oder Jnstruktion, oder was es sey, diesen letztern Gedanken ihm beygebracht hat, und wenn dieser mit demjenigen verbunden wird, was er nicht mehr und nicht weniger wie andere Menschen, in der Empfindung gewahr wird; so hat es die Wirkung, daß der Gedanke von einer wirkenden Verknüpfung zwischen dem Wollen in der Seele und der Bewegung in dem Körper in ihm zurückgehalten wird, obgleich sei-
ne
der allgem. Vernunftwahrheiten, ⁊c.
Der erſte Theil dieſes letztern Gedankens iſt eben ſo ſubjektiviſch nothwendig, als es iſt, einem Dinge, das wir als etwas Entſtehendes und Werdendes uns vorſtellen, eine Urſache zuzuſchreiben, oder mit andern Worten: als es nothwendig iſt, zu denken: Aus Nichts wird Nichts, von welcher Nothwendigkeit ich gleich nachher mehr ſagen will.
Das zweyte Urtheil, daß die Wirkung nicht ſonſten woher entſtanden ſey, iſt alsdenn auch ein nothwendi- ger Gedanke, wenn wir nirgends ſonſten etwas wirkli- ches wahrnehmen, was die Urſache zu dem Entſtande- nen ſeyn koͤnnte. Denn es iſt ein Naturgeſetz der Denkkraft, „daß ſie Nichts als ein wirklich vorhande- „nes Ding annimmt, oder annehmen kann, ohne ſol- „ches entweder zu empfinden, oder in andern Gedanken „einen Grund dazu anzutreffen.‟
Daher iſt es, wenn die zuletzt erwaͤhnte Bedingung Statt findet, ein ſubjektiviſch nothwendiger Gedanke, daß wir die Bewegung des Arms nach dem Willen der Seele fuͤr eine Wirkung unſers Wollens, und das Licht des Tages fuͤr eine Wirkung von der Sonne halten. Der Harmoniſt und der Jdealiſt urtheilet im Anfang eben ſo, wie andere Menſchen, und muß alſo urtheilen, ſo lan- ge nicht in ihm der neue Gedanke hinzu gekommen iſt, daß die Bewegung in dem Koͤrper nach dem Willen der Seele wohl anderswoher, nemlich aus den Kraͤften des Koͤrpers, entſtanden ſeyn koͤnne. Wenn aber dagegen, Spekulation oder Empfindung oder Jnſtruktion, oder was es ſey, dieſen letztern Gedanken ihm beygebracht hat, und wenn dieſer mit demjenigen verbunden wird, was er nicht mehr und nicht weniger wie andere Menſchen, in der Empfindung gewahr wird; ſo hat es die Wirkung, daß der Gedanke von einer wirkenden Verknuͤpfung zwiſchen dem Wollen in der Seele und der Bewegung in dem Koͤrper in ihm zuruͤckgehalten wird, obgleich ſei-
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der allgem. Vernunftwahrheiten, ⁊c.
Der erſte Theil dieſes letztern Gedankens iſt eben ſo
ſubjektiviſch nothwendig, als es iſt, einem Dinge, das
wir als etwas Entſtehendes und Werdendes uns
vorſtellen, eine Urſache zuzuſchreiben, oder mit andern
Worten: als es nothwendig iſt, zu denken: Aus
Nichts wird Nichts, von welcher Nothwendigkeit
ich gleich nachher mehr ſagen will.
Das zweyte Urtheil, daß die Wirkung nicht ſonſten
woher entſtanden ſey, iſt alsdenn auch ein nothwendi-
ger Gedanke, wenn wir nirgends ſonſten etwas wirkli-
ches wahrnehmen, was die Urſache zu dem Entſtande-
nen ſeyn koͤnnte. Denn es iſt ein Naturgeſetz der
Denkkraft, „daß ſie Nichts als ein wirklich vorhande-
„nes Ding annimmt, oder annehmen kann, ohne ſol-
„ches entweder zu empfinden, oder in andern Gedanken
„einen Grund dazu anzutreffen.‟
Daher iſt es, wenn die zuletzt erwaͤhnte Bedingung
Statt findet, ein ſubjektiviſch nothwendiger Gedanke,
daß wir die Bewegung des Arms nach dem Willen der
Seele fuͤr eine Wirkung unſers Wollens, und das Licht
des Tages fuͤr eine Wirkung von der Sonne halten. Der
Harmoniſt und der Jdealiſt urtheilet im Anfang eben ſo,
wie andere Menſchen, und muß alſo urtheilen, ſo lan-
ge nicht in ihm der neue Gedanke hinzu gekommen iſt,
daß die Bewegung in dem Koͤrper nach dem Willen der
Seele wohl anderswoher, nemlich aus den Kraͤften des
Koͤrpers, entſtanden ſeyn koͤnne. Wenn aber dagegen,
Spekulation oder Empfindung oder Jnſtruktion, oder
was es ſey, dieſen letztern Gedanken ihm beygebracht hat,
und wenn dieſer mit demjenigen verbunden wird, was
er nicht mehr und nicht weniger wie andere Menſchen,
in der Empfindung gewahr wird; ſo hat es die Wirkung,
daß der Gedanke von einer wirkenden Verknuͤpfung
zwiſchen dem Wollen in der Seele und der Bewegung
in dem Koͤrper in ihm zuruͤckgehalten wird, obgleich ſei-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/555>, abgerufen am 21.11.2024.
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