"begriffen ist." Es ist ein Gesetz des körperlichen Se- hens in der Optik, daß wir die gesehenen Objekte an solchen Oertern und Stellen sehen, die wir mit ihnen zu- gleich vors Gesicht haben, und in deren Empfindung das Bild des Objekts als ein Theil der ganzen Empfin- dung enthalten ist. Dagegen sehen wir ein Ding bey einem andern, den Stern z. E. bey dem Mond, wenn die Empfindung von jenem mit der Empfindung von die- sem, als ein Theil mit einem andern Theil verbunden ist, und beide ein vereinigtes Ganze ausmachen. Dieß sind die Gesetze für das körperliche Sehen. Man verallge- meinere sie, so hat man das obige Gesetz für das Gesicht des Verstandes.
XI. Anwendung dieser Grundregel zur Erklärung der besondern Urtheile.
Die Anwendung dieser Grundregel, wenn unsere sinn- lichen Urtheile aus ihr erklärt werden sollen, ist an sich nicht schwer. Man darf nur ihren eigentlichen Sinn vor Augen haben. Daß alsdenn Ausnahmen vorkom- men sollten, die ihr entgegen sind, meine ich nicht. Es scheinen so gar die Fälle, worinn wir ungewiß, und zweifelhaft sind, ob wir die Dinge in uns oder außer uns setzen sollen, die Grundregel selbst zu bestätigen. Figur und Farbe erscheinen uns allemal als Dinge außer uns; aber nicht allemal erscheint uns die Kälte und Wär- me so. Einige dieser Art von Urtheilen sind veränder- lich nach der Verschiedenheit der Umstände. Das an- gegebene Gesetz enthält auch hievon den Grund. Es kommt auf den Grad der Klarheit an, womit wir ent- weder unser Jch, oder unsere Organe oder andere Sub- stanzen zugleich mitempfinden, wenn der Eindruck em- pfunden wird, den wir in irgend eins dieser Dinge hin-
setzen;
V. Verſuch. Ueber den Urſpr. unſerer
„begriffen iſt.“ Es iſt ein Geſetz des koͤrperlichen Se- hens in der Optik, daß wir die geſehenen Objekte an ſolchen Oertern und Stellen ſehen, die wir mit ihnen zu- gleich vors Geſicht haben, und in deren Empfindung das Bild des Objekts als ein Theil der ganzen Empfin- dung enthalten iſt. Dagegen ſehen wir ein Ding bey einem andern, den Stern z. E. bey dem Mond, wenn die Empfindung von jenem mit der Empfindung von die- ſem, als ein Theil mit einem andern Theil verbunden iſt, und beide ein vereinigtes Ganze ausmachen. Dieß ſind die Geſetze fuͤr das koͤrperliche Sehen. Man verallge- meinere ſie, ſo hat man das obige Geſetz fuͤr das Geſicht des Verſtandes.
XI. Anwendung dieſer Grundregel zur Erklaͤrung der beſondern Urtheile.
Die Anwendung dieſer Grundregel, wenn unſere ſinn- lichen Urtheile aus ihr erklaͤrt werden ſollen, iſt an ſich nicht ſchwer. Man darf nur ihren eigentlichen Sinn vor Augen haben. Daß alsdenn Ausnahmen vorkom- men ſollten, die ihr entgegen ſind, meine ich nicht. Es ſcheinen ſo gar die Faͤlle, worinn wir ungewiß, und zweifelhaft ſind, ob wir die Dinge in uns oder außer uns ſetzen ſollen, die Grundregel ſelbſt zu beſtaͤtigen. Figur und Farbe erſcheinen uns allemal als Dinge außer uns; aber nicht allemal erſcheint uns die Kaͤlte und Waͤr- me ſo. Einige dieſer Art von Urtheilen ſind veraͤnder- lich nach der Verſchiedenheit der Umſtaͤnde. Das an- gegebene Geſetz enthaͤlt auch hievon den Grund. Es kommt auf den Grad der Klarheit an, womit wir ent- weder unſer Jch, oder unſere Organe oder andere Sub- ſtanzen zugleich mitempfinden, wenn der Eindruck em- pfunden wird, den wir in irgend eins dieſer Dinge hin-
ſetzen;
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V. Verſuch. Ueber den Urſpr. unſerer
„begriffen iſt.“ Es iſt ein Geſetz des koͤrperlichen Se-
hens in der Optik, daß wir die geſehenen Objekte an
ſolchen Oertern und Stellen ſehen, die wir mit ihnen zu-
gleich vors Geſicht haben, und in deren Empfindung
das Bild des Objekts als ein Theil der ganzen Empfin-
dung enthalten iſt. Dagegen ſehen wir ein Ding bey
einem andern, den Stern z. E. bey dem Mond, wenn
die Empfindung von jenem mit der Empfindung von die-
ſem, als ein Theil mit einem andern Theil verbunden iſt,
und beide ein vereinigtes Ganze ausmachen. Dieß ſind
die Geſetze fuͤr das koͤrperliche Sehen. Man verallge-
meinere ſie, ſo hat man das obige Geſetz fuͤr das Geſicht
des Verſtandes.
XI.
Anwendung dieſer Grundregel zur Erklaͤrung
der beſondern Urtheile.
Die Anwendung dieſer Grundregel, wenn unſere ſinn-
lichen Urtheile aus ihr erklaͤrt werden ſollen, iſt an
ſich nicht ſchwer. Man darf nur ihren eigentlichen Sinn
vor Augen haben. Daß alsdenn Ausnahmen vorkom-
men ſollten, die ihr entgegen ſind, meine ich nicht. Es
ſcheinen ſo gar die Faͤlle, worinn wir ungewiß, und
zweifelhaft ſind, ob wir die Dinge in uns oder außer
uns ſetzen ſollen, die Grundregel ſelbſt zu beſtaͤtigen.
Figur und Farbe erſcheinen uns allemal als Dinge außer
uns; aber nicht allemal erſcheint uns die Kaͤlte und Waͤr-
me ſo. Einige dieſer Art von Urtheilen ſind veraͤnder-
lich nach der Verſchiedenheit der Umſtaͤnde. Das an-
gegebene Geſetz enthaͤlt auch hievon den Grund. Es
kommt auf den Grad der Klarheit an, womit wir ent-
weder unſer Jch, oder unſere Organe oder andere Sub-
ſtanzen zugleich mitempfinden, wenn der Eindruck em-
pfunden wird, den wir in irgend eins dieſer Dinge hin-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/476>, abgerufen am 21.11.2024.
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