und endlich die Beziehung der Vorstellung, als einer gegenwärtigen Seelenbeschaffenheit auf die Empfindsam- keit. Bey der Erklärung einzelner Fälle wird es am meisten darauf ankommen, welche von diesen dreyen Ur- sachen entweder allein oder als die vorzüglichste an der hervorgebrachten Wirkung Antheil habe.
VIII. Jn dem Aktus des Fühlens nimmt man keine Mannigfaltigkeit gewahr. Ob das Fühlen als eine Reaktion der Seele könne angesehen werden?
Nun wieder zurück zu der physischen Natur des Füh- lens. Jn allen den angeführten mannigfaltigen Aeußerungen des Gefühls finde ich innerlich nichts ver- schiedenartiges. Die Gegenstände sind unterschieden und mannigfaltig. Es findet auch in dem Gefühl ein Mehr und Weniger statt; es ist feiner oder stumpfer, anhal- tender und unterbrochener, lebhafter oder schwächer; aber diese Unterschiede bey Seite gesetzet; so haben wir überall, wo wir empfinden, die nemliche einfache Aeu- ßerung unserer Kraft. Wir fühlen, das Licht durch die Augen, den Ton durch die Ohren; die Last, die auf den Schultern drücket; daß ein schöner Gegenstand uns ge- falle, ein interessirter uns rühre. Verschiedene Ursa- chen, und verschiedene Wirkungen, aber die Thätig- keit des Fühlens selbst ist überall die nemliche.
Jch komme hier noch einmal auf die im Anfang schon aufgeworfene Frage zurück, ob das Fühlen eine Art von geistiger Reaktion der Seele sey. Es ist nichts in den vorhergehenden Beobachtungen, das diese Benen- nung unanpassend macht. Da das Gefühl nur absolute und gegenwärtige Beschaffenheiten zu unmittelbaren
Gegen-
uͤber Empfindungen u. Empfindniſſe.
und endlich die Beziehung der Vorſtellung, als einer gegenwaͤrtigen Seelenbeſchaffenheit auf die Empfindſam- keit. Bey der Erklaͤrung einzelner Faͤlle wird es am meiſten darauf ankommen, welche von dieſen dreyen Ur- ſachen entweder allein oder als die vorzuͤglichſte an der hervorgebrachten Wirkung Antheil habe.
VIII. Jn dem Aktus des Fuͤhlens nimmt man keine Mannigfaltigkeit gewahr. Ob das Fuͤhlen als eine Reaktion der Seele koͤnne angeſehen werden?
Nun wieder zuruͤck zu der phyſiſchen Natur des Fuͤh- lens. Jn allen den angefuͤhrten mannigfaltigen Aeußerungen des Gefuͤhls finde ich innerlich nichts ver- ſchiedenartiges. Die Gegenſtaͤnde ſind unterſchieden und mannigfaltig. Es findet auch in dem Gefuͤhl ein Mehr und Weniger ſtatt; es iſt feiner oder ſtumpfer, anhal- tender und unterbrochener, lebhafter oder ſchwaͤcher; aber dieſe Unterſchiede bey Seite geſetzet; ſo haben wir uͤberall, wo wir empfinden, die nemliche einfache Aeu- ßerung unſerer Kraft. Wir fuͤhlen, das Licht durch die Augen, den Ton durch die Ohren; die Laſt, die auf den Schultern druͤcket; daß ein ſchoͤner Gegenſtand uns ge- falle, ein intereſſirter uns ruͤhre. Verſchiedene Urſa- chen, und verſchiedene Wirkungen, aber die Thaͤtig- keit des Fuͤhlens ſelbſt iſt uͤberall die nemliche.
Jch komme hier noch einmal auf die im Anfang ſchon aufgeworfene Frage zuruͤck, ob das Fuͤhlen eine Art von geiſtiger Reaktion der Seele ſey. Es iſt nichts in den vorhergehenden Beobachtungen, das dieſe Benen- nung unanpaſſend macht. Da das Gefuͤhl nur abſolute und gegenwaͤrtige Beſchaffenheiten zu unmittelbaren
Gegen-
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uͤber Empfindungen u. Empfindniſſe.
und endlich die Beziehung der Vorſtellung, als einer
gegenwaͤrtigen Seelenbeſchaffenheit auf die Empfindſam-
keit. Bey der Erklaͤrung einzelner Faͤlle wird es am
meiſten darauf ankommen, welche von dieſen dreyen Ur-
ſachen entweder allein oder als die vorzuͤglichſte an der
hervorgebrachten Wirkung Antheil habe.
VIII.
Jn dem Aktus des Fuͤhlens nimmt man keine
Mannigfaltigkeit gewahr. Ob das Fuͤhlen
als eine Reaktion der Seele koͤnne angeſehen
werden?
Nun wieder zuruͤck zu der phyſiſchen Natur des Fuͤh-
lens. Jn allen den angefuͤhrten mannigfaltigen
Aeußerungen des Gefuͤhls finde ich innerlich nichts ver-
ſchiedenartiges. Die Gegenſtaͤnde ſind unterſchieden und
mannigfaltig. Es findet auch in dem Gefuͤhl ein Mehr
und Weniger ſtatt; es iſt feiner oder ſtumpfer, anhal-
tender und unterbrochener, lebhafter oder ſchwaͤcher;
aber dieſe Unterſchiede bey Seite geſetzet; ſo haben wir
uͤberall, wo wir empfinden, die nemliche einfache Aeu-
ßerung unſerer Kraft. Wir fuͤhlen, das Licht durch die
Augen, den Ton durch die Ohren; die Laſt, die auf den
Schultern druͤcket; daß ein ſchoͤner Gegenſtand uns ge-
falle, ein intereſſirter uns ruͤhre. Verſchiedene Urſa-
chen, und verſchiedene Wirkungen, aber die Thaͤtig-
keit des Fuͤhlens ſelbſt iſt uͤberall die nemliche.
Jch komme hier noch einmal auf die im Anfang
ſchon aufgeworfene Frage zuruͤck, ob das Fuͤhlen eine
Art von geiſtiger Reaktion der Seele ſey. Es iſt nichts
in den vorhergehenden Beobachtungen, das dieſe Benen-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/315>, abgerufen am 21.11.2024.
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