vor (*), die beyden Quinten da, und ae auf der Violine etwas unter sich schwebend zu stimmen; al- lein dadurch würde die Unvollkommenheit noch ver- mehrt worden seyn, weil kein Violinist alsdenn auf diesen beyden Sayten eine einzige Quinte hätte rein angeben können. Daher ist, wenn man annimmt, daß die zwey Sayten a und e im Spielen nicht anders als nur in Geschwindigkeiten, blos angege- ben werden, die reine Quintenstimmung von g auf- wärts, die vollkommenste Art, die Violinen zu stimmen.
Die Flöten und Hoboen, die im Blasen höher wer- den, müssen nicht, wie es fast durchgängig geschie- het, mit dem e der Violine, welches ohnehin schon um zu hoch ist, sondern mit dem e der Orgel oder des Flügels gleich gestimmet werden. Die Waldhörner werden allezeit in dem Hauptton des Stüks gestimmet.
Seitdem Roußean sich so sehr über die Gewohn- heit des französischen Orchesters, ganze Stunden lang vor einer Kirchenmusik oder einer Oper zu stim- men und zu präludiren aufgehalten hat, hat diese üble Gewohnheit in Paris nachgelassen; man stimmt izo in der großen Oper daselbst nicht einmal im Or- chester, sondern in besonderen Nebenzimmern, und jeder ist in einem Augenblick mit seinem Jnstrument fertig. Es wäre zu wünschen, daß manche deutsche Capellen diesen Beyspiehl folgen, und einmal einse- hen lernen möchten, daß der Zuhörer auf keine unan- genehmere Weise, und schlechter zu dem folgenden vorbereitet werde, als durch das ewige Stimmen und Präludiren so vieler Jnstrumente in einander und durch einander, ohne daß einer vor den andern hören kann, ob sein Jnstrument gestimmt ist, oder nicht.
Strophe. (Dichtkunst.)
Ursprünglich bedeutete das Wort in den lyrischen Gedichten der Griechen eine Folge von Versen, die von einem Chor in einem Zug, oder Marsch gesun- gen wurde; weil das Singen mit einem feyerlichen Umzug oder Gang des singenden Chores verbunden worden. Wann der Chor sich in seinem Zug wen- dete; so fieng eine zweyte Folge von Versen an, deren Anzahl und metrische Einrichtung eben so war, wie in der ersten; also mußte der Chor eben so viel Schritte thun um die zweyte Strophe zu singen, als [Spaltenumbruch]
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sie zur ersten nöthig hatte. Diese zweyte Folge wurd Antistrophe genannt. Wann der Chor hier- auf stillstehend noch etliche Verse sang, so wurden diese zusammen Epodos genannt und waren in der metrischen Einrichtung von Strophe und Antistro- phe verschieden. Wann mit diesen drey Säzen das Lied noch nicht geendiget war; so wurden in der Folge die Verse genau nach dem Sylbenmaaß und dem Metrum der vorhergehenden Säze wiederholt. Dieses kann man in den strophischen Chören der griechischen Tragödien und in den Oden des Pin- dars sehen.
Jzt giebt man den Namen der Strophe in un- sern Oden und Liedern einer Periode von etlichen Versen, die allen folgenden Perioden in Ansehung des Sylbenmaaßes und der Versart zur Lehre die- net. Rämlich drey, vier, oder mehr Verse, wo- mit das Gedicht anfängt, dienen durch das ganze Lied in Absicht auf das Sylbenmaaß und die Länge der Verse dergestalt zur Lehre, daß hernach die Folge des Gedichts in jedem Abschnitt von drey, vier, oder mehr Versen, genau so seyn muß, wie in den ersten. Folgende vier Verse: Freund! die Tugend ist kein leerer Name Aus dem Herzen keimt der Tugend Saame, Und ein Gott ists, der der Berge Spizen Röthet mit Blizen. machen eine Strophe der sapphischen Versart aus; so lange das Lied dauert, machen immer vier fol- gende Verse eine Strophe, die in Absicht des Syl- benmaaßes und der Länge der Verse genau so ist, wie diese.
Es giebt einfache und Doppelstrophen. Die einfachen, machen, wie die so eben angeführte, nur eine einzige Periode aus, die am End einen Haupt- ruhepunkt hat. Die Doppelstrophe besteht aus mehr Versen, die zwey rhythmische Hauptabschnitte ausmachen, wie folgende: Welche Fluren! Welche Tänze! Welche schön geflochtne Kränze! Welch ein sanftes Purpurlicht! Sanfter war die Morgenröthe Die des Waldes Grün erhöhte Mir im schönsten Lenze nicht! (*) Obgleich die zweyte Hälfte genau dieselbe metrische Beschaffenheit hat, als die erste; so empfindet man doch, daß der Ton sich etwas abändert.
Bis-
(*) Jn sei- ner Anwei- sung d Flö- tetraversie- re zu spie- len.
(*) Jacobi.
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vor (*), die beyden Quinten d𝆊̅a̅, und a𝆊̅e̅̅ auf der Violine etwas unter ſich ſchwebend zu ſtimmen; al- lein dadurch wuͤrde die Unvollkommenheit noch ver- mehrt worden ſeyn, weil kein Violiniſt alsdenn auf dieſen beyden Sayten eine einzige Quinte haͤtte rein angeben koͤnnen. Daher iſt, wenn man annimmt, daß die zwey Sayten a̅ und e̅̅ im Spielen nicht anders als nur in Geſchwindigkeiten, blos angege- ben werden, die reine Quintenſtimmung von g auf- waͤrts, die vollkommenſte Art, die Violinen zu ſtimmen.
Die Floͤten und Hoboen, die im Blaſen hoͤher wer- den, muͤſſen nicht, wie es faſt durchgaͤngig geſchie- het, mit dem e̅̅ der Violine, welches ohnehin ſchon um zu hoch iſt, ſondern mit dem e̅̅ der Orgel oder des Fluͤgels gleich geſtimmet werden. Die Waldhoͤrner werden allezeit in dem Hauptton des Stuͤks geſtimmet.
Seitdem Roußean ſich ſo ſehr uͤber die Gewohn- heit des franzoͤſiſchen Orcheſters, ganze Stunden lang vor einer Kirchenmuſik oder einer Oper zu ſtim- men und zu praͤludiren aufgehalten hat, hat dieſe uͤble Gewohnheit in Paris nachgelaſſen; man ſtimmt izo in der großen Oper daſelbſt nicht einmal im Or- cheſter, ſondern in beſonderen Nebenzimmern, und jeder iſt in einem Augenblick mit ſeinem Jnſtrument fertig. Es waͤre zu wuͤnſchen, daß manche deutſche Capellen dieſen Beyſpiehl folgen, und einmal einſe- hen lernen moͤchten, daß der Zuhoͤrer auf keine unan- genehmere Weiſe, und ſchlechter zu dem folgenden vorbereitet werde, als durch das ewige Stimmen und Praͤludiren ſo vieler Jnſtrumente in einander und durch einander, ohne daß einer vor den andern hoͤren kann, ob ſein Jnſtrument geſtimmt iſt, oder nicht.
Strophe. (Dichtkunſt.)
Urſpruͤnglich bedeutete das Wort in den lyriſchen Gedichten der Griechen eine Folge von Verſen, die von einem Chor in einem Zug, oder Marſch geſun- gen wurde; weil das Singen mit einem feyerlichen Umzug oder Gang des ſingenden Chores verbunden worden. Wann der Chor ſich in ſeinem Zug wen- dete; ſo fieng eine zweyte Folge von Verſen an, deren Anzahl und metriſche Einrichtung eben ſo war, wie in der erſten; alſo mußte der Chor eben ſo viel Schritte thun um die zweyte Strophe zu ſingen, als [Spaltenumbruch]
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ſie zur erſten noͤthig hatte. Dieſe zweyte Folge wurd Antiſtrophe genannt. Wann der Chor hier- auf ſtillſtehend noch etliche Verſe ſang, ſo wurden dieſe zuſammen Epodos genannt und waren in der metriſchen Einrichtung von Strophe und Antiſtro- phe verſchieden. Wann mit dieſen drey Saͤzen das Lied noch nicht geendiget war; ſo wurden in der Folge die Verſe genau nach dem Sylbenmaaß und dem Metrum der vorhergehenden Saͤze wiederholt. Dieſes kann man in den ſtrophiſchen Choͤren der griechiſchen Tragoͤdien und in den Oden des Pin- dars ſehen.
Jzt giebt man den Namen der Strophe in un- ſern Oden und Liedern einer Periode von etlichen Verſen, die allen folgenden Perioden in Anſehung des Sylbenmaaßes und der Versart zur Lehre die- net. Raͤmlich drey, vier, oder mehr Verſe, wo- mit das Gedicht anfaͤngt, dienen durch das ganze Lied in Abſicht auf das Sylbenmaaß und die Laͤnge der Verſe dergeſtalt zur Lehre, daß hernach die Folge des Gedichts in jedem Abſchnitt von drey, vier, oder mehr Verſen, genau ſo ſeyn muß, wie in den erſten. Folgende vier Verſe: Freund! die Tugend iſt kein leerer Name Aus dem Herzen keimt der Tugend Saame, Und ein Gott iſts, der der Berge Spizen Roͤthet mit Blizen. machen eine Strophe der ſapphiſchen Versart aus; ſo lange das Lied dauert, machen immer vier fol- gende Verſe eine Strophe, die in Abſicht des Syl- benmaaßes und der Laͤnge der Verſe genau ſo iſt, wie dieſe.
Es giebt einfache und Doppelſtrophen. Die einfachen, machen, wie die ſo eben angefuͤhrte, nur eine einzige Periode aus, die am End einen Haupt- ruhepunkt hat. Die Doppelſtrophe beſteht aus mehr Verſen, die zwey rhythmiſche Hauptabſchnitte ausmachen, wie folgende: Welche Fluren! Welche Taͤnze! Welche ſchoͤn geflochtne Kraͤnze! Welch ein ſanftes Purpurlicht! Sanfter war die Morgenroͤthe Die des Waldes Gruͤn erhoͤhte Mir im ſchoͤnſten Lenze nicht! (*) Obgleich die zweyte Haͤlfte genau dieſelbe metriſche Beſchaffenheit hat, als die erſte; ſo empfindet man doch, daß der Ton ſich etwas abaͤndert.
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(*) Jn ſei- ner Anwei- ſung d Floͤ- tetraverſie- re zu ſpie- len.
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[1114[1096]/0543]
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Die Floͤten und Hoboen, die im Blaſen hoͤher wer-
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oder des Fluͤgels gleich geſtimmet werden. Die
Waldhoͤrner werden allezeit in dem Hauptton des
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Seitdem Roußean ſich ſo ſehr uͤber die Gewohn-
heit des franzoͤſiſchen Orcheſters, ganze Stunden
lang vor einer Kirchenmuſik oder einer Oper zu ſtim-
men und zu praͤludiren aufgehalten hat, hat dieſe
uͤble Gewohnheit in Paris nachgelaſſen; man ſtimmt
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und Praͤludiren ſo vieler Jnſtrumente in einander
und durch einander, ohne daß einer vor den andern
hoͤren kann, ob ſein Jnſtrument geſtimmt iſt, oder
nicht.
Strophe.
(Dichtkunſt.)
Urſpruͤnglich bedeutete das Wort in den lyriſchen
Gedichten der Griechen eine Folge von Verſen, die
von einem Chor in einem Zug, oder Marſch geſun-
gen wurde; weil das Singen mit einem feyerlichen
Umzug oder Gang des ſingenden Chores verbunden
worden. Wann der Chor ſich in ſeinem Zug wen-
dete; ſo fieng eine zweyte Folge von Verſen an,
deren Anzahl und metriſche Einrichtung eben ſo war,
wie in der erſten; alſo mußte der Chor eben ſo viel
Schritte thun um die zweyte Strophe zu ſingen, als
ſie zur erſten noͤthig hatte. Dieſe zweyte Folge
wurd Antiſtrophe genannt. Wann der Chor hier-
auf ſtillſtehend noch etliche Verſe ſang, ſo wurden
dieſe zuſammen Epodos genannt und waren in der
metriſchen Einrichtung von Strophe und Antiſtro-
phe verſchieden. Wann mit dieſen drey Saͤzen das
Lied noch nicht geendiget war; ſo wurden in der
Folge die Verſe genau nach dem Sylbenmaaß und
dem Metrum der vorhergehenden Saͤze wiederholt.
Dieſes kann man in den ſtrophiſchen Choͤren der
griechiſchen Tragoͤdien und in den Oden des Pin-
dars ſehen.
Jzt giebt man den Namen der Strophe in un-
ſern Oden und Liedern einer Periode von etlichen
Verſen, die allen folgenden Perioden in Anſehung
des Sylbenmaaßes und der Versart zur Lehre die-
net. Raͤmlich drey, vier, oder mehr Verſe, wo-
mit das Gedicht anfaͤngt, dienen durch das ganze
Lied in Abſicht auf das Sylbenmaaß und die Laͤnge
der Verſe dergeſtalt zur Lehre, daß hernach die Folge
des Gedichts in jedem Abſchnitt von drey, vier,
oder mehr Verſen, genau ſo ſeyn muß, wie in den
erſten. Folgende vier Verſe:
Freund! die Tugend iſt kein leerer Name
Aus dem Herzen keimt der Tugend Saame,
Und ein Gott iſts, der der Berge Spizen
Roͤthet mit Blizen.
machen eine Strophe der ſapphiſchen Versart aus;
ſo lange das Lied dauert, machen immer vier fol-
gende Verſe eine Strophe, die in Abſicht des Syl-
benmaaßes und der Laͤnge der Verſe genau ſo iſt,
wie dieſe.
Es giebt einfache und Doppelſtrophen. Die
einfachen, machen, wie die ſo eben angefuͤhrte, nur
eine einzige Periode aus, die am End einen Haupt-
ruhepunkt hat. Die Doppelſtrophe beſteht aus
mehr Verſen, die zwey rhythmiſche Hauptabſchnitte
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Welche Fluren! Welche Taͤnze!
Welche ſchoͤn geflochtne Kraͤnze!
Welch ein ſanftes Purpurlicht!
Sanfter war die Morgenroͤthe
Die des Waldes Gruͤn erhoͤhte
Mir im ſchoͤnſten Lenze nicht! (*)
Obgleich die zweyte Haͤlfte genau dieſelbe metriſche
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doch, daß der Ton ſich etwas abaͤndert.
Bis-
(*) Jn ſei-
ner Anwei-
ſung d Floͤ-
tetraverſie-
re zu ſpie-
len.
(*) Jacobi.
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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 1114[1096]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/543>, abgerufen am 20.11.2024.
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