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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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haften, allenfalls finstern Gegenständen kann ge-
nommen werden. Wer dieses versäumete, würde
gar zu oft aus dem Ton heraustreten, welches in
Werken des Geschmaks ein sehr wichtiger Fehler
ist. (*)

Auch dem Grade der Begeisterung in dem man
schreibet, muß die Metapher angemessen seyn; hoch
und kühn in der Ode, aber gemäßiget und von philoso-
phischer Schärfe in dem gesezten lehrenden Vortrag.

Wir haben es unter die Fehler der Metapher ge-
rechnet, wenn sie gar zu gemein, oder schon abge-
nuzt ist. Da man aber unter solchen Metaphern
einige von großer Kraft und Schönheit antrift; so
ist ihr Gebrauch nicht zu verwerfen, wenn man nur
dem gar zu Gewöhnlichen darin durch irgend eine
gute Wendung einen neuen Schwung giebt, oder
die Metapher weiter, als gewöhnlich ausdähnet,
und eine kurze Allegorie daraus macht. So hat
Euripides eine gar sehr gemeine Metapher bey-
nahe bis zum Erhabenen erhöhet, da er den Ore-
stes, um seinen Pylades von dem Opfermesser zu
retten, sagen läßt: "Jch bin der Eigenthümer
und Schiffer dieses Fahrzeuges von Wiederwärtig-
keiten; er fährt nur aus Gefälligkeit für mich
mit.
(*)

Dieses Beyspiel führt mich auf den Gedanken,
daß in manchen Fällen die Ueberzeugung am kürze-
sten und sichersten durch glükliche Metaphern zu er-
reichen sey. Der Fall muß statt haben, wo die Ue-
berzeugung von anschauender Erkenntnis, oder von
Betrachtung ähnlicher Fälle abhängt, wo es zu
schweer, oder zu subtil wäre den Beweis zu entwi-
keln. Die Metapher vertritt da die Stelle der Jn-
duktion, und sezt einen sehr in die Augen leuchten-
den, an die Stelle eines schweerer zu fassenden, aber
ähnlichen Falles.

Metonymie.
(Redende Künste.)

Namensverwechslung. Jst ein Tropus, in wel-
chem eine Sache nicht mit ihrem eigentlichen Na-
men, sondern mit dem Namen einer Sache, die ihr
auf gewisse Weise angehört, genennt wird. Es
giebt eine große Menge solcher Namensverwechs-
lungen, davon wir die Vornehmsten nur anfüh-
ren wollen.

1. Die Verwechslung der Ursache und Wür-
kung. Z. B. die Feder für die Schrift selbst. Der
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lateinische Ausdruk stylum vertere, für ausbessern
oder auslöschen, was man geschrieben hat. Hier
wird die Ursach genennt, und die Würkung verstan-
den. Wenn Ovidius sagt:
Nec habet Pelion umbras.
so will er sagen, er der Berg sey kahl von Bäumen.
Also nennet er die Würkung, und versteht die
Ursache.
2. Die Verwechslung des Behältnisses einer Sa-
che mit der Sache selbst. Er liebt die Flasche, d. i.
den in der Flasche enthaltenen Wein. Der Him-
mel freuet sich,
d. i. die Seeligen des Himmels.
3. Mit dieser ist die Verwechslung des Ortes
mit der Sache fast einerley. Wenn man sagt, dies
ist die Anatomie,
d. i. das Gebäude auf welchem
die Anatomie gelehrt wird.
4. Die Verwechslung der Sache mit dem will-
kührlichen Zeichen derselben. Z. E. der Preußische
Adler, der Preußische Zepter, anstatt das Preußische
Reich.
5. Einen Theil des Leibes, um eine Eigenschaft
des Gemüths anzuzeigen. Ein gutes Herz, ein
seichtes Gehirn.
6. Der Name des Besizers einer Sache für die
Sache selbst. Jam proximus ardet Ucalegon. Ein
Friedrichsd'or. Ein Philipp.

Es giebt aber außer diesem noch viel andre Wort-
verwechslungen, die wir einen müßigen Grammati-
ker herzuzählen, und wenn er will auch mit ihren
besondern griechischen Namen zu belegen, überlassen.

Man sieht leicht, daß dergleichen Verwechslun-
gen bald aus Mangel der eigentlichen Wörter, bald
aber aus Eil, oder aus Lebhaftigkeit der Einbildungs-
kraft, oder aus andern zufälligen Ursachen, entstehen.
Jn der Dicht- und Redekunst, thun dieselben bis-
weilen kleine Dienste, bald zur Abkürzung, bald zur
Vermeidung des Gemeinen, bald zu einer kleinen
Erwekung der Aufmerksamkeit. Wie aber diese
Würkung erhalten werde, und wo die Metonymie
auch aus Wahl müßte gebraucht werden, kann ein
mittelmäßiger Geschmak weit besser empfinden, als
es zu beschreiben wäre.

Wichtiger wär es für den Gebrauch des Philoso-
phen, wenn aus allen Sprachen alle Arten der Me-
tonymie gesammlet würden, weil daraus die man-
nigfaltigen Wendungen des menschlichen Genies in
Verbindung der Begriffe am besten erkennt werden

kön-
(*) S.
Ton.
(*) Iphig.
in Taur.
vs.
600,
601.
Zweyter Theil. Bbb bb

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Met
haften, allenfalls finſtern Gegenſtaͤnden kann ge-
nommen werden. Wer dieſes verſaͤumete, wuͤrde
gar zu oft aus dem Ton heraustreten, welches in
Werken des Geſchmaks ein ſehr wichtiger Fehler
iſt. (*)

Auch dem Grade der Begeiſterung in dem man
ſchreibet, muß die Metapher angemeſſen ſeyn; hoch
und kuͤhn in der Ode, aber gemaͤßiget und von philoſo-
phiſcher Schaͤrfe in dem geſezten lehrenden Vortrag.

Wir haben es unter die Fehler der Metapher ge-
rechnet, wenn ſie gar zu gemein, oder ſchon abge-
nuzt iſt. Da man aber unter ſolchen Metaphern
einige von großer Kraft und Schoͤnheit antrift; ſo
iſt ihr Gebrauch nicht zu verwerfen, wenn man nur
dem gar zu Gewoͤhnlichen darin durch irgend eine
gute Wendung einen neuen Schwung giebt, oder
die Metapher weiter, als gewoͤhnlich ausdaͤhnet,
und eine kurze Allegorie daraus macht. So hat
Euripides eine gar ſehr gemeine Metapher bey-
nahe bis zum Erhabenen erhoͤhet, da er den Ore-
ſtes, um ſeinen Pylades von dem Opfermeſſer zu
retten, ſagen laͤßt: „Jch bin der Eigenthuͤmer
und Schiffer dieſes Fahrzeuges von Wiederwaͤrtig-
keiten; er faͤhrt nur aus Gefaͤlligkeit fuͤr mich
mit.
(*)

Dieſes Beyſpiel fuͤhrt mich auf den Gedanken,
daß in manchen Faͤllen die Ueberzeugung am kuͤrze-
ſten und ſicherſten durch gluͤkliche Metaphern zu er-
reichen ſey. Der Fall muß ſtatt haben, wo die Ue-
berzeugung von anſchauender Erkenntnis, oder von
Betrachtung aͤhnlicher Faͤlle abhaͤngt, wo es zu
ſchweer, oder zu ſubtil waͤre den Beweis zu entwi-
keln. Die Metapher vertritt da die Stelle der Jn-
duktion, und ſezt einen ſehr in die Augen leuchten-
den, an die Stelle eines ſchweerer zu faſſenden, aber
aͤhnlichen Falles.

Metonymie.
(Redende Kuͤnſte.)

Namensverwechslung. Jſt ein Tropus, in wel-
chem eine Sache nicht mit ihrem eigentlichen Na-
men, ſondern mit dem Namen einer Sache, die ihr
auf gewiſſe Weiſe angehoͤrt, genennt wird. Es
giebt eine große Menge ſolcher Namensverwechs-
lungen, davon wir die Vornehmſten nur anfuͤh-
ren wollen.

1. Die Verwechslung der Urſache und Wuͤr-
kung. Z. B. die Feder fuͤr die Schrift ſelbſt. Der
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Met
lateiniſche Ausdruk ſtylum vertere, fuͤr ausbeſſern
oder ausloͤſchen, was man geſchrieben hat. Hier
wird die Urſach genennt, und die Wuͤrkung verſtan-
den. Wenn Ovidius ſagt:
Nec habet Pelion umbras.
ſo will er ſagen, er der Berg ſey kahl von Baͤumen.
Alſo nennet er die Wuͤrkung, und verſteht die
Urſache.
2. Die Verwechslung des Behaͤltniſſes einer Sa-
che mit der Sache ſelbſt. Er liebt die Flaſche, d. i.
den in der Flaſche enthaltenen Wein. Der Him-
mel freuet ſich,
d. i. die Seeligen des Himmels.
3. Mit dieſer iſt die Verwechslung des Ortes
mit der Sache faſt einerley. Wenn man ſagt, dies
iſt die Anatomie,
d. i. das Gebaͤude auf welchem
die Anatomie gelehrt wird.
4. Die Verwechslung der Sache mit dem will-
kuͤhrlichen Zeichen derſelben. Z. E. der Preußiſche
Adler, der Preußiſche Zepter, anſtatt das Preußiſche
Reich.
5. Einen Theil des Leibes, um eine Eigenſchaft
des Gemuͤths anzuzeigen. Ein gutes Herz, ein
ſeichtes Gehirn.
6. Der Name des Beſizers einer Sache fuͤr die
Sache ſelbſt. Jam proximus ardet Ucalegon. Ein
Friedrichsd’or. Ein Philipp.

Es giebt aber außer dieſem noch viel andre Wort-
verwechslungen, die wir einen muͤßigen Grammati-
ker herzuzaͤhlen, und wenn er will auch mit ihren
beſondern griechiſchen Namen zu belegen, uͤberlaſſen.

Man ſieht leicht, daß dergleichen Verwechslun-
gen bald aus Mangel der eigentlichen Woͤrter, bald
aber aus Eil, oder aus Lebhaftigkeit der Einbildungs-
kraft, oder aus andern zufaͤlligen Urſachen, entſtehen.
Jn der Dicht- und Redekunſt, thun dieſelben bis-
weilen kleine Dienſte, bald zur Abkuͤrzung, bald zur
Vermeidung des Gemeinen, bald zu einer kleinen
Erwekung der Aufmerkſamkeit. Wie aber dieſe
Wuͤrkung erhalten werde, und wo die Metonymie
auch aus Wahl muͤßte gebraucht werden, kann ein
mittelmaͤßiger Geſchmak weit beſſer empfinden, als
es zu beſchreiben waͤre.

Wichtiger waͤr es fuͤr den Gebrauch des Philoſo-
phen, wenn aus allen Sprachen alle Arten der Me-
tonymie geſammlet wuͤrden, weil daraus die man-
nigfaltigen Wendungen des menſchlichen Genies in
Verbindung der Begriffe am beſten erkennt werden

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(*) S.
Ton.
(*) Iphig.
in Taur.
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600,
601.
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[763[745]/0180] Met Met haften, allenfalls finſtern Gegenſtaͤnden kann ge- nommen werden. Wer dieſes verſaͤumete, wuͤrde gar zu oft aus dem Ton heraustreten, welches in Werken des Geſchmaks ein ſehr wichtiger Fehler iſt. (*) Auch dem Grade der Begeiſterung in dem man ſchreibet, muß die Metapher angemeſſen ſeyn; hoch und kuͤhn in der Ode, aber gemaͤßiget und von philoſo- phiſcher Schaͤrfe in dem geſezten lehrenden Vortrag. Wir haben es unter die Fehler der Metapher ge- rechnet, wenn ſie gar zu gemein, oder ſchon abge- nuzt iſt. Da man aber unter ſolchen Metaphern einige von großer Kraft und Schoͤnheit antrift; ſo iſt ihr Gebrauch nicht zu verwerfen, wenn man nur dem gar zu Gewoͤhnlichen darin durch irgend eine gute Wendung einen neuen Schwung giebt, oder die Metapher weiter, als gewoͤhnlich ausdaͤhnet, und eine kurze Allegorie daraus macht. So hat Euripides eine gar ſehr gemeine Metapher bey- nahe bis zum Erhabenen erhoͤhet, da er den Ore- ſtes, um ſeinen Pylades von dem Opfermeſſer zu retten, ſagen laͤßt: „Jch bin der Eigenthuͤmer und Schiffer dieſes Fahrzeuges von Wiederwaͤrtig- keiten; er faͤhrt nur aus Gefaͤlligkeit fuͤr mich mit. (*) Dieſes Beyſpiel fuͤhrt mich auf den Gedanken, daß in manchen Faͤllen die Ueberzeugung am kuͤrze- ſten und ſicherſten durch gluͤkliche Metaphern zu er- reichen ſey. Der Fall muß ſtatt haben, wo die Ue- berzeugung von anſchauender Erkenntnis, oder von Betrachtung aͤhnlicher Faͤlle abhaͤngt, wo es zu ſchweer, oder zu ſubtil waͤre den Beweis zu entwi- keln. Die Metapher vertritt da die Stelle der Jn- duktion, und ſezt einen ſehr in die Augen leuchten- den, an die Stelle eines ſchweerer zu faſſenden, aber aͤhnlichen Falles. Metonymie. (Redende Kuͤnſte.) Namensverwechslung. Jſt ein Tropus, in wel- chem eine Sache nicht mit ihrem eigentlichen Na- men, ſondern mit dem Namen einer Sache, die ihr auf gewiſſe Weiſe angehoͤrt, genennt wird. Es giebt eine große Menge ſolcher Namensverwechs- lungen, davon wir die Vornehmſten nur anfuͤh- ren wollen. 1. Die Verwechslung der Urſache und Wuͤr- kung. Z. B. die Feder fuͤr die Schrift ſelbſt. Der lateiniſche Ausdruk ſtylum vertere, fuͤr ausbeſſern oder ausloͤſchen, was man geſchrieben hat. Hier wird die Urſach genennt, und die Wuͤrkung verſtan- den. Wenn Ovidius ſagt: Nec habet Pelion umbras. ſo will er ſagen, er der Berg ſey kahl von Baͤumen. Alſo nennet er die Wuͤrkung, und verſteht die Urſache. 2. Die Verwechslung des Behaͤltniſſes einer Sa- che mit der Sache ſelbſt. Er liebt die Flaſche, d. i. den in der Flaſche enthaltenen Wein. Der Him- mel freuet ſich, d. i. die Seeligen des Himmels. 3. Mit dieſer iſt die Verwechslung des Ortes mit der Sache faſt einerley. Wenn man ſagt, dies iſt die Anatomie, d. i. das Gebaͤude auf welchem die Anatomie gelehrt wird. 4. Die Verwechslung der Sache mit dem will- kuͤhrlichen Zeichen derſelben. Z. E. der Preußiſche Adler, der Preußiſche Zepter, anſtatt das Preußiſche Reich. 5. Einen Theil des Leibes, um eine Eigenſchaft des Gemuͤths anzuzeigen. Ein gutes Herz, ein ſeichtes Gehirn. 6. Der Name des Beſizers einer Sache fuͤr die Sache ſelbſt. Jam proximus ardet Ucalegon. Ein Friedrichsd’or. Ein Philipp. Es giebt aber außer dieſem noch viel andre Wort- verwechslungen, die wir einen muͤßigen Grammati- ker herzuzaͤhlen, und wenn er will auch mit ihren beſondern griechiſchen Namen zu belegen, uͤberlaſſen. Man ſieht leicht, daß dergleichen Verwechslun- gen bald aus Mangel der eigentlichen Woͤrter, bald aber aus Eil, oder aus Lebhaftigkeit der Einbildungs- kraft, oder aus andern zufaͤlligen Urſachen, entſtehen. Jn der Dicht- und Redekunſt, thun dieſelben bis- weilen kleine Dienſte, bald zur Abkuͤrzung, bald zur Vermeidung des Gemeinen, bald zu einer kleinen Erwekung der Aufmerkſamkeit. Wie aber dieſe Wuͤrkung erhalten werde, und wo die Metonymie auch aus Wahl muͤßte gebraucht werden, kann ein mittelmaͤßiger Geſchmak weit beſſer empfinden, als es zu beſchreiben waͤre. Wichtiger waͤr es fuͤr den Gebrauch des Philoſo- phen, wenn aus allen Sprachen alle Arten der Me- tonymie geſammlet wuͤrden, weil daraus die man- nigfaltigen Wendungen des menſchlichen Genies in Verbindung der Begriffe am beſten erkennt werden koͤn- (*) S. Ton. (*) Iphig. in Taur. vs. 600, 601. Zweyter Theil. Bbb bb

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 763[745]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/180>, abgerufen am 20.11.2024.