Indem wir von dem Verhältniss handeln, in welches sich Jesus zur messianischen Idee gesezt hat, können wir dasjenige, was er in dieser Beziehung von seiner Person aussagte, von demjenigen unterscheiden, was er über das von ihm unternommene Werk geäussert hat.
Der gewöhnlichste Ausdruck, durch welchen Jesus den Evangelien zufolge seine eigene Person bezeichnet, ist der Ausdruck o uios tou anthropou. Das zunächst entsprechende hebräische b'enadam ist im A. T. eine ganz allgemeine Be- zeichnung des Menschen überhaupt, und so könnte man es auch im Munde Jesu verstehen wollen. Diess gienge in einigen Stellen an, wie, wenn Jesus Matth. 12, 8. sagt: kurios gar esi tou sabbatou o uios tou anthropou, diess an und für sich schicklich mit Grotius ganz allgemein so ge- fasst werden könnte, dass der Mensch Herr über den Sab- bat sei, besonders wenn man den Markus vergleicht, bei welchem (2, 27.) der Saz vorhergieng: to sabbaton dia ton anthropon egeneto, oukh o anthropos dia to sabbaton. Allein die meisten übrigen Stellen lauten auf einen bestimmten Menschen. So, wenn Jesus Matth. 8, 20. den zu seiner Nach- folge sich anbietenden grammateus, um ihm die mit der- selben verknüpften Beschwerlichkeiten zu bedenken zu ge-
*) Alles, was sich auf die Idee des Messias als leidenden, ster- benden und wiederkommenden bezieht, bleibt hier ausge- schlossen und der Leidensgeschichte vorbehalten.
Viertes Kapitel. §. 57.
Viertes Kapitel. Jesus als Messias.*)
§. 57. Jesus ὁ υἱὸς τοῦ ἀνϑρώπου.
Indem wir von dem Verhältniſs handeln, in welches sich Jesus zur messianischen Idee gesezt hat, können wir dasjenige, was er in dieser Beziehung von seiner Person aussagte, von demjenigen unterscheiden, was er über das von ihm unternommene Werk geäussert hat.
Der gewöhnlichste Ausdruck, durch welchen Jesus den Evangelien zufolge seine eigene Person bezeichnet, ist der Ausdruck ὁ υἱος τοῦ ἀνϑρώπου. Das zunächst entsprechende hebräische בֶּן־אָדָם ist im A. T. eine ganz allgemeine Be- zeichnung des Menschen überhaupt, und so könnte man es auch im Munde Jesu verstehen wollen. Dieſs gienge in einigen Stellen an, wie, wenn Jesus Matth. 12, 8. sagt: κύριος γαρ ἐςι τοῦ σαββάτου ὁ υἱὸς τοῦ ἀνϑρώπου, dieſs an und für sich schicklich mit Grotius ganz allgemein so ge- fasst werden könnte, daſs der Mensch Herr über den Sab- bat sei, besonders wenn man den Markus vergleicht, bei welchem (2, 27.) der Saz vorhergieng: τὸ σάββατον διὰ τὸν ὰνϑρωπον ἐγένετο, οὐχ ὁ ἄνϑρωπος διὰ τὸ σάββατον. Allein die meisten übrigen Stellen lauten auf einen bestimmten Menschen. So, wenn Jesus Matth. 8, 20. den zu seiner Nach- folge sich anbietenden γραμματεὺς, um ihm die mit der- selben verknüpften Beschwerlichkeiten zu bedenken zu ge-
*) Alles, was sich auf die Idee des Messias als leidenden, ster- benden und wiederkommenden bezieht, bleibt hier ausge- schlossen und der Leidensgeschichte vorbehalten.
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Viertes Kapitel. §. 57.
Viertes Kapitel.
Jesus als Messias. *)
§. 57.
Jesus ὁ υἱὸς τοῦ ἀνϑρώπου.
Indem wir von dem Verhältniſs handeln, in welches
sich Jesus zur messianischen Idee gesezt hat, können wir
dasjenige, was er in dieser Beziehung von seiner Person
aussagte, von demjenigen unterscheiden, was er über das
von ihm unternommene Werk geäussert hat.
Der gewöhnlichste Ausdruck, durch welchen Jesus den
Evangelien zufolge seine eigene Person bezeichnet, ist der
Ausdruck ὁ υἱος τοῦ ἀνϑρώπου. Das zunächst entsprechende
hebräische בֶּן־אָדָם ist im A. T. eine ganz allgemeine Be-
zeichnung des Menschen überhaupt, und so könnte man es
auch im Munde Jesu verstehen wollen. Dieſs gienge in
einigen Stellen an, wie, wenn Jesus Matth. 12, 8. sagt:
κύριος γαρ ἐςι τοῦ σαββάτου ὁ υἱὸς τοῦ ἀνϑρώπου, dieſs an
und für sich schicklich mit Grotius ganz allgemein so ge-
fasst werden könnte, daſs der Mensch Herr über den Sab-
bat sei, besonders wenn man den Markus vergleicht, bei
welchem (2, 27.) der Saz vorhergieng: τὸ σάββατον διὰ
τὸν ὰνϑρωπον ἐγένετο, οὐχ ὁ ἄνϑρωπος διὰ τὸ σάββατον.
Allein die meisten übrigen Stellen lauten auf einen bestimmten
Menschen. So, wenn Jesus Matth. 8, 20. den zu seiner Nach-
folge sich anbietenden γραμματεὺς, um ihm die mit der-
selben verknüpften Beschwerlichkeiten zu bedenken zu ge-
*) Alles, was sich auf die Idee des Messias als leidenden, ster-
benden und wiederkommenden bezieht, bleibt hier ausge-
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/487>, abgerufen am 19.11.2024.
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