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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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auch auf ein Allgemeines, "den Menschen", übertragen
und dadurch allgemein menschliche Meinung werden.

Bleibt die Meinung bestehen, so habe Ich meinen
Gott (Gott ist ja nur als "mein Gott", ist eine Meinung
oder mein "Glaube"); also meinen Glauben, meine Reli¬
gion, meine Gedanken, meine Ideale. Darum muß ein all¬
gemein menschlicher Glaube entstehen, der "Fanatismus der
Freiheit
". Dieß wäre nämlich ein Glaube, welcher mit
dem "Wesen des Menschen" übereinstimmte, und weil nur "der
Mensch" vernünftig ist (Ich und Du könnten sehr unvernünftig
sein!), ein vernünftiger Glaube.

Wie Eigenwille und Eigenthum machtlos werden, so
muß die Eigenheit oder der Egoismus überhaupt es werden.

In dieser höchsten Entwicklung "des freien Menschen"
wird der Egoismus, die Eigenheit, principiell bekämpft, und
so untergeordnete Zwecke, wie die sociale "Wohlfahrt" der So¬
cialisten u. s. w. verschwinden gegen die erhabene "Idee der
Menschheit". Alles, was nicht ein "allgemein Menschliches"
ist, ist etwas Apartes, befriedigt nur Einige oder Einen, oder
wenn es Alle befriedigt, so thut es dieß an ihnen nur
als Einzelnen, nicht als Menschen, und heißt deshalb ein
"Egoistisches".

Den Socialisten ist noch die Wohlfahrt das höchste
Ziel, wie den politischen Liberalen der freie Wettstreit das
Genehme war; die Wohlfahrt ist nun auch frei, und was sie
haben will, mag sie sich verschaffen, wie, wer in den Wettstreit
(Concurrenz) sich einlassen wollte, ihn erwählen konnte.

Allein an dem Wettstreit Theil zu nehmen, braucht Ihr
nur Bürger, an der Wohlfahrt Theil zu nehmen, nur Ar¬
beiter zu sein. Beides ist noch nicht gleichbedeutend mit

auch auf ein Allgemeines, „den Menſchen“, übertragen
und dadurch allgemein menſchliche Meinung werden.

Bleibt die Meinung beſtehen, ſo habe Ich meinen
Gott (Gott iſt ja nur als „mein Gott“, iſt eine Meinung
oder mein „Glaube“); alſo meinen Glauben, meine Reli¬
gion, meine Gedanken, meine Ideale. Darum muß ein all¬
gemein menſchlicher Glaube entſtehen, der „Fanatismus der
Freiheit
“. Dieß wäre nämlich ein Glaube, welcher mit
dem „Weſen des Menſchen“ übereinſtimmte, und weil nur „der
Menſch“ vernünftig iſt (Ich und Du könnten ſehr unvernünftig
ſein!), ein vernünftiger Glaube.

Wie Eigenwille und Eigenthum machtlos werden, ſo
muß die Eigenheit oder der Egoismus überhaupt es werden.

In dieſer höchſten Entwicklung „des freien Menſchen“
wird der Egoismus, die Eigenheit, principiell bekämpft, und
ſo untergeordnete Zwecke, wie die ſociale „Wohlfahrt“ der So¬
cialiſten u. ſ. w. verſchwinden gegen die erhabene „Idee der
Menſchheit“. Alles, was nicht ein „allgemein Menſchliches“
iſt, iſt etwas Apartes, befriedigt nur Einige oder Einen, oder
wenn es Alle befriedigt, ſo thut es dieß an ihnen nur
als Einzelnen, nicht als Menſchen, und heißt deshalb ein
„Egoiſtiſches“.

Den Socialiſten iſt noch die Wohlfahrt das höchſte
Ziel, wie den politiſchen Liberalen der freie Wettſtreit das
Genehme war; die Wohlfahrt iſt nun auch frei, und was ſie
haben will, mag ſie ſich verſchaffen, wie, wer in den Wettſtreit
(Concurrenz) ſich einlaſſen wollte, ihn erwählen konnte.

Allein an dem Wettſtreit Theil zu nehmen, braucht Ihr
nur Bürger, an der Wohlfahrt Theil zu nehmen, nur Ar¬
beiter zu ſein. Beides iſt noch nicht gleichbedeutend mit

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[170/0178] auch auf ein Allgemeines, „den Menſchen“, übertragen und dadurch allgemein menſchliche Meinung werden. Bleibt die Meinung beſtehen, ſo habe Ich meinen Gott (Gott iſt ja nur als „mein Gott“, iſt eine Meinung oder mein „Glaube“); alſo meinen Glauben, meine Reli¬ gion, meine Gedanken, meine Ideale. Darum muß ein all¬ gemein menſchlicher Glaube entſtehen, der „Fanatismus der Freiheit“. Dieß wäre nämlich ein Glaube, welcher mit dem „Weſen des Menſchen“ übereinſtimmte, und weil nur „der Menſch“ vernünftig iſt (Ich und Du könnten ſehr unvernünftig ſein!), ein vernünftiger Glaube. Wie Eigenwille und Eigenthum machtlos werden, ſo muß die Eigenheit oder der Egoismus überhaupt es werden. In dieſer höchſten Entwicklung „des freien Menſchen“ wird der Egoismus, die Eigenheit, principiell bekämpft, und ſo untergeordnete Zwecke, wie die ſociale „Wohlfahrt“ der So¬ cialiſten u. ſ. w. verſchwinden gegen die erhabene „Idee der Menſchheit“. Alles, was nicht ein „allgemein Menſchliches“ iſt, iſt etwas Apartes, befriedigt nur Einige oder Einen, oder wenn es Alle befriedigt, ſo thut es dieß an ihnen nur als Einzelnen, nicht als Menſchen, und heißt deshalb ein „Egoiſtiſches“. Den Socialiſten iſt noch die Wohlfahrt das höchſte Ziel, wie den politiſchen Liberalen der freie Wettſtreit das Genehme war; die Wohlfahrt iſt nun auch frei, und was ſie haben will, mag ſie ſich verſchaffen, wie, wer in den Wettſtreit (Concurrenz) ſich einlaſſen wollte, ihn erwählen konnte. Allein an dem Wettſtreit Theil zu nehmen, braucht Ihr nur Bürger, an der Wohlfahrt Theil zu nehmen, nur Ar¬ beiter zu ſein. Beides iſt noch nicht gleichbedeutend mit

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/178>, abgerufen am 26.04.2024.