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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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beiter (Arbeiter natürlich im Sinne von "gemeinnütziger",
d.h. communistischer Arbeiter) sind gleich. Da aber der Ar¬
beiter seines Lohnes werth ist, so sei auch der Lohn gleich.

So lange das Glauben für die Ehre und Würde des
Menschen ausreichte, ließ sich gegen keine auch noch so anstren¬
gende Arbeit etwas einwenden, wenn sie nur den Menschen
nicht im Glauben hinderte. Hingegen jetzt, wo Jeder sich zum
Menschen ausbilden soll, fällt die Bannung des Menschen
an maschinenmäßige Arbeit zusammen mit der Sklaverei. Muß
ein Fabrikarbeiter sich zwölf Stunden und mehr todtmüde ma¬
chen, so ist er um die Menschwerdung gebracht. Jedwede
Arbeit soll den Zweck haben, daß der Mensch befriedigt werde.
Deshalb muß er auch in ihr Meister werden, d. h. sie als
eine Totalität schaffen können. Wer in einer Stecknadelfabrik
nur die Knöpfe aufsetzt, nur den Draht zieht u. s. w., der
arbeitet wie mechanisch, wie eine Maschine: er bleibt ein
Stümper, wird kein Meister: seine Arbeit kann ihn nicht be¬
friedigen
, sondern nur ermüden. Seine Arbeit ist, für
sich genommen, nichts, hat keinen Zweck in sich, ist nichts
für sich Fertiges: er arbeitet nur einem Andern in die Hand,
und wird von diesem Andern benutzt (exploitirt). Für diesen
Arbeiter im Dienste eines Andern giebt es keinen Genuß ei¬
nes gebildeten Geistes
, höchstens rohe Vergnügungen:
ihm ist ja die Bildung verschlossen. Um ein guter Christ
zu sein, braucht man nur zu glauben, und das kann unter
den drückendsten Verhältnissen geschehen. Daher sorgen die
christlich Gesinnten nur für die Frömmigkeit der gedrückten Ar¬
beiter, ihre Geduld, Ergebung u. s. w. All ihr Elend konn¬
ten die unterdrückten Classen nur so lange ertragen, als sie
Christen waren: denn das Christenthum läßt ihr Murren

beiter (Arbeiter natürlich im Sinne von „gemeinnütziger“,
d.h. communiſtiſcher Arbeiter) ſind gleich. Da aber der Ar¬
beiter ſeines Lohnes werth iſt, ſo ſei auch der Lohn gleich.

So lange das Glauben für die Ehre und Würde des
Menſchen ausreichte, ließ ſich gegen keine auch noch ſo anſtren¬
gende Arbeit etwas einwenden, wenn ſie nur den Menſchen
nicht im Glauben hinderte. Hingegen jetzt, wo Jeder ſich zum
Menſchen ausbilden ſoll, fällt die Bannung des Menſchen
an maſchinenmäßige Arbeit zuſammen mit der Sklaverei. Muß
ein Fabrikarbeiter ſich zwölf Stunden und mehr todtmüde ma¬
chen, ſo iſt er um die Menſchwerdung gebracht. Jedwede
Arbeit ſoll den Zweck haben, daß der Menſch befriedigt werde.
Deshalb muß er auch in ihr Meiſter werden, d. h. ſie als
eine Totalität ſchaffen können. Wer in einer Stecknadelfabrik
nur die Knöpfe aufſetzt, nur den Draht zieht u. ſ. w., der
arbeitet wie mechaniſch, wie eine Maſchine: er bleibt ein
Stümper, wird kein Meiſter: ſeine Arbeit kann ihn nicht be¬
friedigen
, ſondern nur ermüden. Seine Arbeit iſt, für
ſich genommen, nichts, hat keinen Zweck in ſich, iſt nichts
für ſich Fertiges: er arbeitet nur einem Andern in die Hand,
und wird von dieſem Andern benutzt (exploitirt). Für dieſen
Arbeiter im Dienſte eines Andern giebt es keinen Genuß ei¬
nes gebildeten Geiſtes
, höchſtens rohe Vergnügungen:
ihm iſt ja die Bildung verſchloſſen. Um ein guter Chriſt
zu ſein, braucht man nur zu glauben, und das kann unter
den drückendſten Verhältniſſen geſchehen. Daher ſorgen die
chriſtlich Geſinnten nur für die Frömmigkeit der gedrückten Ar¬
beiter, ihre Geduld, Ergebung u. ſ. w. All ihr Elend konn¬
ten die unterdrückten Claſſen nur ſo lange ertragen, als ſie
Chriſten waren: denn das Chriſtenthum läßt ihr Murren

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[158/0166] beiter (Arbeiter natürlich im Sinne von „gemeinnütziger“, d.h. communiſtiſcher Arbeiter) ſind gleich. Da aber der Ar¬ beiter ſeines Lohnes werth iſt, ſo ſei auch der Lohn gleich. So lange das Glauben für die Ehre und Würde des Menſchen ausreichte, ließ ſich gegen keine auch noch ſo anſtren¬ gende Arbeit etwas einwenden, wenn ſie nur den Menſchen nicht im Glauben hinderte. Hingegen jetzt, wo Jeder ſich zum Menſchen ausbilden ſoll, fällt die Bannung des Menſchen an maſchinenmäßige Arbeit zuſammen mit der Sklaverei. Muß ein Fabrikarbeiter ſich zwölf Stunden und mehr todtmüde ma¬ chen, ſo iſt er um die Menſchwerdung gebracht. Jedwede Arbeit ſoll den Zweck haben, daß der Menſch befriedigt werde. Deshalb muß er auch in ihr Meiſter werden, d. h. ſie als eine Totalität ſchaffen können. Wer in einer Stecknadelfabrik nur die Knöpfe aufſetzt, nur den Draht zieht u. ſ. w., der arbeitet wie mechaniſch, wie eine Maſchine: er bleibt ein Stümper, wird kein Meiſter: ſeine Arbeit kann ihn nicht be¬ friedigen, ſondern nur ermüden. Seine Arbeit iſt, für ſich genommen, nichts, hat keinen Zweck in ſich, iſt nichts für ſich Fertiges: er arbeitet nur einem Andern in die Hand, und wird von dieſem Andern benutzt (exploitirt). Für dieſen Arbeiter im Dienſte eines Andern giebt es keinen Genuß ei¬ nes gebildeten Geiſtes, höchſtens rohe Vergnügungen: ihm iſt ja die Bildung verſchloſſen. Um ein guter Chriſt zu ſein, braucht man nur zu glauben, und das kann unter den drückendſten Verhältniſſen geſchehen. Daher ſorgen die chriſtlich Geſinnten nur für die Frömmigkeit der gedrückten Ar¬ beiter, ihre Geduld, Ergebung u. ſ. w. All ihr Elend konn¬ ten die unterdrückten Claſſen nur ſo lange ertragen, als ſie Chriſten waren: denn das Chriſtenthum läßt ihr Murren

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/166>, abgerufen am 26.04.2024.