Wir sind mit Beckers Darstellung des Erkenntnißprocesses noch nicht fertig. Denn (S. 67) "nachdem die Dinge der realen Welt nach dem, was in ihnen das Allgemeine ist, unter den Begriff der Thätigkeit gestellt und in allgemeine Arten von Thätigkeitsbegriffen aufgenommen; ist die geistige Assimilation des Realen noch nicht vollendet: die Dinge müssen auch nach ihrer Besonderheit in den Geist aufgenommen wer- den. Die Besonderheit der Dinge besteht nun darin" -- wissen wir noch nicht, worin? nein! aber wenigstens sollten wir es längst wissen; Becker hätte es uns längst sagen müssen, da schon so viel von der Besonderheit der Dinge die Rede war! worin also besteht sie? -- "daß in ihnen die Thätigkeit als das Allgemeine mit dem Sein als dem Besondern auf reale Weise in den mannigfaltigsten Verhältnissen zu einer Einheit verbun- den, und dadurch das Allgemeine zu einem Besondern geworden ist." Die Besonderheit entsteht also durch die Verbindung des Allgemeinen mit dem Besondern; und durch diese Verbindung wird das Allgemeine zu einem Besondern! -- Wir wären ja gern bereit, Zugeständnisse zu machen, so viel man will; Unsinn aber ist unmöglich zuzugestehen, freilich auch nicht anzugreifen. Also weiter: "In dem Realen ist alles ein Individuelles; und es kann nicht als ein Individuelles in den Begriff aufgenommen werden." -- Wie oft hat uns dies Becker nun schon in diesem Paragraphen wiederholt! -- "Es fragt sich nun, wie die realen Dinge, nach- dem sie als Allgemeines in allgemeine Arten von Thätigkeits- begriffen aufgenommen worden, nun auch als Besonderes, und doch als ein Allgemeines, als Art, in Begriffe aufgenommen werden." Das muß allerdings ein Kunststück werden, Bosco's würdig. Man denke nur: als Besonderes und doch als Allge- meines! Geben wir Acht! "Indem der Geist in die Dinge der realen Welt eindringt, und in ihnen die Thätigkeit, die sein ei- genes Wesen ist, als das Allgemeine erkennt, erkennt er in den Dingen mit der Thätigkeit zugleich ihren Gegensatz, das Sein" -- d. h. indem der Geist erkennt, erkennt er; Geschwindigkeit ist keine Hexerei: das wissen sogar unsere Kinder. Wie der Geist in die Dinge der realen Welt eindringt, sollte nach- gewiesen werden, wird aber vorausgesetzt, indem man ge- schwind nicht bloß mit der rechten Hand die Erkenntniß des Allgemeinen hinstellt, sondern zugleich mit der linken die des
§. 36. Formen der Begriffe.
Wir sind mit Beckers Darstellung des Erkenntnißprocesses noch nicht fertig. Denn (S. 67) „nachdem die Dinge der realen Welt nach dem, was in ihnen das Allgemeine ist, unter den Begriff der Thätigkeit gestellt und in allgemeine Arten von Thätigkeitsbegriffen aufgenommen; ist die geistige Assimilation des Realen noch nicht vollendet: die Dinge müssen auch nach ihrer Besonderheit in den Geist aufgenommen wer- den. Die Besonderheit der Dinge besteht nun darin“ — wissen wir noch nicht, worin? nein! aber wenigstens sollten wir es längst wissen; Becker hätte es uns längst sagen müssen, da schon so viel von der Besonderheit der Dinge die Rede war! worin also besteht sie? — „daß in ihnen die Thätigkeit als das Allgemeine mit dem Sein als dem Besondern auf reale Weise in den mannigfaltigsten Verhältnissen zu einer Einheit verbun- den, und dadurch das Allgemeine zu einem Besondern geworden ist.“ Die Besonderheit entsteht also durch die Verbindung des Allgemeinen mit dem Besondern; und durch diese Verbindung wird das Allgemeine zu einem Besondern! — Wir wären ja gern bereit, Zugeständnisse zu machen, so viel man will; Unsinn aber ist unmöglich zuzugestehen, freilich auch nicht anzugreifen. Also weiter: „In dem Realen ist alles ein Individuelles; und es kann nicht als ein Individuelles in den Begriff aufgenommen werden.“ — Wie oft hat uns dies Becker nun schon in diesem Paragraphen wiederholt! — „Es fragt sich nun, wie die realen Dinge, nach- dem sie als Allgemeines in allgemeine Arten von Thätigkeits- begriffen aufgenommen worden, nun auch als Besonderes, und doch als ein Allgemeines, als Art, in Begriffe aufgenommen werden.“ Das muß allerdings ein Kunststück werden, Bosco’s würdig. Man denke nur: als Besonderes und doch als Allge- meines! Geben wir Acht! „Indem der Geist in die Dinge der realen Welt eindringt, und in ihnen die Thätigkeit, die sein ei- genes Wesen ist, als das Allgemeine erkennt, erkennt er in den Dingen mit der Thätigkeit zugleich ihren Gegensatz, das Sein“ — d. h. indem der Geist erkennt, erkennt er; Geschwindigkeit ist keine Hexerei: das wissen sogar unsere Kinder. Wie der Geist in die Dinge der realen Welt eindringt, sollte nach- gewiesen werden, wird aber vorausgesetzt, indem man ge- schwind nicht bloß mit der rechten Hand die Erkenntniß des Allgemeinen hinstellt, sondern zugleich mit der linken die des
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0127"n="89"/><divn="5"><head>§. 36. Formen der Begriffe.</head><lb/><p>Wir sind mit Beckers Darstellung des Erkenntnißprocesses<lb/>
noch nicht fertig. Denn (S. 67) „nachdem die Dinge der<lb/>
realen Welt nach dem, was in ihnen das Allgemeine ist, unter<lb/>
den Begriff der <hirendition="#g">Thätigkeit</hi> gestellt und in allgemeine <hirendition="#g">Arten<lb/>
von Thätigkeitsbegriffen</hi> aufgenommen; ist die geistige<lb/>
Assimilation des Realen noch nicht vollendet: die Dinge müssen<lb/>
auch nach ihrer Besonderheit in den Geist aufgenommen wer-<lb/>
den. Die Besonderheit der Dinge besteht nun darin“— wissen<lb/>
wir noch nicht, worin? nein! aber wenigstens <hirendition="#g">sollten</hi> wir es<lb/>
längst wissen; Becker hätte es uns längst sagen müssen, da<lb/>
schon so viel von der Besonderheit der Dinge die Rede war!<lb/>
worin also besteht sie? —„daß in ihnen die Thätigkeit als das<lb/>
Allgemeine mit dem Sein als dem Besondern auf reale Weise<lb/>
in den mannigfaltigsten Verhältnissen zu einer Einheit verbun-<lb/>
den, und dadurch das Allgemeine zu einem Besondern geworden<lb/>
ist.“ Die Besonderheit entsteht also durch die Verbindung des<lb/>
Allgemeinen mit dem Besondern; und durch diese Verbindung<lb/>
wird das Allgemeine zu einem Besondern! — Wir wären ja gern<lb/>
bereit, Zugeständnisse zu machen, so viel man will; Unsinn aber<lb/>
ist unmöglich zuzugestehen, freilich auch nicht anzugreifen. Also<lb/>
weiter: „In dem Realen ist alles ein Individuelles; und es kann<lb/>
nicht als ein Individuelles in den Begriff aufgenommen werden.“<lb/>— Wie oft hat uns dies Becker nun schon in diesem Paragraphen<lb/>
wiederholt! —„Es fragt sich nun, wie die realen Dinge, nach-<lb/>
dem sie als Allgemeines in allgemeine Arten von Thätigkeits-<lb/>
begriffen aufgenommen worden, nun auch als Besonderes, <hirendition="#g">und<lb/>
doch</hi> als ein Allgemeines, als Art, in Begriffe aufgenommen<lb/>
werden.“ Das muß allerdings ein Kunststück werden, Bosco’s<lb/>
würdig. Man denke nur: als Besonderes und doch als Allge-<lb/>
meines! Geben wir Acht! „Indem der Geist in die Dinge der<lb/>
realen Welt eindringt, und in ihnen die Thätigkeit, die sein ei-<lb/>
genes Wesen ist, als das Allgemeine erkennt, erkennt er in den<lb/>
Dingen mit der Thätigkeit zugleich ihren Gegensatz, das <hirendition="#g">Sein</hi>“<lb/>— d. h. indem der Geist erkennt, erkennt er; Geschwindigkeit<lb/>
ist keine Hexerei: das wissen sogar unsere Kinder. <hirendition="#g">Wie</hi> der<lb/>
Geist in die Dinge der realen Welt eindringt, sollte nach-<lb/>
gewiesen werden, wird aber vorausgesetzt, indem man ge-<lb/>
schwind nicht bloß mit der rechten Hand die Erkenntniß des<lb/>
Allgemeinen hinstellt, sondern zugleich mit der linken die des<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[89/0127]
§. 36. Formen der Begriffe.
Wir sind mit Beckers Darstellung des Erkenntnißprocesses
noch nicht fertig. Denn (S. 67) „nachdem die Dinge der
realen Welt nach dem, was in ihnen das Allgemeine ist, unter
den Begriff der Thätigkeit gestellt und in allgemeine Arten
von Thätigkeitsbegriffen aufgenommen; ist die geistige
Assimilation des Realen noch nicht vollendet: die Dinge müssen
auch nach ihrer Besonderheit in den Geist aufgenommen wer-
den. Die Besonderheit der Dinge besteht nun darin“ — wissen
wir noch nicht, worin? nein! aber wenigstens sollten wir es
längst wissen; Becker hätte es uns längst sagen müssen, da
schon so viel von der Besonderheit der Dinge die Rede war!
worin also besteht sie? — „daß in ihnen die Thätigkeit als das
Allgemeine mit dem Sein als dem Besondern auf reale Weise
in den mannigfaltigsten Verhältnissen zu einer Einheit verbun-
den, und dadurch das Allgemeine zu einem Besondern geworden
ist.“ Die Besonderheit entsteht also durch die Verbindung des
Allgemeinen mit dem Besondern; und durch diese Verbindung
wird das Allgemeine zu einem Besondern! — Wir wären ja gern
bereit, Zugeständnisse zu machen, so viel man will; Unsinn aber
ist unmöglich zuzugestehen, freilich auch nicht anzugreifen. Also
weiter: „In dem Realen ist alles ein Individuelles; und es kann
nicht als ein Individuelles in den Begriff aufgenommen werden.“
— Wie oft hat uns dies Becker nun schon in diesem Paragraphen
wiederholt! — „Es fragt sich nun, wie die realen Dinge, nach-
dem sie als Allgemeines in allgemeine Arten von Thätigkeits-
begriffen aufgenommen worden, nun auch als Besonderes, und
doch als ein Allgemeines, als Art, in Begriffe aufgenommen
werden.“ Das muß allerdings ein Kunststück werden, Bosco’s
würdig. Man denke nur: als Besonderes und doch als Allge-
meines! Geben wir Acht! „Indem der Geist in die Dinge der
realen Welt eindringt, und in ihnen die Thätigkeit, die sein ei-
genes Wesen ist, als das Allgemeine erkennt, erkennt er in den
Dingen mit der Thätigkeit zugleich ihren Gegensatz, das Sein“
— d. h. indem der Geist erkennt, erkennt er; Geschwindigkeit
ist keine Hexerei: das wissen sogar unsere Kinder. Wie der
Geist in die Dinge der realen Welt eindringt, sollte nach-
gewiesen werden, wird aber vorausgesetzt, indem man ge-
schwind nicht bloß mit der rechten Hand die Erkenntniß des
Allgemeinen hinstellt, sondern zugleich mit der linken die des
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/127>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.