herrlichkeit bedurfte, um die Lage der unterworfenen Geschlechter- klasse, deren Unfreiheit zum Privatrecht des Grundherrn geworden war, auch gegen den Willen der Berechtigten durch eine Verwaltungsmaß- regel durchzusetzen. Der Rechtstitel der Befreiung des Bauern- standes und der Leib eigenen war gegeben, und das dominium eminens ist es, an welchem er zum Bewußtsein und zur Geltung ge- langt, obwohl das dominium eminens selbst darüber untergeht. Das ist das große Ergebniß dieser Bewegung.
Nachdem nun dieß feststand, kam es zunächst nur darauf an, die innere und äußere Nothwendigkeit dieser Befreiung, den volkswirthschaft- lichen Titel für dieselbe zu finden, um die Staatsgewalt zur wirklichen Entlastung fortschreiten zu lassen.
In diesem Theile der Bewegung spielt nun die Staatswissenschaft eine nicht unbedeutende Rolle. Jedoch darf man sich über ihre Leistungen und Forderungen nicht täuschen, und wir glauben daher, sie hier charakterisiren zu müssen.
V. Das Verhältniß der staatswissenschaftlichen Literatur zur Grund- entlastung.
(Justi, Berg, Runde, Fichte; die romantische Schule in der Bauernfrage: Adam Müller. Die historisch juristische Richtung: die Entschädigung; die landwirth- schaftliche Richtung: Thaer und Stüve.)
Wenn wir es unternehmen, hier denjenigen Theil der deutschen Literatur zu charakterisiren, der sich seit hundert Jahren mit der Frage nach der Freiheit des Grundeigenthums beschäftigt hat, so müssen wir zwei Bemerkungen voraufschicken. Die erste ist die, daß wir im Verhältniß zu dem ungemein großen, und noch dazu fast in lauter kleinen Abhand- lungen zersplitterten Stoff denselben keineswegs ganz bemeistert haben. Wir müssen im Gegentheil gestehen, daß wir wenigstens in dieser Be- ziehung weit hinter unserer Aufgabe zurückgeblieben sind. Indessen haben auch gelehrtere Männer es nicht vermocht, denselben als Theil einer größeren Arbeit zu bewältigen, wie Mohl in seiner großartigen Literatur der Staatswissenschaft Bd. II. 318 f. zeigt, der mit Recht klagt, daß es nicht einmal ein Werk gebe, "welches das gesammte Rechtsverhältniß der Bauern in Deutschland, sei es geschichtlich, sei es rechtlich, darstellte" (vgl. Note 1). Wir werden erst dann zu einem vollen Bilde dieser literarhistorischen Bewegung gelangen, wenn sich Specialarbeiten aus der Geschichte der Staatswissenschaften der Sache annehmen, wie die schönen B[i]lder von Roscher über die früheren Nationalökonomen Oesterreichs in Hildebrands Jahrbüchern,
herrlichkeit bedurfte, um die Lage der unterworfenen Geſchlechter- klaſſe, deren Unfreiheit zum Privatrecht des Grundherrn geworden war, auch gegen den Willen der Berechtigten durch eine Verwaltungsmaß- regel durchzuſetzen. Der Rechtstitel der Befreiung des Bauern- ſtandes und der Leib eigenen war gegeben, und das dominium eminens iſt es, an welchem er zum Bewußtſein und zur Geltung ge- langt, obwohl das dominium eminens ſelbſt darüber untergeht. Das iſt das große Ergebniß dieſer Bewegung.
Nachdem nun dieß feſtſtand, kam es zunächſt nur darauf an, die innere und äußere Nothwendigkeit dieſer Befreiung, den volkswirthſchaft- lichen Titel für dieſelbe zu finden, um die Staatsgewalt zur wirklichen Entlaſtung fortſchreiten zu laſſen.
In dieſem Theile der Bewegung ſpielt nun die Staatswiſſenſchaft eine nicht unbedeutende Rolle. Jedoch darf man ſich über ihre Leiſtungen und Forderungen nicht täuſchen, und wir glauben daher, ſie hier charakteriſiren zu müſſen.
V. Das Verhältniß der ſtaatswiſſenſchaftlichen Literatur zur Grund- entlaſtung.
(Juſti, Berg, Runde, Fichte; die romantiſche Schule in der Bauernfrage: Adam Müller. Die hiſtoriſch juriſtiſche Richtung: die Entſchädigung; die landwirth- ſchaftliche Richtung: Thaer und Stüve.)
Wenn wir es unternehmen, hier denjenigen Theil der deutſchen Literatur zu charakteriſiren, der ſich ſeit hundert Jahren mit der Frage nach der Freiheit des Grundeigenthums beſchäftigt hat, ſo müſſen wir zwei Bemerkungen voraufſchicken. Die erſte iſt die, daß wir im Verhältniß zu dem ungemein großen, und noch dazu faſt in lauter kleinen Abhand- lungen zerſplitterten Stoff denſelben keineswegs ganz bemeiſtert haben. Wir müſſen im Gegentheil geſtehen, daß wir wenigſtens in dieſer Be- ziehung weit hinter unſerer Aufgabe zurückgeblieben ſind. Indeſſen haben auch gelehrtere Männer es nicht vermocht, denſelben als Theil einer größeren Arbeit zu bewältigen, wie Mohl in ſeiner großartigen Literatur der Staatswiſſenſchaft Bd. II. 318 f. zeigt, der mit Recht klagt, daß es nicht einmal ein Werk gebe, „welches das geſammte Rechtsverhältniß der Bauern in Deutſchland, ſei es geſchichtlich, ſei es rechtlich, darſtellte“ (vgl. Note 1). Wir werden erſt dann zu einem vollen Bilde dieſer literarhiſtoriſchen Bewegung gelangen, wenn ſich Specialarbeiten aus der Geſchichte der Staatswiſſenſchaften der Sache annehmen, wie die ſchönen B[i]lder von Roſcher über die früheren Nationalökonomen Oeſterreichs in Hildebrands Jahrbüchern,
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ſtandes und der Leib eigenen war gegeben, und das dominium
eminens iſt es, an welchem er zum Bewußtſein und zur Geltung ge-
langt, obwohl das dominium eminens ſelbſt darüber untergeht. Das
iſt das große Ergebniß dieſer Bewegung.
Nachdem nun dieß feſtſtand, kam es zunächſt nur darauf an, die
innere und äußere Nothwendigkeit dieſer Befreiung, den volkswirthſchaft-
lichen Titel für dieſelbe zu finden, um die Staatsgewalt zur wirklichen
Entlaſtung fortſchreiten zu laſſen.
In dieſem Theile der Bewegung ſpielt nun die Staatswiſſenſchaft
eine nicht unbedeutende Rolle. Jedoch darf man ſich über ihre Leiſtungen
und Forderungen nicht täuſchen, und wir glauben daher, ſie hier
charakteriſiren zu müſſen.
V. Das Verhältniß der ſtaatswiſſenſchaftlichen Literatur zur Grund-
entlaſtung.
(Juſti, Berg, Runde, Fichte; die romantiſche Schule in der Bauernfrage: Adam
Müller. Die hiſtoriſch juriſtiſche Richtung: die Entſchädigung; die landwirth-
ſchaftliche Richtung: Thaer und Stüve.)
Wenn wir es unternehmen, hier denjenigen Theil der deutſchen
Literatur zu charakteriſiren, der ſich ſeit hundert Jahren mit der Frage
nach der Freiheit des Grundeigenthums beſchäftigt hat, ſo müſſen wir zwei
Bemerkungen voraufſchicken. Die erſte iſt die, daß wir im Verhältniß
zu dem ungemein großen, und noch dazu faſt in lauter kleinen Abhand-
lungen zerſplitterten Stoff denſelben keineswegs ganz bemeiſtert haben.
Wir müſſen im Gegentheil geſtehen, daß wir wenigſtens in dieſer Be-
ziehung weit hinter unſerer Aufgabe zurückgeblieben ſind. Indeſſen
haben auch gelehrtere Männer es nicht vermocht, denſelben als Theil
einer größeren Arbeit zu bewältigen, wie Mohl in ſeiner großartigen
Literatur der Staatswiſſenſchaft Bd. II. 318 f. zeigt, der mit Recht
klagt, daß es nicht einmal ein Werk gebe, „welches das geſammte
Rechtsverhältniß der Bauern in Deutſchland, ſei es geſchichtlich, ſei
es rechtlich, darſtellte“ (vgl. Note 1). Wir werden erſt dann zu
einem vollen Bilde dieſer literarhiſtoriſchen Bewegung gelangen, wenn
ſich Specialarbeiten aus der Geſchichte der Staatswiſſenſchaften der
Sache annehmen, wie die ſchönen Bilder von Roſcher über die
früheren Nationalökonomen Oeſterreichs in Hildebrands Jahrbüchern,
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/196>, abgerufen am 22.02.2025.
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