Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.auf die neueste Zeit. Wir haben später darauf zurückzukommen. Es Dieß ist, wie wir glauben, das Wesentliche in dem Stück deutscher Die Antwort liegt, denken wir, in dem Schlußpunkt der Geschichte Stein, die Verwaltungslehre. VII. 12
auf die neueſte Zeit. Wir haben ſpäter darauf zurückzukommen. Es Dieß iſt, wie wir glauben, das Weſentliche in dem Stück deutſcher Die Antwort liegt, denken wir, in dem Schlußpunkt der Geſchichte Stein, die Verwaltungslehre. VII. 12
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auf die neueſte Zeit. Wir haben ſpäter darauf zurückzukommen. Es
iſt der Begriff des jus eminens, der aber eigentlich mit dem des do-
minium emineus direkt nichts zu thun hat. Das jus eminens be-
deutet nämlich durchaus nie — wenigſtens finde ich keine darauf be-
zügliche Stelle — ein Obereigenthum, ſondern genau das Nothrecht
des Staats, als ratio status extraordinarii, favor oder apex neces-
sitatis u. a. m. Natürlich kommt dieſer Begriff erſt da ſelbſtändig zur
Erſcheinung, wo das dominium eminens beſeitigt iſt, obgleich er ſchon
früh anerkannt iſt. Dieſer Begriff iſt es nun, der ſich in der Literatur
des 19. Jahrhunderts erhielt und in den Lehrbüchern, wir können nicht
anders ſagen als unverſtanden fortgeſchleppt, und zur größeren Ver-
wirrung faſt immer mit dem dominium eminens zuſammengeſtellt wird
(ſ. z. B. Klüber, Oeffentl. Recht §. 551; Zachariä, Deutſches Staats-
und Bundesrecht II.), ohne das man ſich über das Weſen beider Rechen-
ſchaft abgelegt hätte (ſ. unten). Das dominium eminens aber war
jetzt der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft und dem öffentlichen Recht der-
ſelben, ſowohl der Rechtsphiloſophie als dem deutſchen Privatrecht, ganz
unklar geworden, und wird daher, wenn es noch vorkommt, ohne Ver-
ſtändniß ſeiner hohen politiſchen Bedeutung in der Geſchichte rein als
ein lehnsrechtlicher Begriff wie bei Eichhorn (§. 565), oder als eine
Modifikation des Eigenthumsbegriffes wie bei Mittermaier (Deutſches
Privatrecht I. §. 156; Albrecht, Gewehre S. 75. 283; Beſeler,
Erbverträge I. S. 79) angeſehen. Daß es eine geſchichtliche Thatſache
und Bewegung enthalte, ſah niemand, und der Mangel an jedem prak-
tiſchen Werth erhielt es nur noch nominell. An ſeine Stelle tritt alsbald
der Begriff der Expropriation, auf den wir unten kommen.
Dieß iſt, wie wir glauben, das Weſentliche in dem Stück deutſcher
Rechtsgeſchichte, das uns das hiſtoriſche Wort dominium eminens be-
zeichnet. Und jetzt können wir fragen, welche Bedeutung daſſelbe für
unſern eigentlichen Gegenſtand, die Idee und das Recht der Entwäh-
rung überhaupt, und ſpeciell für Idee und Recht der Entlaſtung
gehabt habe?
Die Antwort liegt, denken wir, in dem Schlußpunkt der Geſchichte
des dominium eminens ſelbſt. Aus dem faſt zwei Jahrhunderte wäh-
renden Streit hat ſich endlich der Grundſatz hieraus gebildet, daß wie
Poſſe und Runde (a. a. O.) ſagen, die regierende Gewalt das
Recht habe, für die Beförderung des allgemeinen Wohles, für die
Verwirklichung der höchſten Staatszwecke, oder wie die Ausdrücke ſonſt
lauten mögen, „von dem Unterthanen die Aufopferung ihrer erworbenen
Güter und ſelbſt ihres Lebens zu fordern.“ Damit war dann das
gefunden, deſſen die junge Verwaltung gegenüber der Grund-
Stein, die Verwaltungslehre. VII. 12
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