Literatur begründet hier eine neue, für den deutschen Geist höchst be- zeichnende Epoche. Die polytechnische Schule in Paris ward zwar von Vielen damals wie jetzt für etwas ganz anderes gehalten, als was sie wirklich ist, ein sehr untergeordnetes Glied im französischen Bildungs- system; aber die technische Bildung selbst ward seit dem zweiten Jahrzehent in Deutschland mit jedem Jahre nothwendiger, weil Deutsch- land begann, den großen industriellen Kampf mit England durch An- lage von Maschinen und durch Schöpfung einer eigenen Industrie auf- zunehmen. Von jetzt an erschien diese technische Bildung als eine Volks- angelegenheit, der die junge Industrie die Hand reichte. Sie schloß sich dabei an das Entstehen der Realschule an und so entstand das, was die gegenwärtige Auffassung noch mehr charakterisirt als die damalige, die Vorstellung, daß die technische Fachbildung die eigentliche Höhe der Fachbildung enthalte, neben der alle andern von sehr geringer Bedeu- tung seien. Den literarischen Anstoß dafür gab Dingler in seiner Schrift: "Nothwendigkeit der Gründung einer polytechnischen Akademie. Augsburg 1821." Dann Hermann mit seiner Arbeit: "Ueber poly- technische Institute 1826" und später Nebenius: "Ueber technische Lehr- anstalten 1833," nebst einer Reihe anderer folgten. Alle übrigen Fach- schulen wurden daneben vernachlässigt; die Literatur ließ sie ganz bei Seite, so daß selbst Baumstark trotz seines Fleißes keinen Anlaß findet, auf sie einzugehen und selbst die Territorialgesetzkunde sie kaum berühren, wovon wieder nur Mohl, Württembergisches Verwaltungs- recht II. §. 214 eine rühmliche Ausnahme macht. Die Beschäftigung mit den polytechnischen Anstalten hatte dagegen den wichtigen, wenn auch nur langsam eintretenden Erfolg, die wirthschaftliche Fachbildung überhaupt in ihrer hohen und allgemeinen Bedeutung dem Volke zum Bewußtsein zu bringen. Sie ist als der Keim anzusehen, von dem das eigentlich systematische und einheitliche Element derselben ausgeht. Es darf dabei nicht verkannt werden, daß die Statistik hier viel geleistet hat und auch ihrerseits an der einheitlichen Auffassung redlich mit- gearbeitet hat. Die Staatswissenschaft dagegen hat sich weder im Ge- biete des Staatsrechts noch in dem der Polizeiwissenschaft der Frage angenommen. Eine systematische Behandlung existirt nicht.
III. Das öffentliche Recht und die Organisation des wirthschaftlichen Fach- bildungssystems.
(Herstellung der Anstalten, Lehrsystem, Prüfungswesen.)
Das öffentliche Recht dieser Anstalten entsteht nun, indem man sich jene Anstalten als naturgemäße Glieder des gesammten Bildungs-
Literatur begründet hier eine neue, für den deutſchen Geiſt höchſt be- zeichnende Epoche. Die polytechniſche Schule in Paris ward zwar von Vielen damals wie jetzt für etwas ganz anderes gehalten, als was ſie wirklich iſt, ein ſehr untergeordnetes Glied im franzöſiſchen Bildungs- ſyſtem; aber die techniſche Bildung ſelbſt ward ſeit dem zweiten Jahrzehent in Deutſchland mit jedem Jahre nothwendiger, weil Deutſch- land begann, den großen induſtriellen Kampf mit England durch An- lage von Maſchinen und durch Schöpfung einer eigenen Induſtrie auf- zunehmen. Von jetzt an erſchien dieſe techniſche Bildung als eine Volks- angelegenheit, der die junge Induſtrie die Hand reichte. Sie ſchloß ſich dabei an das Entſtehen der Realſchule an und ſo entſtand das, was die gegenwärtige Auffaſſung noch mehr charakteriſirt als die damalige, die Vorſtellung, daß die techniſche Fachbildung die eigentliche Höhe der Fachbildung enthalte, neben der alle andern von ſehr geringer Bedeu- tung ſeien. Den literariſchen Anſtoß dafür gab Dingler in ſeiner Schrift: „Nothwendigkeit der Gründung einer polytechniſchen Akademie. Augsburg 1821.“ Dann Hermann mit ſeiner Arbeit: „Ueber poly- techniſche Inſtitute 1826“ und ſpäter Nebenius: „Ueber techniſche Lehr- anſtalten 1833,“ nebſt einer Reihe anderer folgten. Alle übrigen Fach- ſchulen wurden daneben vernachläſſigt; die Literatur ließ ſie ganz bei Seite, ſo daß ſelbſt Baumſtark trotz ſeines Fleißes keinen Anlaß findet, auf ſie einzugehen und ſelbſt die Territorialgeſetzkunde ſie kaum berühren, wovon wieder nur Mohl, Württembergiſches Verwaltungs- recht II. §. 214 eine rühmliche Ausnahme macht. Die Beſchäftigung mit den polytechniſchen Anſtalten hatte dagegen den wichtigen, wenn auch nur langſam eintretenden Erfolg, die wirthſchaftliche Fachbildung überhaupt in ihrer hohen und allgemeinen Bedeutung dem Volke zum Bewußtſein zu bringen. Sie iſt als der Keim anzuſehen, von dem das eigentlich ſyſtematiſche und einheitliche Element derſelben ausgeht. Es darf dabei nicht verkannt werden, daß die Statiſtik hier viel geleiſtet hat und auch ihrerſeits an der einheitlichen Auffaſſung redlich mit- gearbeitet hat. Die Staatswiſſenſchaft dagegen hat ſich weder im Ge- biete des Staatsrechts noch in dem der Polizeiwiſſenſchaft der Frage angenommen. Eine ſyſtematiſche Behandlung exiſtirt nicht.
III. Das öffentliche Recht und die Organiſation des wirthſchaftlichen Fach- bildungsſyſtems.
(Herſtellung der Anſtalten, Lehrſyſtem, Prüfungsweſen.)
Das öffentliche Recht dieſer Anſtalten entſteht nun, indem man ſich jene Anſtalten als naturgemäße Glieder des geſammten Bildungs-
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wirklich iſt, ein ſehr untergeordnetes Glied im franzöſiſchen Bildungs-
ſyſtem; aber die techniſche Bildung ſelbſt ward ſeit dem zweiten
Jahrzehent in Deutſchland mit jedem Jahre nothwendiger, weil Deutſch-
land begann, den großen induſtriellen Kampf mit England durch An-
lage von Maſchinen und durch Schöpfung einer eigenen Induſtrie auf-
zunehmen. Von jetzt an erſchien dieſe techniſche Bildung als eine Volks-
angelegenheit, der die junge Induſtrie die Hand reichte. Sie ſchloß ſich
dabei an das Entſtehen der Realſchule an und ſo entſtand das, was
die gegenwärtige Auffaſſung noch mehr charakteriſirt als die damalige,
die Vorſtellung, daß die techniſche Fachbildung die eigentliche Höhe der
Fachbildung enthalte, neben der alle andern von ſehr geringer Bedeu-
tung ſeien. Den literariſchen Anſtoß dafür gab Dingler in ſeiner
Schrift: „Nothwendigkeit der Gründung einer polytechniſchen Akademie.
Augsburg 1821.“ Dann Hermann mit ſeiner Arbeit: „Ueber poly-
techniſche Inſtitute 1826“ und ſpäter Nebenius: „Ueber techniſche Lehr-
anſtalten 1833,“ nebſt einer Reihe anderer folgten. Alle übrigen Fach-
ſchulen wurden daneben vernachläſſigt; die Literatur ließ ſie ganz bei
Seite, ſo daß ſelbſt Baumſtark trotz ſeines Fleißes keinen Anlaß
findet, auf ſie einzugehen und ſelbſt die Territorialgeſetzkunde ſie kaum
berühren, wovon wieder nur Mohl, Württembergiſches Verwaltungs-
recht II. §. 214 eine rühmliche Ausnahme macht. Die Beſchäftigung
mit den polytechniſchen Anſtalten hatte dagegen den wichtigen, wenn
auch nur langſam eintretenden Erfolg, die wirthſchaftliche Fachbildung
überhaupt in ihrer hohen und allgemeinen Bedeutung dem Volke zum
Bewußtſein zu bringen. Sie iſt als der Keim anzuſehen, von dem das
eigentlich ſyſtematiſche und einheitliche Element derſelben ausgeht. Es
darf dabei nicht verkannt werden, daß die Statiſtik hier viel geleiſtet
hat und auch ihrerſeits an der einheitlichen Auffaſſung redlich mit-
gearbeitet hat. Die Staatswiſſenſchaft dagegen hat ſich weder im Ge-
biete des Staatsrechts noch in dem der Polizeiwiſſenſchaft der Frage
angenommen. Eine ſyſtematiſche Behandlung exiſtirt nicht.
III. Das öffentliche Recht und die Organiſation des wirthſchaftlichen Fach-
bildungsſyſtems.
(Herſtellung der Anſtalten, Lehrſyſtem, Prüfungsweſen.)
Das öffentliche Recht dieſer Anſtalten entſteht nun, indem man
ſich jene Anſtalten als naturgemäße Glieder des geſammten Bildungs-
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/296>, abgerufen am 20.01.2025.
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