Rede war. Andererseits verfiel die Hauptthätigkeit auf das Bundesrecht, das wunderlicher Weise als Haupttheil "des deutschen allgemeinen Staatsrechts" be- trachtet ward. Der Bund aber hatte weder zu verwalten noch zu regieren. Der Gründer des deutschen Bundesrechts, Klüber, wußte daher mit beiden Begriffen gar nichts anzufangen, und warf Hoheitsrecht, Regierung, Verwaltung und die einzelnen Gebiete der letztern so gründlich durcheinander, daß es nicht möglich war, weder seine Meinung zu erkennen, noch sich eine eigene zu bilden. Von da an sehen wir daher die Verwirrung aller Begriffe und das gänzliche Verschwinden der obigen klaren Unterschiede entschieden, um so mehr als in den Hauptstaaten überhaupt keine Verfassung bestand. Die Nachfolger, Maurenbrecher, Za- chariä (Göttingen), Leist, haben sich von dieser Verwirrung nicht frei zu machen gewußt, weil auch ihnen die erste Basis, Gegensatz von Verfassung und Verwaltung, fehlte. Nur Zöpfl (Staatsrecht II.) unterscheidet sehr gut Regierung und Verwaltung, aber ohne für die Darstellung seines Staatsrechts irgend eine Consequenz daraus zu ziehen, §. 344, wogegen wieder Held in seiner Verfassungslehre II. 450 kämpft. (S. übrigens über beide Begriffe unten.) Die Bearbeitungen der einzelnen Staatsrechte, zuerst Mohl, Württemb. Staats- recht, dann Moy und Pötzl, Bayr. Staatsrecht, kamen allerdings wieder zu jenem Unterschied, aber sie verloren dabei den Begriff der Regierung, da dieser nicht in objektiv geltende Bestimmungen zu fassen war. So sind wir jetzt gezwungen, gleichsam von vorne anzufangen. Und allerdings kann es nicht genügen, dieß bloß mit Definitionen zu thun. Wir haben zu versuchen, diese bisher abstrakten Begriffe mit einem concreten und praktischen Inhalt zu er- füllen. Das kann aber nur durch das Recht und seine Darstellung geschehen.
Begriff und Gebiete des öffentlichen Rechts.
In der bisherigen Darstellung haben wir nun den Begriff des Staats in den Grundformen seiner organischen Gestaltung dargelegt. Wenn wir jetzt vom Leben des Staats reden, so bezeichnet uns dieser Ausdruck nicht länger jenes unbestimmte Etwas, das wir die Unter- werfung des gegenständlichen Daseins unter die persönliche Bestimmung des Staats nennen. Das Leben des Staats ist jetzt ein Proceß, den wir in seinen organischen Elementen verfolgen können. Der Staat, in der Mitte der wirklichen Dinge stehend, bestimmt die Ordnung und das Ziel seines wirklichen Daseins durch seinen Willen, indem er vermöge der Berathung zum Schluß kommt, und dieser bestimmte Wille, indem er sich auf den wirklichen Inhalt des Staatslebens bezieht, oder das Gesetz des Staats, bestimmt die Thätigkeit der Vollziehung, die wieder in der wirthschaftlichen, der rechtlichen oder der innern Aufgabe als Verwaltung erscheint. Das sind die absoluten Formen des Staatslebens. Kein Theil dieses Lebens ist für sich denkbar; es gibt keine Gesetzgebung ohne Vollziehung, keine Vollziehung ohne Verwaltung, keine Verwaltung
Rede war. Andererſeits verfiel die Hauptthätigkeit auf das Bundesrecht, das wunderlicher Weiſe als Haupttheil „des deutſchen allgemeinen Staatsrechts“ be- trachtet ward. Der Bund aber hatte weder zu verwalten noch zu regieren. Der Gründer des deutſchen Bundesrechts, Klüber, wußte daher mit beiden Begriffen gar nichts anzufangen, und warf Hoheitsrecht, Regierung, Verwaltung und die einzelnen Gebiete der letztern ſo gründlich durcheinander, daß es nicht möglich war, weder ſeine Meinung zu erkennen, noch ſich eine eigene zu bilden. Von da an ſehen wir daher die Verwirrung aller Begriffe und das gänzliche Verſchwinden der obigen klaren Unterſchiede entſchieden, um ſo mehr als in den Hauptſtaaten überhaupt keine Verfaſſung beſtand. Die Nachfolger, Maurenbrecher, Za- chariä (Göttingen), Leiſt, haben ſich von dieſer Verwirrung nicht frei zu machen gewußt, weil auch ihnen die erſte Baſis, Gegenſatz von Verfaſſung und Verwaltung, fehlte. Nur Zöpfl (Staatsrecht II.) unterſcheidet ſehr gut Regierung und Verwaltung, aber ohne für die Darſtellung ſeines Staatsrechts irgend eine Conſequenz daraus zu ziehen, §. 344, wogegen wieder Held in ſeiner Verfaſſungslehre II. 450 kämpft. (S. übrigens über beide Begriffe unten.) Die Bearbeitungen der einzelnen Staatsrechte, zuerſt Mohl, Württemb. Staats- recht, dann Moy und Pötzl, Bayr. Staatsrecht, kamen allerdings wieder zu jenem Unterſchied, aber ſie verloren dabei den Begriff der Regierung, da dieſer nicht in objektiv geltende Beſtimmungen zu faſſen war. So ſind wir jetzt gezwungen, gleichſam von vorne anzufangen. Und allerdings kann es nicht genügen, dieß bloß mit Definitionen zu thun. Wir haben zu verſuchen, dieſe bisher abſtrakten Begriffe mit einem concreten und praktiſchen Inhalt zu er- füllen. Das kann aber nur durch das Recht und ſeine Darſtellung geſchehen.
Begriff und Gebiete des öffentlichen Rechts.
In der bisherigen Darſtellung haben wir nun den Begriff des Staats in den Grundformen ſeiner organiſchen Geſtaltung dargelegt. Wenn wir jetzt vom Leben des Staats reden, ſo bezeichnet uns dieſer Ausdruck nicht länger jenes unbeſtimmte Etwas, das wir die Unter- werfung des gegenſtändlichen Daſeins unter die perſönliche Beſtimmung des Staats nennen. Das Leben des Staats iſt jetzt ein Proceß, den wir in ſeinen organiſchen Elementen verfolgen können. Der Staat, in der Mitte der wirklichen Dinge ſtehend, beſtimmt die Ordnung und das Ziel ſeines wirklichen Daſeins durch ſeinen Willen, indem er vermöge der Berathung zum Schluß kommt, und dieſer beſtimmte Wille, indem er ſich auf den wirklichen Inhalt des Staatslebens bezieht, oder das Geſetz des Staats, beſtimmt die Thätigkeit der Vollziehung, die wieder in der wirthſchaftlichen, der rechtlichen oder der innern Aufgabe als Verwaltung erſcheint. Das ſind die abſoluten Formen des Staatslebens. Kein Theil dieſes Lebens iſt für ſich denkbar; es gibt keine Geſetzgebung ohne Vollziehung, keine Vollziehung ohne Verwaltung, keine Verwaltung
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0044"n="20"/>
Rede war. Andererſeits verfiel die Hauptthätigkeit auf das Bundesrecht, das<lb/>
wunderlicher Weiſe als Haupttheil „des deutſchen allgemeinen Staatsrechts“ be-<lb/>
trachtet ward. Der Bund aber hatte weder zu verwalten noch zu regieren. Der<lb/>
Gründer des deutſchen Bundesrechts, <hirendition="#g">Klüber</hi>, wußte daher mit beiden Begriffen<lb/>
gar nichts anzufangen, und warf Hoheitsrecht, Regierung, Verwaltung und die<lb/>
einzelnen Gebiete der letztern ſo gründlich durcheinander, daß es nicht möglich war,<lb/>
weder ſeine Meinung zu erkennen, noch ſich eine eigene zu bilden. Von da an<lb/>ſehen wir daher die Verwirrung aller Begriffe und das gänzliche Verſchwinden<lb/>
der obigen klaren Unterſchiede entſchieden, um ſo mehr als in den Hauptſtaaten<lb/>
überhaupt keine Verfaſſung beſtand. Die Nachfolger, <hirendition="#g">Maurenbrecher, Za-<lb/>
chariä</hi> (Göttingen), <hirendition="#g">Leiſt</hi>, haben ſich von dieſer Verwirrung nicht frei zu<lb/>
machen gewußt, weil auch ihnen die erſte Baſis, Gegenſatz von Verfaſſung und<lb/>
Verwaltung, fehlte. Nur Zöpfl (Staatsrecht <hirendition="#aq">II.</hi>) unterſcheidet ſehr gut Regierung<lb/>
und Verwaltung, aber ohne für die Darſtellung ſeines Staatsrechts <hirendition="#g">irgend<lb/>
eine</hi> Conſequenz daraus zu ziehen, §. 344, wogegen wieder <hirendition="#g">Held</hi> in ſeiner<lb/>
Verfaſſungslehre <hirendition="#aq">II.</hi> 450 kämpft. (S. übrigens über beide Begriffe unten.) Die<lb/>
Bearbeitungen der einzelnen Staatsrechte, zuerſt <hirendition="#g">Mohl</hi>, Württemb. Staats-<lb/>
recht, dann <hirendition="#g">Moy</hi> und <hirendition="#g">Pötzl</hi>, Bayr. Staatsrecht, kamen allerdings wieder zu<lb/>
jenem Unterſchied, aber ſie verloren dabei den Begriff der <hirendition="#g">Regierung</hi>, da<lb/>
dieſer nicht in objektiv geltende Beſtimmungen zu faſſen war. So ſind wir<lb/>
jetzt gezwungen, gleichſam von vorne anzufangen. Und allerdings kann es nicht<lb/>
genügen, dieß bloß mit Definitionen zu thun. Wir haben zu verſuchen, dieſe<lb/>
bisher abſtrakten Begriffe mit einem concreten und praktiſchen Inhalt zu er-<lb/>
füllen. Das kann aber nur durch das <hirendition="#g">Recht</hi> und ſeine Darſtellung geſchehen.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Begriff und Gebiete des öffentlichen Rechts.</hi></head><lb/><p>In der bisherigen Darſtellung haben wir nun den Begriff des<lb/>
Staats in den Grundformen ſeiner organiſchen Geſtaltung dargelegt.<lb/>
Wenn wir jetzt vom <hirendition="#g">Leben</hi> des Staats reden, ſo bezeichnet uns dieſer<lb/>
Ausdruck nicht länger jenes unbeſtimmte Etwas, das wir die Unter-<lb/>
werfung des gegenſtändlichen Daſeins unter die perſönliche Beſtimmung<lb/>
des Staats nennen. Das Leben des Staats iſt jetzt ein Proceß, den<lb/>
wir in ſeinen organiſchen Elementen verfolgen können. Der Staat, in<lb/>
der Mitte der wirklichen Dinge ſtehend, beſtimmt die Ordnung und das<lb/>
Ziel ſeines wirklichen Daſeins durch ſeinen Willen, indem er vermöge<lb/>
der Berathung zum Schluß kommt, und dieſer beſtimmte Wille, indem<lb/>
er ſich auf den wirklichen Inhalt des Staatslebens bezieht, oder das<lb/>
Geſetz des Staats, beſtimmt die Thätigkeit der Vollziehung, die wieder<lb/>
in der wirthſchaftlichen, der rechtlichen oder der innern Aufgabe als<lb/>
Verwaltung erſcheint. Das ſind die abſoluten Formen des Staatslebens.<lb/>
Kein Theil dieſes Lebens iſt für ſich denkbar; es gibt keine Geſetzgebung<lb/>
ohne Vollziehung, keine Vollziehung ohne Verwaltung, keine Verwaltung<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[20/0044]
Rede war. Andererſeits verfiel die Hauptthätigkeit auf das Bundesrecht, das
wunderlicher Weiſe als Haupttheil „des deutſchen allgemeinen Staatsrechts“ be-
trachtet ward. Der Bund aber hatte weder zu verwalten noch zu regieren. Der
Gründer des deutſchen Bundesrechts, Klüber, wußte daher mit beiden Begriffen
gar nichts anzufangen, und warf Hoheitsrecht, Regierung, Verwaltung und die
einzelnen Gebiete der letztern ſo gründlich durcheinander, daß es nicht möglich war,
weder ſeine Meinung zu erkennen, noch ſich eine eigene zu bilden. Von da an
ſehen wir daher die Verwirrung aller Begriffe und das gänzliche Verſchwinden
der obigen klaren Unterſchiede entſchieden, um ſo mehr als in den Hauptſtaaten
überhaupt keine Verfaſſung beſtand. Die Nachfolger, Maurenbrecher, Za-
chariä (Göttingen), Leiſt, haben ſich von dieſer Verwirrung nicht frei zu
machen gewußt, weil auch ihnen die erſte Baſis, Gegenſatz von Verfaſſung und
Verwaltung, fehlte. Nur Zöpfl (Staatsrecht II.) unterſcheidet ſehr gut Regierung
und Verwaltung, aber ohne für die Darſtellung ſeines Staatsrechts irgend
eine Conſequenz daraus zu ziehen, §. 344, wogegen wieder Held in ſeiner
Verfaſſungslehre II. 450 kämpft. (S. übrigens über beide Begriffe unten.) Die
Bearbeitungen der einzelnen Staatsrechte, zuerſt Mohl, Württemb. Staats-
recht, dann Moy und Pötzl, Bayr. Staatsrecht, kamen allerdings wieder zu
jenem Unterſchied, aber ſie verloren dabei den Begriff der Regierung, da
dieſer nicht in objektiv geltende Beſtimmungen zu faſſen war. So ſind wir
jetzt gezwungen, gleichſam von vorne anzufangen. Und allerdings kann es nicht
genügen, dieß bloß mit Definitionen zu thun. Wir haben zu verſuchen, dieſe
bisher abſtrakten Begriffe mit einem concreten und praktiſchen Inhalt zu er-
füllen. Das kann aber nur durch das Recht und ſeine Darſtellung geſchehen.
Begriff und Gebiete des öffentlichen Rechts.
In der bisherigen Darſtellung haben wir nun den Begriff des
Staats in den Grundformen ſeiner organiſchen Geſtaltung dargelegt.
Wenn wir jetzt vom Leben des Staats reden, ſo bezeichnet uns dieſer
Ausdruck nicht länger jenes unbeſtimmte Etwas, das wir die Unter-
werfung des gegenſtändlichen Daſeins unter die perſönliche Beſtimmung
des Staats nennen. Das Leben des Staats iſt jetzt ein Proceß, den
wir in ſeinen organiſchen Elementen verfolgen können. Der Staat, in
der Mitte der wirklichen Dinge ſtehend, beſtimmt die Ordnung und das
Ziel ſeines wirklichen Daſeins durch ſeinen Willen, indem er vermöge
der Berathung zum Schluß kommt, und dieſer beſtimmte Wille, indem
er ſich auf den wirklichen Inhalt des Staatslebens bezieht, oder das
Geſetz des Staats, beſtimmt die Thätigkeit der Vollziehung, die wieder
in der wirthſchaftlichen, der rechtlichen oder der innern Aufgabe als
Verwaltung erſcheint. Das ſind die abſoluten Formen des Staatslebens.
Kein Theil dieſes Lebens iſt für ſich denkbar; es gibt keine Geſetzgebung
ohne Vollziehung, keine Vollziehung ohne Verwaltung, keine Verwaltung
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/44>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.