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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. IV. SECTIO XI.
alsdenn/ obwol ohne eigener begierde der rache/ vielmehr mit dero abbitte/ dem
heimstellen/ der recht richtet. 1. Petr. 2.

SECTIO XI.
An eine Christl. Fürstin. Zufriedenheit mit göttlichen willen. Barters
buch von verleugnung sein selbs. Solche pflicht etwas erkläret. De-
ro wichtigkeit. Aus dem Evangelio zu befordern.

ES ist mir hertzlich lieb gewesen/ daß der verhofften zusammen sprach der wille
GOttes willig vorgezogen worden. Wie ich davor halte/ es seye kaum eine nütz-
lichere übung als eben diese/ in allen stücken/ was wir verlanget/ u. solte es nicht nur
unseren eigenen begierden das angenehmste/ sondern auch unsern gedancken nach
selbs das vorträglichste geschienen haben/ sobald als GOtt uns durch den ausgang
seinen willen auf das gegentheil zu erkennen giebet/ mit diesem zu frieden zu seyn/ und
warhaftig zu glauben/ dieses seye das beste/ was der weiseste HErr hat geschehen
lassen/ ob wir wol/ wie es in diesen oder jenen/ und also etwa in entziehung eines uns
nützlich geschienen gutes gut seye/ mit unseren sinnen u. überlegungen nicht begreif-
fen können/ aber auch hierinnen unsere vernunfft unter dem gehorsam des glaubens
Christi gefangen nehmen müssen/ welches wie es in der blossen betrachtung das bil-
lichste und selbs vernünfftigste erkant wird/ also gleichwol in der übung uns so gar
leicht nicht anzukommen pflegt; wie wir bey uns selbs finden/ wo wir solche zufrie-
denheit resolviren/ daß nicht wenig widersprüche deroselben ruhe bey uns zu ver-
stören suchen. Kommets aber dahin/ daß wir uns nicht nur in den willen des
HErrn in grossen und kleinen dingen zu geben den entschluß fassen/ dahin uns unser
Christenthum so bald weiset/ sondern wircklich die ruhe in dem gemüthe ohne vielen
widerspruch oder kampff gefühlet wird/ so würde es eine anzeige seyn/ in dieser schul
des HErrn weit zugenommen und gelernet zu haben; darin ich mich selbs ein noch
weit in den anfang zurückstehenden schüler zu seyn erkenne/ aber offt bey den ein-
fältigsten das grösseste maß dieser tugend u. seligen ruhe gefunden; welche fast ohne
einige bewegung die erfüllung oder aussenbleibung ihrer gehabten hoffnung und
verlängens auf gleiche weise stracks als sie den willen des HErrn gesehen/ an-
genommen: dabey uns offt die vermeint? weißlichere überlegungen/ was aus die-
sem und jenem vor nutzen erfolgen können/ oder uns unterbleiben/ hingegen scha-
den entstehen werde/ die sonsten in der völligen einfältigen gelassenheit empfind-
liche ruhe gewaltig stören/ oder doch uns sehr schwer machen. Dahero in die-
ser sache/ wer sie recht warnimmet/ und auf die empfindung seiner seele in sol-
cher begebenheit acht giebet/ eine sehr stattliche probe sich zeiget/ wie starck oder
schwach einer seye/ und stehet eben unter andern hierinnen ein merckliches stück der
verleugnung unser selbs/ die seinen jüngern unser liebster Erlöser so hoch anbefohlen
hat. Diese ist nun in dem von E. Hochfürstl. Durchl. angedeuteten buch/ so aus
dem Englischen Richard Baxters durch einen unsrer religion jetzigen G. Superint.
übersetzet worden/ sehr fein und erbaulich vorgetragen/ daß es von denen/ welche ge-
übte sinne haben/ alles zu unterscheiden/ mit guten nutzen gelesen werden mag. Wie
ich dann den HErrn als den Vater des Liechts/ demüthig anruffe/ daß er in alle dero/

die

ARTIC. IV. SECTIO XI.
alsdenn/ obwol ohne eigener begierde der rache/ vielmehr mit dero abbitte/ dem
heimſtellen/ der recht richtet. 1. Petr. 2.

SECTIO XI.
An eine Chriſtl. Fuͤrſtin. Zufriedenheit mit goͤttlichen willen. Barters
buch von verleugnung ſein ſelbs. Solche pflicht etwas erklaͤret. De-
ro wichtigkeit. Aus dem Evangelio zu befordern.

ES iſt mir hertzlich lieb geweſen/ daß der verhofften zuſammen ſprach der wille
GOttes willig vorgezogen worden. Wie ich davoꝛ halte/ es ſeye kaum eine nuͤtz-
lichere uͤbung als eben dieſe/ in allen ſtuͤcken/ was wir verlanget/ u. ſolte es nicht nur
unſeren eigenen begierden das angenehmſte/ ſondern auch unſern gedancken nach
ſelbs das vortraͤglichſte geſchienen haben/ ſobald als GOtt uns durch den ausgang
ſeinen willen auf das gegentheil zu erkennen giebet/ mit dieſem zu frieden zu ſeyn/ und
warhaftig zu glauben/ dieſes ſeye das beſte/ was der weiſeſte HErr hat geſchehen
laſſen/ ob wir wol/ wie es in dieſen oder jenen/ und alſo etwa in entziehung eines uns
nuͤtzlich geſchienen gutes gut ſeye/ mit unſeren ſinnen u. uͤberlegungen nicht begreif-
fen koͤnnen/ aber auch hierinnen unſere vernunfft unter dem gehorſam des glaubens
Chriſti gefangen nehmen muͤſſen/ welches wie es in der bloſſen betrachtung das bil-
lichſte und ſelbs vernuͤnfftigſte erkant wird/ alſo gleichwol in der uͤbung uns ſo gar
leicht nicht anzukommen pflegt; wie wir bey uns ſelbs finden/ wo wir ſolche zufrie-
denheit reſolviren/ daß nicht wenig widerſpruͤche deroſelben ruhe bey uns zu ver-
ſtoͤren ſuchen. Kommets aber dahin/ daß wir uns nicht nur in den willen des
HErrn in groſſen und kleinen dingen zu geben den entſchluß faſſen/ dahin uns unſer
Chriſtenthum ſo bald weiſet/ ſondern wircklich die ruhe in dem gemuͤthe ohne vielen
widerſpruch oder kampff gefuͤhlet wird/ ſo wuͤrde es eine anzeige ſeyn/ in dieſer ſchul
des HErrn weit zugenommen und gelernet zu haben; darin ich mich ſelbs ein noch
weit in den anfang zuruͤckſtehenden ſchuͤler zu ſeyn erkenne/ aber offt bey den ein-
faͤltigſten das groͤſſeſte maß dieſer tugend u. ſeligen ruhe gefunden; welche faſt ohne
einige bewegung die erfuͤllung oder auſſenbleibung ihrer gehabten hoffnung und
verlaͤngens auf gleiche weiſe ſtracks als ſie den willen des HErrn geſehen/ an-
genommen: dabey uns offt die vermeint? weißlichere uͤberlegungen/ was aus die-
ſem und jenem vor nutzen erfolgen koͤnnen/ oder uns unterbleiben/ hingegen ſcha-
den entſtehen werde/ die ſonſten in der voͤlligen einfaͤltigen gelaſſenheit empfind-
liche ruhe gewaltig ſtoͤren/ oder doch uns ſehr ſchwer machen. Dahero in die-
ſer ſache/ wer ſie recht warnimmet/ und auf die empfindung ſeiner ſeele in ſol-
cher begebenheit acht giebet/ eine ſehr ſtattliche probe ſich zeiget/ wie ſtarck oder
ſchwach einer ſeye/ und ſtehet eben unter andern hierinnen ein merckliches ſtuͤck der
verleugnung unſer ſelbs/ die ſeinen juͤngern unſer liebſter Erloͤſer ſo hoch anbefohlen
hat. Dieſe iſt nun in dem von E. Hochfuͤrſtl. Durchl. angedeuteten buch/ ſo aus
dem Engliſchen Richard Baxters durch einen unſrer religion jetzigen G. Superint.
uͤberſetzet worden/ ſehr fein und erbaulich vorgetragen/ daß es von denen/ welche ge-
uͤbte ſinne haben/ alles zu unterſcheiden/ mit guten nutzen geleſen werden mag. Wie
ich dann den HErrn als den Vater des Liechts/ demuͤthig anruffe/ daß er in alle dero/

die
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[439/0451] ARTIC. IV. SECTIO XI. alsdenn/ obwol ohne eigener begierde der rache/ vielmehr mit dero abbitte/ dem heimſtellen/ der recht richtet. 1. Petr. 2. 1. Sept. 1681. SECTIO XI. An eine Chriſtl. Fuͤrſtin. Zufriedenheit mit goͤttlichen willen. Barters buch von verleugnung ſein ſelbs. Solche pflicht etwas erklaͤret. De- ro wichtigkeit. Aus dem Evangelio zu befordern. ES iſt mir hertzlich lieb geweſen/ daß der verhofften zuſammen ſprach der wille GOttes willig vorgezogen worden. Wie ich davoꝛ halte/ es ſeye kaum eine nuͤtz- lichere uͤbung als eben dieſe/ in allen ſtuͤcken/ was wir verlanget/ u. ſolte es nicht nur unſeren eigenen begierden das angenehmſte/ ſondern auch unſern gedancken nach ſelbs das vortraͤglichſte geſchienen haben/ ſobald als GOtt uns durch den ausgang ſeinen willen auf das gegentheil zu erkennen giebet/ mit dieſem zu frieden zu ſeyn/ und warhaftig zu glauben/ dieſes ſeye das beſte/ was der weiſeſte HErr hat geſchehen laſſen/ ob wir wol/ wie es in dieſen oder jenen/ und alſo etwa in entziehung eines uns nuͤtzlich geſchienen gutes gut ſeye/ mit unſeren ſinnen u. uͤberlegungen nicht begreif- fen koͤnnen/ aber auch hierinnen unſere vernunfft unter dem gehorſam des glaubens Chriſti gefangen nehmen muͤſſen/ welches wie es in der bloſſen betrachtung das bil- lichſte und ſelbs vernuͤnfftigſte erkant wird/ alſo gleichwol in der uͤbung uns ſo gar leicht nicht anzukommen pflegt; wie wir bey uns ſelbs finden/ wo wir ſolche zufrie- denheit reſolviren/ daß nicht wenig widerſpruͤche deroſelben ruhe bey uns zu ver- ſtoͤren ſuchen. Kommets aber dahin/ daß wir uns nicht nur in den willen des HErrn in groſſen und kleinen dingen zu geben den entſchluß faſſen/ dahin uns unſer Chriſtenthum ſo bald weiſet/ ſondern wircklich die ruhe in dem gemuͤthe ohne vielen widerſpruch oder kampff gefuͤhlet wird/ ſo wuͤrde es eine anzeige ſeyn/ in dieſer ſchul des HErrn weit zugenommen und gelernet zu haben; darin ich mich ſelbs ein noch weit in den anfang zuruͤckſtehenden ſchuͤler zu ſeyn erkenne/ aber offt bey den ein- faͤltigſten das groͤſſeſte maß dieſer tugend u. ſeligen ruhe gefunden; welche faſt ohne einige bewegung die erfuͤllung oder auſſenbleibung ihrer gehabten hoffnung und verlaͤngens auf gleiche weiſe ſtracks als ſie den willen des HErrn geſehen/ an- genommen: dabey uns offt die vermeint? weißlichere uͤberlegungen/ was aus die- ſem und jenem vor nutzen erfolgen koͤnnen/ oder uns unterbleiben/ hingegen ſcha- den entſtehen werde/ die ſonſten in der voͤlligen einfaͤltigen gelaſſenheit empfind- liche ruhe gewaltig ſtoͤren/ oder doch uns ſehr ſchwer machen. Dahero in die- ſer ſache/ wer ſie recht warnimmet/ und auf die empfindung ſeiner ſeele in ſol- cher begebenheit acht giebet/ eine ſehr ſtattliche probe ſich zeiget/ wie ſtarck oder ſchwach einer ſeye/ und ſtehet eben unter andern hierinnen ein merckliches ſtuͤck der verleugnung unſer ſelbs/ die ſeinen juͤngern unſer liebſter Erloͤſer ſo hoch anbefohlen hat. Dieſe iſt nun in dem von E. Hochfuͤrſtl. Durchl. angedeuteten buch/ ſo aus dem Engliſchen Richard Baxters durch einen unſrer religion jetzigen G. Superint. uͤberſetzet worden/ ſehr fein und erbaulich vorgetragen/ daß es von denen/ welche ge- uͤbte ſinne haben/ alles zu unterſcheiden/ mit guten nutzen geleſen werden mag. Wie ich dann den HErrn als den Vater des Liechts/ demuͤthig anruffe/ daß er in alle dero/ die

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/451>, abgerufen am 21.12.2024.