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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
glaubet, und deswegen auch zweifelhaftige reden lieber zum besten ausleget,
wo das gegentheil nicht ziemlich hell hervor leuchtet, sondern daß sie in sich
die jenige gründe fasset, daraus unwidersprechlich die reinigkeit der lehr in
diesem articul erkant werden kan und muß. Der HERR erhalte solche
reinigkeit allezeit in allen stücken unter uns, und lasse auch deroselben früchten
reichlich gebracht werden zu seinem preiß.

SECTIO XX.
Wegen Steph. Praetorii und Mart. Statii
schatz-kammer. Wegen einer zurückgegangenen
vocation.

ES betraf die anfrage sonderlich Stephani Praetorii schrifften, weil
ich nun den mann ziemlich fleißig gelesen, so setze hierbey meine ge-
dancken von ihm offenhertzig. 1. Halte ich ihn vor einen seligen und
gottseligen mann, welcher ein hertzliches erkäntnüß unsers heils in CHristo
JESU, und dasselbige aus der heiligen schrifft und Luthero vortreflich ge-
fasset hatte. Wie er denn seiner zeit viel gutes ausgerichtet, und viele seelen
zu der glaubigen erkäntnüß GOTTes gebracht haben solle, daß man auch
noch vor nicht langer zeit zu Saltzwedel, da er gelehret, an der gemeinde und
dero vor vielen anderen besserer bewandnüß, ein zeugnüß des göttlichen zu sei-
nem amt gegebenen segens gehabt haben solle. 2. Wird er von unterschied-
lichen Theologis etzlicher lehren beschuldiget, dero er wahrhaftig unschul-
dig ist, und solche gute leute ihn nicht mit fleiß gelesen, sondern etwa einige
stellen, wo er sich nicht zur gnüge und völlig erkläret, eingesehen, solche aber
in ungleichem verstand müssen angenommen haben, da er sich sonsten
anderwertlich orthodoxe erkläret. Wie ich dann selbs dergleichen exem-
pel wahr genommen habe, wo ihn ein vornehmer Theologus in einem
öffentlichen scripto einiger lehr beschuldiget, die gewißlich nicht sein, a-
ber die seinige so bewandt ist, daß ich mich versichere, wo der vornehme
mann dieselbe solte recht, wie sie von ihm gemeint, erkannt haben, er
würde selbs haben bekennen müssen, es seye Pauli und Lutheri lehr, und
werde von ihm selbs auch nicht geleugnet. 3. Jsts gleichwol nicht ohn,
daß in seinen schrifften sich unterschiedliches findet, das nicht eben zu loben ist,
nicht nur allein in einer leichtgläubigkeit, als da er die Sibyllinischen
schrifften (worinnen zwar auch einige väter ihm ziemlich vorgegangen) zu
hoch erhebet, und meinet, daß Paulus einiges daraus genommen; Da
er die epistel an die Laodiceer solchem apostel zuschreibet, eines edelknaben

ge-

Das ſiebende Capitel.
glaubet, und deswegen auch zweifelhaftige reden lieber zum beſten ausleget,
wo das gegentheil nicht ziemlich hell hervor leuchtet, ſondern daß ſie in ſich
die jenige gruͤnde faſſet, daraus unwiderſprechlich die reinigkeit der lehr in
dieſem articul erkant werden kan und muß. Der HERR erhalte ſolche
reinigkeit allezeit in allen ſtuͤcken unter uns, und laſſe auch deroſelben fruͤchten
reichlich gebracht werden zu ſeinem preiß.

SECTIO XX.
Wegen Steph. Prætorii und Mart. Statii
ſchatz-kammer. Wegen einer zuruͤckgegangenen
vocation.

ES betraf die anfrage ſonderlich Stephani Prætorii ſchrifften, weil
ich nun den mann ziemlich fleißig geleſen, ſo ſetze hierbey meine ge-
dancken von ihm offenhertzig. 1. Halte ich ihn vor einen ſeligen und
gottſeligen mann, welcher ein hertzliches erkaͤntnuͤß unſers heils in CHriſto
JESU, und daſſelbige aus der heiligen ſchrifft und Luthero vortreflich ge-
faſſet hatte. Wie er denn ſeiner zeit viel gutes ausgerichtet, und viele ſeelen
zu der glaubigen erkaͤntnuͤß GOTTes gebracht haben ſolle, daß man auch
noch vor nicht langer zeit zu Saltzwedel, da er gelehret, an der gemeinde und
dero vor vielen anderen beſſerer bewandnuͤß, ein zeugnuͤß des goͤttlichen zu ſei-
nem amt gegebenen ſegens gehabt haben ſolle. 2. Wird er von unterſchied-
lichen Theologis etzlicher lehren beſchuldiget, dero er wahrhaftig unſchul-
dig iſt, und ſolche gute leute ihn nicht mit fleiß geleſen, ſondern etwa einige
ſtellen, wo er ſich nicht zur gnuͤge und voͤllig erklaͤret, eingeſehen, ſolche aber
in ungleichem verſtand muͤſſen angenommen haben, da er ſich ſonſten
anderwertlich orthodoxe erklaͤret. Wie ich dann ſelbs dergleichen exem-
pel wahr genommen habe, wo ihn ein vornehmer Theologus in einem
oͤffentlichen ſcripto einiger lehr beſchuldiget, die gewißlich nicht ſein, a-
ber die ſeinige ſo bewandt iſt, daß ich mich verſichere, wo der vornehme
mann dieſelbe ſolte recht, wie ſie von ihm gemeint, erkannt haben, er
wuͤrde ſelbs haben bekennen muͤſſen, es ſeye Pauli und Lutheri lehr, und
werde von ihm ſelbs auch nicht geleugnet. 3. Jſts gleichwol nicht ohn,
daß in ſeinen ſchrifften ſich unterſchiedliches findet, das nicht eben zu loben iſt,
nicht nur allein in einer leichtglaͤubigkeit, als da er die Sibylliniſchen
ſchrifften (worinnen zwar auch einige vaͤter ihm ziemlich vorgegangen) zu
hoch erhebet, und meinet, daß Paulus einiges daraus genommen; Da
er die epiſtel an die Laodiceer ſolchem apoſtel zuſchreibet, eines edelknaben

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/120>, abgerufen am 21.11.2024.