Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

Bild:
<< vorherige Seite
Das sechste Capitel.
SECTIO XXXIV.

Von besserung der kirchen. Nichts zuübereylen.
Keine eigne ehr zu suchen. Wie der
Doctorum Academico-
rum
freundschafft zu erhalten. Ob ein synodus practicabel
oder nutzlich? Was von Consistoriis zuerwarten? Kirchen
buß. Fleiß die jugend zu erhalten. Ob eine
conformitet
in ceremonialibus
einzuführen? Ob und wie die Qua-
cker zu entschuldigen? Ob der teuffel
per enthusiasmos
ein liecht anzünde? Ob und wie auff die predigten
zu
studiren.

OB ich wohl sonsten selten ein ankommendes schreiben so bald zu beantwor-
ten vermag/ hat mich doch alles/ was ich sonsten hätte mögen zuthun haben/
nichts aufhalten sollen/ daß nicht also bald die sonderbarste aus verlesung des
neulichen geschöpffte freude bezeugte. Jch dancke meinem GOTT hertzlich/ der
mich daraus sonderlich dieses mit inniglichem vergnügen erkennen lassen/ daß wir
in den meisten und vornehmsten stücken gleich gesinnet seyen. Wir erkennen bey-
derseits/ daß sich schwehre fehler finden; wir sind auch darinnen wohl einig/ daß
man der sache müsse nach vermögen suchen zu helffen/ und nicht aus verzweiffelung
der besserung alles gehen lassen/ wie es gehe: non reliquendum esse aegrotum
prognosticis solis.
Jn diesen beyden stücken zweiffele ich nicht/ das Ew. Hoch
Ehrw. selbs werden bißher gesehen haben/ daß wir beyde einstimmig seyen/ jetzo ha-
be noch weiter zu bezeugen/ daß ich nicht weniger auch in den andern bedeuteten
puncten gleiche gedancken führe.

1. Jn der besserung müsse einmahl behutsam verfahren werden. Lang-
sam ist besser als übereilet. Und läßt sich was durch allzuträge langsamkeit ver-
säumet/ noch besser einbringen/ als das jenige/ so mit übereilen verdorben/ wiede-
rum verbesseren. Minimo motu maxima quaeque peragenda, war lange
mein principium. Man kan doch nicht genug hüten/ wo eine sache ein wenig an-
gefangen ist/ daß es nicht anfange auch wider unseren willen strenger fortzugehen/
wo man daß übereilen kaum genug verhüten oder hindern kan: Und finden sich
gleich/ ob man auf das allerbehutsamste gehet/ solche leuthe/ die allem gutem
aus des satans trieb gründlich zu wider sind/ die so bald unruhig werden/ und also
durch ihren gegenstand gleich verursachen/ daß es nicht mehr so langsam fortgehen
kan/ sondern von jenen getrieben wird. Als ich mein armes scriptum/ die pia

de-
Das ſechſte Capitel.
SECTIO XXXIV.

Von beſſerung der kirchen. Nichts zuuͤbereylen.
Keine eigne ehr zu ſuchen. Wie der
Doctorum Academico-
rum
freundſchafft zu erhalten. Ob ein ſynodus practicabel
oder nutzlich? Was von Conſiſtoriis zuerwarten? Kirchen
buß. Fleiß die jugend zu erhalten. Ob eine
conformitet
in ceremonialibus
einzufuͤhren? Ob und wie die Qua-
cker zu entſchuldigen? Ob der teuffel
per enthuſiasmos
ein liecht anzuͤnde? Ob und wie auff die predigten
zu
ſtudiren.

OB ich wohl ſonſten ſelten ein ankommendes ſchreiben ſo bald zu beantwor-
ten vermag/ hat mich doch alles/ was ich ſonſten haͤtte moͤgen zuthun haben/
nichts aufhalten ſollen/ daß nicht alſo bald die ſonderbarſte aus verleſung des
neulichen geſchoͤpffte freude bezeugte. Jch dancke meinem GOTT hertzlich/ der
mich daraus ſonderlich dieſes mit inniglichem vergnuͤgen erkennen laſſen/ daß wir
in den meiſten und vornehmſten ſtuͤcken gleich geſinnet ſeyen. Wir erkennen bey-
derſeits/ daß ſich ſchwehre fehler finden; wir ſind auch darinnen wohl einig/ daß
man der ſache muͤſſe nach vermoͤgen ſuchen zu helffen/ und nicht aus verzweiffelung
der beſſerung alles gehen laſſen/ wie es gehe: non reliquendum eſſe ægrotum
prognoſticis ſolis.
Jn dieſen beyden ſtuͤcken zweiffele ich nicht/ das Ew. Hoch
Ehrw. ſelbs werden bißher geſehen haben/ daß wir beyde einſtimmig ſeyen/ jetzo ha-
be noch weiter zu bezeugen/ daß ich nicht weniger auch in den andern bedeuteten
puncten gleiche gedancken fuͤhre.

1. Jn der beſſerung muͤſſe einmahl behutſam verfahren werden. Lang-
ſam iſt beſſer als uͤbereilet. Und laͤßt ſich was durch allzutraͤge langſamkeit ver-
ſaͤumet/ noch beſſer einbringen/ als das jenige/ ſo mit uͤbereilen verdorben/ wiede-
rum verbeſſeren. Minimo motu maxima quæque peragenda, war lange
mein principium. Man kan doch nicht genug huͤten/ wo eine ſache ein wenig an-
gefangen iſt/ daß es nicht anfange auch wider unſeren willen ſtrenger fortzugehen/
wo man daß uͤbereilen kaum genug verhuͤten oder hindern kan: Und finden ſich
gleich/ ob man auf das allerbehutſamſte gehet/ ſolche leuthe/ die allem gutem
aus des ſatans trieb gruͤndlich zu wider ſind/ die ſo bald unruhig werden/ und alſo
durch ihren gegenſtand gleich verurſachen/ daß es nicht mehr ſo langſam fortgehen
kan/ ſondern von jenen getrieben wird. Als ich mein armes ſcriptum/ die pia

de-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0482" n="464"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das &#x017F;ech&#x017F;te Capitel.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO</hi> XXXIV.</hi> </head><lb/>
            <argument>
              <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#in">V</hi>on be&#x017F;&#x017F;erung der kirchen. <hi rendition="#in">N</hi>ichts zuu&#x0364;bereylen.<lb/>
Keine eigne ehr zu &#x017F;uchen. Wie der</hi> <hi rendition="#aq">Doctorum Academico-<lb/>
rum</hi> <hi rendition="#fr">freund&#x017F;chafft zu erhalten. Ob ein</hi> <hi rendition="#aq">&#x017F;ynodus practicabel</hi><lb/> <hi rendition="#fr">oder nutzlich? Was von</hi> <hi rendition="#aq">Con&#x017F;i&#x017F;toriis</hi> <hi rendition="#fr">zuerwarten? Kirchen<lb/>
buß. Fleiß die jugend zu erhalten. Ob eine</hi> <hi rendition="#aq">conformitet<lb/>
in ceremonialibus</hi> <hi rendition="#fr">einzufu&#x0364;hren? Ob und wie die Qua-<lb/>
cker zu ent&#x017F;chuldigen? Ob der teuffel</hi> <hi rendition="#aq">per enthu&#x017F;iasmos</hi><lb/> <hi rendition="#fr">ein liecht anzu&#x0364;nde? Ob und wie auff die predigten<lb/>
zu</hi> <hi rendition="#aq">&#x017F;tudi</hi> <hi rendition="#fr">ren.</hi> </hi> </p>
            </argument><lb/>
            <p><hi rendition="#in">O</hi>B ich wohl &#x017F;on&#x017F;ten &#x017F;elten ein ankommendes &#x017F;chreiben &#x017F;o bald zu beantwor-<lb/>
ten vermag/ hat mich doch alles/ was ich &#x017F;on&#x017F;ten ha&#x0364;tte mo&#x0364;gen zuthun haben/<lb/>
nichts aufhalten &#x017F;ollen/ daß nicht al&#x017F;o bald die &#x017F;onderbar&#x017F;te aus verle&#x017F;ung des<lb/>
neulichen ge&#x017F;cho&#x0364;pffte freude bezeugte. Jch dancke meinem GOTT hertzlich/ der<lb/>
mich daraus &#x017F;onderlich die&#x017F;es mit inniglichem vergnu&#x0364;gen erkennen la&#x017F;&#x017F;en/ daß wir<lb/>
in den mei&#x017F;ten und vornehm&#x017F;ten &#x017F;tu&#x0364;cken gleich ge&#x017F;innet &#x017F;eyen. Wir erkennen bey-<lb/>
der&#x017F;eits/ daß &#x017F;ich &#x017F;chwehre fehler finden; wir &#x017F;ind auch darinnen wohl einig/ daß<lb/>
man der &#x017F;ache mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e nach vermo&#x0364;gen &#x017F;uchen zu helffen/ und nicht aus verzweiffelung<lb/>
der be&#x017F;&#x017F;erung alles gehen la&#x017F;&#x017F;en/ wie es gehe: <hi rendition="#aq">non reliquendum e&#x017F;&#x017F;e ægrotum<lb/>
progno&#x017F;ticis &#x017F;olis.</hi> Jn die&#x017F;en beyden &#x017F;tu&#x0364;cken zweiffele ich nicht/ das Ew. Hoch<lb/>
Ehrw. &#x017F;elbs werden bißher ge&#x017F;ehen haben/ daß wir beyde ein&#x017F;timmig &#x017F;eyen/ jetzo ha-<lb/>
be noch weiter zu bezeugen/ daß ich nicht weniger auch in den andern bedeuteten<lb/>
puncten gleiche gedancken fu&#x0364;hre.</p><lb/>
            <p>1. Jn der be&#x017F;&#x017F;erung mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e einmahl behut&#x017F;am verfahren werden. Lang-<lb/>
&#x017F;am i&#x017F;t be&#x017F;&#x017F;er als u&#x0364;bereilet. Und la&#x0364;ßt &#x017F;ich was durch allzutra&#x0364;ge lang&#x017F;amkeit ver-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;umet/ noch be&#x017F;&#x017F;er einbringen/ als das jenige/ &#x017F;o mit u&#x0364;bereilen verdorben/ wiede-<lb/>
rum verbe&#x017F;&#x017F;eren. <hi rendition="#aq">Minimo motu maxima quæque peragenda,</hi> war lange<lb/>
mein <hi rendition="#aq">principium.</hi> Man kan doch nicht genug hu&#x0364;ten/ wo eine &#x017F;ache ein wenig an-<lb/>
gefangen i&#x017F;t/ daß es nicht anfange auch wider un&#x017F;eren willen &#x017F;trenger fortzugehen/<lb/>
wo man daß u&#x0364;bereilen kaum genug verhu&#x0364;ten oder hindern kan: Und finden &#x017F;ich<lb/>
gleich/ ob man auf das allerbehut&#x017F;am&#x017F;te gehet/ &#x017F;olche leuthe/ die allem gutem<lb/>
aus des &#x017F;atans trieb gru&#x0364;ndlich zu wider &#x017F;ind/ die &#x017F;o bald unruhig werden/ und al&#x017F;o<lb/>
durch ihren gegen&#x017F;tand gleich verur&#x017F;achen/ daß es nicht mehr &#x017F;o lang&#x017F;am fortgehen<lb/>
kan/ &#x017F;ondern von jenen getrieben wird. Als ich mein armes <hi rendition="#aq">&#x017F;criptum</hi>/ die <hi rendition="#aq">pia</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">de-</hi></fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[464/0482] Das ſechſte Capitel. SECTIO XXXIV. Von beſſerung der kirchen. Nichts zuuͤbereylen. Keine eigne ehr zu ſuchen. Wie der Doctorum Academico- rum freundſchafft zu erhalten. Ob ein ſynodus practicabel oder nutzlich? Was von Conſiſtoriis zuerwarten? Kirchen buß. Fleiß die jugend zu erhalten. Ob eine conformitet in ceremonialibus einzufuͤhren? Ob und wie die Qua- cker zu entſchuldigen? Ob der teuffel per enthuſiasmos ein liecht anzuͤnde? Ob und wie auff die predigten zu ſtudiren. OB ich wohl ſonſten ſelten ein ankommendes ſchreiben ſo bald zu beantwor- ten vermag/ hat mich doch alles/ was ich ſonſten haͤtte moͤgen zuthun haben/ nichts aufhalten ſollen/ daß nicht alſo bald die ſonderbarſte aus verleſung des neulichen geſchoͤpffte freude bezeugte. Jch dancke meinem GOTT hertzlich/ der mich daraus ſonderlich dieſes mit inniglichem vergnuͤgen erkennen laſſen/ daß wir in den meiſten und vornehmſten ſtuͤcken gleich geſinnet ſeyen. Wir erkennen bey- derſeits/ daß ſich ſchwehre fehler finden; wir ſind auch darinnen wohl einig/ daß man der ſache muͤſſe nach vermoͤgen ſuchen zu helffen/ und nicht aus verzweiffelung der beſſerung alles gehen laſſen/ wie es gehe: non reliquendum eſſe ægrotum prognoſticis ſolis. Jn dieſen beyden ſtuͤcken zweiffele ich nicht/ das Ew. Hoch Ehrw. ſelbs werden bißher geſehen haben/ daß wir beyde einſtimmig ſeyen/ jetzo ha- be noch weiter zu bezeugen/ daß ich nicht weniger auch in den andern bedeuteten puncten gleiche gedancken fuͤhre. 1. Jn der beſſerung muͤſſe einmahl behutſam verfahren werden. Lang- ſam iſt beſſer als uͤbereilet. Und laͤßt ſich was durch allzutraͤge langſamkeit ver- ſaͤumet/ noch beſſer einbringen/ als das jenige/ ſo mit uͤbereilen verdorben/ wiede- rum verbeſſeren. Minimo motu maxima quæque peragenda, war lange mein principium. Man kan doch nicht genug huͤten/ wo eine ſache ein wenig an- gefangen iſt/ daß es nicht anfange auch wider unſeren willen ſtrenger fortzugehen/ wo man daß uͤbereilen kaum genug verhuͤten oder hindern kan: Und finden ſich gleich/ ob man auf das allerbehutſamſte gehet/ ſolche leuthe/ die allem gutem aus des ſatans trieb gruͤndlich zu wider ſind/ die ſo bald unruhig werden/ und alſo durch ihren gegenſtand gleich verurſachen/ daß es nicht mehr ſo langſam fortgehen kan/ ſondern von jenen getrieben wird. Als ich mein armes ſcriptum/ die pia de-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/482
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/482>, abgerufen am 21.12.2024.