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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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wie alle seine Mitbürger, die es bey den letzten Unru¬
hen in Rom unter dem Triumvirat thätig genug ge¬
zeigt hatten; er war ein erklärter Feind der Despotie.
August selbst, dem die römische Schmeicheley schänd¬
licher Weise einen so schönen Namen gab, nannte
ihn mit einer sehr feinen Tyrannenmässigung nur ei¬
nen Pompejaner. Die Familie der Cäsarn war nun
Meister; man kennt die Folge der erbaulichen Sub¬
jekte derselben, die schon schlimm genug waren, wenn
sie auch nur halb so schlecht waren, als sie in der
Geschichte stehen. Du findest doch wohl begreiflich,
dass die Cäsarn nicht absichtlich ein Werk, wie die
Geschichte des Livius war, zu Lichte werden geför¬
dert haben. Es wird mir sogar aus einigen Stellen des
Tacitus sehr wahrscheinlich, dass man alles gethan
hat sie zu unterdrücken; wenigstens die Stellen, wo
der aristokratisch römische Geist überhaupt und die
Tyranney der Cäsarischen Familie insbesondere mit
sehr grellen Farben gezeichnet seyn musste. Dieses
waren vorzüglich der Sklavenkrieg und das Ende der
Bürgerkriege. Es war überhaupt ein weitläufiges
Werk, und nicht jeder war im Stande sich dasselbe
kopieren zu lassen. Alle fanden es also wahrschein¬
lich genug ihrer Sicherheit und ihrem Interesse ge¬
mäss, die Stellen nicht bey sich zu haben, die ihnen
von dem Argwohn und der Grausamkeit ihrer Herr¬
scher leicht die blutigste Ahndung zuziehen konnten.
Auf diese Weise ist das Schätzbarste von Livius im ei¬
gentlichen Sinne nicht sowohl verloren gegangen als
vernichtet worden: und als man anfing ihn ins Ara¬
bische zu übersetzen, war er vermuthlich schon so

wie alle seine Mitbürger, die es bey den letzten Unru¬
hen in Rom unter dem Triumvirat thätig genug ge¬
zeigt hatten; er war ein erklärter Feind der Despotie.
August selbst, dem die römische Schmeicheley schänd¬
licher Weise einen so schönen Namen gab, nannte
ihn mit einer sehr feinen Tyrannenmäſsigung nur ei¬
nen Pompejaner. Die Familie der Cäsarn war nun
Meister; man kennt die Folge der erbaulichen Sub¬
jekte derselben, die schon schlimm genug waren, wenn
sie auch nur halb so schlecht waren, als sie in der
Geschichte stehen. Du findest doch wohl begreiflich,
daſs die Cäsarn nicht absichtlich ein Werk, wie die
Geschichte des Livius war, zu Lichte werden geför¬
dert haben. Es wird mir sogar aus einigen Stellen des
Tacitus sehr wahrscheinlich, daſs man alles gethan
hat sie zu unterdrücken; wenigstens die Stellen, wo
der aristokratisch römische Geist überhaupt und die
Tyranney der Cäsarischen Familie insbesondere mit
sehr grellen Farben gezeichnet seyn muſste. Dieses
waren vorzüglich der Sklavenkrieg und das Ende der
Bürgerkriege. Es war überhaupt ein weitläufiges
Werk, und nicht jeder war im Stande sich dasselbe
kopieren zu lassen. Alle fanden es also wahrschein¬
lich genug ihrer Sicherheit und ihrem Interesse ge¬
mäſs, die Stellen nicht bey sich zu haben, die ihnen
von dem Argwohn und der Grausamkeit ihrer Herr¬
scher leicht die blutigste Ahndung zuziehen konnten.
Auf diese Weise ist das Schätzbarste von Livius im ei¬
gentlichen Sinne nicht sowohl verloren gegangen als
vernichtet worden: und als man anfing ihn ins Ara¬
bische zu übersetzen, war er vermuthlich schon so

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[108/0134] wie alle seine Mitbürger, die es bey den letzten Unru¬ hen in Rom unter dem Triumvirat thätig genug ge¬ zeigt hatten; er war ein erklärter Feind der Despotie. August selbst, dem die römische Schmeicheley schänd¬ licher Weise einen so schönen Namen gab, nannte ihn mit einer sehr feinen Tyrannenmäſsigung nur ei¬ nen Pompejaner. Die Familie der Cäsarn war nun Meister; man kennt die Folge der erbaulichen Sub¬ jekte derselben, die schon schlimm genug waren, wenn sie auch nur halb so schlecht waren, als sie in der Geschichte stehen. Du findest doch wohl begreiflich, daſs die Cäsarn nicht absichtlich ein Werk, wie die Geschichte des Livius war, zu Lichte werden geför¬ dert haben. Es wird mir sogar aus einigen Stellen des Tacitus sehr wahrscheinlich, daſs man alles gethan hat sie zu unterdrücken; wenigstens die Stellen, wo der aristokratisch römische Geist überhaupt und die Tyranney der Cäsarischen Familie insbesondere mit sehr grellen Farben gezeichnet seyn muſste. Dieses waren vorzüglich der Sklavenkrieg und das Ende der Bürgerkriege. Es war überhaupt ein weitläufiges Werk, und nicht jeder war im Stande sich dasselbe kopieren zu lassen. Alle fanden es also wahrschein¬ lich genug ihrer Sicherheit und ihrem Interesse ge¬ mäſs, die Stellen nicht bey sich zu haben, die ihnen von dem Argwohn und der Grausamkeit ihrer Herr¬ scher leicht die blutigste Ahndung zuziehen konnten. Auf diese Weise ist das Schätzbarste von Livius im ei¬ gentlichen Sinne nicht sowohl verloren gegangen als vernichtet worden: und als man anfing ihn ins Ara¬ bische zu übersetzen, war er vermuthlich schon so

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/134>, abgerufen am 26.04.2024.