Zweite Abtheilung. Bleibende Gewebe des thierischen Körpers.
Hat uns die vorige Untersuchung gelehrt, dass das ganze Eichen von seiner Entstehung bis zu dem Zeitpunkt, wo durch die Ausbildung des serösen und Schleimblattes der Keimhaut die Grundlage aller späteren Gewebe gege- ben ist, nur eine beständige Bildung und Weiterentwick- lung von Zellen zeigt, haben wir diese gemeinsame Grundlage aller Gewebe selbst aus Zellen zusammenge- setzt gefunden: so kommt es nun darauf an, nachzuwei- sen, dass nicht nur in dieser Allgemeinheit die Gewebe aus Zellen entstehen, sondern dass die specielle Grundlage jedes einzelnen Gewebes aus Zellen zusammengesetzt wird, und alle Gewebe entweder bloss aus Zellen bestehen, oder durch manchfache Umwandlungen, welche die Zellen er- leiden, sich aus solchen hervorbilden. Diese Modifikatio- nen, welche die Zellen bei ihrer weitern Entwicklung zu den späteren Geweben zum Theil erleiden, sind sehr we- sentlich, so dass nicht selten dadurch die Zellen als ge- trennte selbstständige Gebilde zu existiren aufhören. Wir haben solche Veränderungen schon in der Einleitung bei den Pflanzen gesehen, z. B. an der von Schleiden beobachteten Verschmelzung der Zellenwände in der Rinde der Cacteen, an der Verschmelzung mehrerer Zellen zu einer Röhre bei den Spiral- und Milchsaftgefässen. In weit höherem Grade kommt diess bei den Thieren vor, und überhaupt verliert sich die Selbstständigkeit der Zellen um so mehr, je höher die Dignität eines Gewebes ist. Wir wollen diese Modifikationen aber hier nicht im Voraus aufzählen, sondern sie als Resultat der Beobachtung an den einzel-
Zweite Abtheilung. Bleibende Gewebe des thierischen Körpers.
Hat uns die vorige Untersuchung gelehrt, daſs das ganze Eichen von seiner Entstehung bis zu dem Zeitpunkt, wo durch die Ausbildung des serösen und Schleimblattes der Keimhaut die Grundlage aller späteren Gewebe gege- ben ist, nur eine beständige Bildung und Weiterentwick- lung von Zellen zeigt, haben wir diese gemeinsame Grundlage aller Gewebe selbst aus Zellen zusammenge- setzt gefunden: so kommt es nun darauf an, nachzuwei- sen, daſs nicht nur in dieser Allgemeinheit die Gewebe aus Zellen entstehen, sondern daſs die specielle Grundlage jedes einzelnen Gewebes aus Zellen zusammengesetzt wird, und alle Gewebe entweder bloſs aus Zellen bestehen, oder durch manchfache Umwandlungen, welche die Zellen er- leiden, sich aus solchen hervorbilden. Diese Modifikatio- nen, welche die Zellen bei ihrer weitern Entwicklung zu den späteren Geweben zum Theil erleiden, sind sehr we- sentlich, so daſs nicht selten dadurch die Zellen als ge- trennte selbstständige Gebilde zu existiren aufhören. Wir haben solche Veränderungen schon in der Einleitung bei den Pflanzen gesehen, z. B. an der von Schleiden beobachteten Verschmelzung der Zellenwände in der Rinde der Cacteen, an der Verschmelzung mehrerer Zellen zu einer Röhre bei den Spiral- und Milchsaftgefäſsen. In weit höherem Grade kommt dieſs bei den Thieren vor, und überhaupt verliert sich die Selbstständigkeit der Zellen um so mehr, je höher die Dignität eines Gewebes ist. Wir wollen diese Modifikationen aber hier nicht im Voraus aufzählen, sondern sie als Resultat der Beobachtung an den einzel-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0095"n="71"/><divn="2"><head><hirendition="#g">Zweite Abtheilung.<lb/>
Bleibende Gewebe des thierischen Körpers</hi>.</head><lb/><p>Hat uns die vorige Untersuchung gelehrt, daſs das<lb/>
ganze Eichen von seiner Entstehung bis zu dem Zeitpunkt,<lb/>
wo durch die Ausbildung des serösen und Schleimblattes<lb/>
der Keimhaut die Grundlage aller späteren Gewebe gege-<lb/>
ben ist, nur eine beständige Bildung und Weiterentwick-<lb/>
lung von Zellen zeigt, haben wir diese gemeinsame<lb/>
Grundlage aller Gewebe selbst aus Zellen zusammenge-<lb/>
setzt gefunden: so kommt es nun darauf an, nachzuwei-<lb/>
sen, daſs nicht nur in dieser Allgemeinheit die Gewebe<lb/>
aus Zellen entstehen, sondern daſs die specielle Grundlage<lb/>
jedes einzelnen Gewebes aus Zellen zusammengesetzt wird,<lb/>
und alle Gewebe entweder bloſs aus Zellen bestehen, oder<lb/>
durch manchfache Umwandlungen, welche die Zellen er-<lb/>
leiden, sich aus solchen hervorbilden. Diese Modifikatio-<lb/>
nen, welche die Zellen bei ihrer weitern Entwicklung zu<lb/>
den späteren Geweben zum Theil erleiden, sind sehr we-<lb/>
sentlich, so daſs nicht selten dadurch die Zellen als ge-<lb/>
trennte selbstständige Gebilde zu existiren aufhören. Wir<lb/>
haben solche Veränderungen schon in der Einleitung bei den<lb/>
Pflanzen gesehen, z. B. an der von <hirendition="#g">Schleiden</hi> beobachteten<lb/>
Verschmelzung der Zellenwände in der Rinde der Cacteen,<lb/>
an der Verschmelzung mehrerer Zellen zu einer Röhre<lb/>
bei den Spiral- und Milchsaftgefäſsen. In weit höherem<lb/>
Grade kommt dieſs bei den Thieren vor, und überhaupt<lb/>
verliert sich die Selbstständigkeit der Zellen um so mehr,<lb/>
je höher die Dignität eines Gewebes ist. Wir wollen<lb/>
diese Modifikationen aber hier nicht im Voraus aufzählen,<lb/>
sondern sie als Resultat der Beobachtung an den einzel-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[71/0095]
Zweite Abtheilung.
Bleibende Gewebe des thierischen Körpers.
Hat uns die vorige Untersuchung gelehrt, daſs das
ganze Eichen von seiner Entstehung bis zu dem Zeitpunkt,
wo durch die Ausbildung des serösen und Schleimblattes
der Keimhaut die Grundlage aller späteren Gewebe gege-
ben ist, nur eine beständige Bildung und Weiterentwick-
lung von Zellen zeigt, haben wir diese gemeinsame
Grundlage aller Gewebe selbst aus Zellen zusammenge-
setzt gefunden: so kommt es nun darauf an, nachzuwei-
sen, daſs nicht nur in dieser Allgemeinheit die Gewebe
aus Zellen entstehen, sondern daſs die specielle Grundlage
jedes einzelnen Gewebes aus Zellen zusammengesetzt wird,
und alle Gewebe entweder bloſs aus Zellen bestehen, oder
durch manchfache Umwandlungen, welche die Zellen er-
leiden, sich aus solchen hervorbilden. Diese Modifikatio-
nen, welche die Zellen bei ihrer weitern Entwicklung zu
den späteren Geweben zum Theil erleiden, sind sehr we-
sentlich, so daſs nicht selten dadurch die Zellen als ge-
trennte selbstständige Gebilde zu existiren aufhören. Wir
haben solche Veränderungen schon in der Einleitung bei den
Pflanzen gesehen, z. B. an der von Schleiden beobachteten
Verschmelzung der Zellenwände in der Rinde der Cacteen,
an der Verschmelzung mehrerer Zellen zu einer Röhre
bei den Spiral- und Milchsaftgefäſsen. In weit höherem
Grade kommt dieſs bei den Thieren vor, und überhaupt
verliert sich die Selbstständigkeit der Zellen um so mehr,
je höher die Dignität eines Gewebes ist. Wir wollen
diese Modifikationen aber hier nicht im Voraus aufzählen,
sondern sie als Resultat der Beobachtung an den einzel-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/95>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.