Die übrigen Knaben nun machten sich, als sie die Haut erblickten, auf die Flucht. Theseus aber ging ohne Furcht hinaus, nahm einem der Diener eine Axt aus der Hand und rannte damit auf die Haut los, die er für einen wirklichen Löwen hielt. Seit diesem Besuche des Herku¬ les träumte Theseus voll Bewunderung des Nachts von seinen Thaten und am Tage sann er auf nichts anderes, als wie er dereinst Aehnliches unternehmen wollte. Auch waren sie blutsverwandt, denn ihre Mütter waren Kin¬ der von Geschwistern. So konnte jetzt der sechszehn¬ jährige Theseus den Gedanken nicht ertragen, daß wäh¬ rend sein Vetter überall die Frevler aufsuche und Land und Meer von ihnen reinige, er die sich ihm darbieten¬ den Kämpfe fliehen sollte. "Was würde," sprach er un¬ willig, "der Gott, den man meinen Vater nennt, von die¬ ser feigen Reise im sichern Schooße seiner Gewässer den¬ ken, was würde mein wahrer Vater sagen, wenn ich ihm als Kennzeichen Schuhe ohne Staub und ein Schwerdt ohne Blut brächte?" Diese Worte gefielen seinem Gro߬ vater, der auch ein tapferer Held gewesen war. Die Mutter gab ihm ihren Segen und Theseus ging davon.
Seine Wanderung zum Vater.
Der Erste, der ihm in den Weg kam, war der Stra¬ ßenräuber Periphetes, dessen Waffe eine mit Eisen be¬ schlagene Keule war, von welcher er den Beinamen Keulenschwinger führte und mit der er die Wanderer zu Boden schmetterte.
Die übrigen Knaben nun machten ſich, als ſie die Haut erblickten, auf die Flucht. Theſeus aber ging ohne Furcht hinaus, nahm einem der Diener eine Axt aus der Hand und rannte damit auf die Haut los, die er für einen wirklichen Löwen hielt. Seit dieſem Beſuche des Herku¬ les träumte Theſeus voll Bewunderung des Nachts von ſeinen Thaten und am Tage ſann er auf nichts anderes, als wie er dereinſt Aehnliches unternehmen wollte. Auch waren ſie blutsverwandt, denn ihre Mütter waren Kin¬ der von Geſchwiſtern. So konnte jetzt der ſechszehn¬ jährige Theſeus den Gedanken nicht ertragen, daß wäh¬ rend ſein Vetter überall die Frevler aufſuche und Land und Meer von ihnen reinige, er die ſich ihm darbieten¬ den Kämpfe fliehen ſollte. „Was würde,“ ſprach er un¬ willig, „der Gott, den man meinen Vater nennt, von die¬ ſer feigen Reiſe im ſichern Schooße ſeiner Gewäſſer den¬ ken, was würde mein wahrer Vater ſagen, wenn ich ihm als Kennzeichen Schuhe ohne Staub und ein Schwerdt ohne Blut brächte?“ Dieſe Worte gefielen ſeinem Gro߬ vater, der auch ein tapferer Held geweſen war. Die Mutter gab ihm ihren Segen und Theſeus ging davon.
Seine Wanderung zum Vater.
Der Erſte, der ihm in den Weg kam, war der Stra¬ ßenräuber Periphetes, deſſen Waffe eine mit Eiſen be¬ ſchlagene Keule war, von welcher er den Beinamen Keulenſchwinger führte und mit der er die Wanderer zu Boden ſchmetterte.
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Die übrigen Knaben nun machten ſich, als ſie die Haut
erblickten, auf die Flucht. Theſeus aber ging ohne Furcht
hinaus, nahm einem der Diener eine Axt aus der Hand
und rannte damit auf die Haut los, die er für einen
wirklichen Löwen hielt. Seit dieſem Beſuche des Herku¬
les träumte Theſeus voll Bewunderung des Nachts von
ſeinen Thaten und am Tage ſann er auf nichts anderes,
als wie er dereinſt Aehnliches unternehmen wollte. Auch
waren ſie blutsverwandt, denn ihre Mütter waren Kin¬
der von Geſchwiſtern. So konnte jetzt der ſechszehn¬
jährige Theſeus den Gedanken nicht ertragen, daß wäh¬
rend ſein Vetter überall die Frevler aufſuche und Land
und Meer von ihnen reinige, er die ſich ihm darbieten¬
den Kämpfe fliehen ſollte. „Was würde,“ ſprach er un¬
willig, „der Gott, den man meinen Vater nennt, von die¬
ſer feigen Reiſe im ſichern Schooße ſeiner Gewäſſer den¬
ken, was würde mein wahrer Vater ſagen, wenn ich ihm
als Kennzeichen Schuhe ohne Staub und ein Schwerdt
ohne Blut brächte?“ Dieſe Worte gefielen ſeinem Gro߬
vater, der auch ein tapferer Held geweſen war. Die
Mutter gab ihm ihren Segen und Theſeus ging davon.
Seine Wanderung zum Vater.
Der Erſte, der ihm in den Weg kam, war der Stra¬
ßenräuber Periphetes, deſſen Waffe eine mit Eiſen be¬
ſchlagene Keule war, von welcher er den Beinamen
Keulenſchwinger führte und mit der er die Wanderer zu
Boden ſchmetterte.
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/306>, abgerufen am 17.11.2024.
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