Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite
Pelops.

So schwer der Vater an den Göttern sich versün¬
digt hatte, so fromm ehrte sie sein Sohn Pelops. Er
war nach der Verbannung seines Vaters in die Unter¬
welt in einem Kriege mit dem benachbarten Könige
Troja's aus seinem phrygischen Reiche vertrieben worden,
und wanderte nach Griechenland aus. Eben erst beklei¬
dete sich das Kinn des Jünglings mit schwärzlicher
Wolle, aber schon hatte er sich im Herzen eine Gattin
ausersehen. Es war dieß die schöne Tochter des Königes
von Elis, Oenomaus, mit Namen Hippodamia. Sie war
ein Kampfpreis, der nicht leicht zu erringen war. Das
Orakel hatte nämlich ihrem Vater vorhergesagt, er werde
sterben, wenn seine Tochter einen Gatten erhielte. De߬
wegen wandte der erschrockene König alles an, um jeden
Freier von ihr zu entfernen. Er ließ eine Verkündigung
in alle Lande hinausgehen, daß derjenige seine Tochter
zur Gemahlin erhalten sollte, der ihn selbst im Wagen¬
rennen überwinden würde. Wen aber er, der König,
besiegte, der sollte sein Leben lassen. Der Wettlauf ge¬
schah von Pisa aus, nach dem Altare des Neptunus auf der
Meerenge bei Corinth, und die Zeit zur Abfahrt der Wagen
bestimmte er also: Er selbst wollte erst gemächlich dem
Jupiter einen Widder opfern, während der Freier mit
dem vierspännigen Wagen ausführe; erst wenn er das
Opfer beendigt hätte, sollte Oenomaus den Lauf beginnen
und auf seinem von dem Wagenlenker Myrtilus ge¬
leiteten Wagen, mit einem Spieß in der Hand, den
Freier verfolgen. Gelänge es ihm, den vorauseilenden

Pelops.

So ſchwer der Vater an den Göttern ſich verſün¬
digt hatte, ſo fromm ehrte ſie ſein Sohn Pelops. Er
war nach der Verbannung ſeines Vaters in die Unter¬
welt in einem Kriege mit dem benachbarten Könige
Troja's aus ſeinem phrygiſchen Reiche vertrieben worden,
und wanderte nach Griechenland aus. Eben erſt beklei¬
dete ſich das Kinn des Jünglings mit ſchwärzlicher
Wolle, aber ſchon hatte er ſich im Herzen eine Gattin
auserſehen. Es war dieß die ſchöne Tochter des Königes
von Elis, Oenomaus, mit Namen Hippodamia. Sie war
ein Kampfpreis, der nicht leicht zu erringen war. Das
Orakel hatte nämlich ihrem Vater vorhergeſagt, er werde
ſterben, wenn ſeine Tochter einen Gatten erhielte. De߬
wegen wandte der erſchrockene König alles an, um jeden
Freier von ihr zu entfernen. Er ließ eine Verkündigung
in alle Lande hinausgehen, daß derjenige ſeine Tochter
zur Gemahlin erhalten ſollte, der ihn ſelbſt im Wagen¬
rennen überwinden würde. Wen aber er, der König,
beſiegte, der ſollte ſein Leben laſſen. Der Wettlauf ge¬
ſchah von Piſa aus, nach dem Altare des Neptunus auf der
Meerenge bei Corinth, und die Zeit zur Abfahrt der Wagen
beſtimmte er alſo: Er ſelbſt wollte erſt gemächlich dem
Jupiter einen Widder opfern, während der Freier mit
dem vierſpännigen Wagen ausführe; erſt wenn er das
Opfer beendigt hätte, ſollte Oenomaus den Lauf beginnen
und auf ſeinem von dem Wagenlenker Myrtilus ge¬
leiteten Wagen, mit einem Spieß in der Hand, den
Freier verfolgen. Gelänge es ihm, den vorauseilenden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0213" n="187"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b #g">Pelops.</hi><lb/>
          </head>
          <p>So &#x017F;chwer der Vater an den Göttern &#x017F;ich ver&#x017F;ün¬<lb/>
digt hatte, &#x017F;o fromm ehrte &#x017F;ie &#x017F;ein Sohn Pelops. Er<lb/>
war nach der Verbannung &#x017F;eines Vaters in die Unter¬<lb/>
welt in einem Kriege mit dem benachbarten Könige<lb/>
Troja's aus &#x017F;einem phrygi&#x017F;chen Reiche vertrieben worden,<lb/>
und wanderte nach Griechenland aus. Eben er&#x017F;t beklei¬<lb/>
dete &#x017F;ich das Kinn des Jünglings mit &#x017F;chwärzlicher<lb/>
Wolle, aber &#x017F;chon hatte er &#x017F;ich im Herzen eine Gattin<lb/>
auser&#x017F;ehen. Es war dieß die &#x017F;chöne Tochter des Königes<lb/>
von Elis, Oenomaus, mit Namen Hippodamia. Sie war<lb/>
ein Kampfpreis, der nicht leicht zu erringen war. Das<lb/>
Orakel hatte nämlich ihrem Vater vorherge&#x017F;agt, er werde<lb/>
&#x017F;terben, wenn &#x017F;eine Tochter einen Gatten erhielte. De߬<lb/>
wegen wandte der er&#x017F;chrockene König alles an, um jeden<lb/>
Freier von ihr zu entfernen. Er ließ eine Verkündigung<lb/>
in alle Lande hinausgehen, daß derjenige &#x017F;eine Tochter<lb/>
zur Gemahlin erhalten &#x017F;ollte, der ihn &#x017F;elb&#x017F;t im Wagen¬<lb/>
rennen überwinden würde. Wen aber er, der König,<lb/>
be&#x017F;iegte, der &#x017F;ollte &#x017F;ein Leben la&#x017F;&#x017F;en. Der Wettlauf ge¬<lb/>
&#x017F;chah von Pi&#x017F;a aus, nach dem Altare des Neptunus auf der<lb/>
Meerenge bei Corinth, und die Zeit zur Abfahrt der Wagen<lb/>
be&#x017F;timmte er al&#x017F;o: Er &#x017F;elb&#x017F;t wollte er&#x017F;t gemächlich dem<lb/>
Jupiter einen Widder opfern, während der Freier mit<lb/>
dem vier&#x017F;pännigen Wagen ausführe; er&#x017F;t wenn er das<lb/>
Opfer beendigt hätte, &#x017F;ollte Oenomaus den Lauf beginnen<lb/>
und auf &#x017F;einem von dem Wagenlenker Myrtilus ge¬<lb/>
leiteten Wagen, mit einem Spieß in der Hand, den<lb/>
Freier verfolgen. Gelänge es ihm, den vorauseilenden<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[187/0213] Pelops. So ſchwer der Vater an den Göttern ſich verſün¬ digt hatte, ſo fromm ehrte ſie ſein Sohn Pelops. Er war nach der Verbannung ſeines Vaters in die Unter¬ welt in einem Kriege mit dem benachbarten Könige Troja's aus ſeinem phrygiſchen Reiche vertrieben worden, und wanderte nach Griechenland aus. Eben erſt beklei¬ dete ſich das Kinn des Jünglings mit ſchwärzlicher Wolle, aber ſchon hatte er ſich im Herzen eine Gattin auserſehen. Es war dieß die ſchöne Tochter des Königes von Elis, Oenomaus, mit Namen Hippodamia. Sie war ein Kampfpreis, der nicht leicht zu erringen war. Das Orakel hatte nämlich ihrem Vater vorhergeſagt, er werde ſterben, wenn ſeine Tochter einen Gatten erhielte. De߬ wegen wandte der erſchrockene König alles an, um jeden Freier von ihr zu entfernen. Er ließ eine Verkündigung in alle Lande hinausgehen, daß derjenige ſeine Tochter zur Gemahlin erhalten ſollte, der ihn ſelbſt im Wagen¬ rennen überwinden würde. Wen aber er, der König, beſiegte, der ſollte ſein Leben laſſen. Der Wettlauf ge¬ ſchah von Piſa aus, nach dem Altare des Neptunus auf der Meerenge bei Corinth, und die Zeit zur Abfahrt der Wagen beſtimmte er alſo: Er ſelbſt wollte erſt gemächlich dem Jupiter einen Widder opfern, während der Freier mit dem vierſpännigen Wagen ausführe; erſt wenn er das Opfer beendigt hätte, ſollte Oenomaus den Lauf beginnen und auf ſeinem von dem Wagenlenker Myrtilus ge¬ leiteten Wagen, mit einem Spieß in der Hand, den Freier verfolgen. Gelänge es ihm, den vorauseilenden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/213
Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/213>, abgerufen am 17.11.2024.