Wenn noch ganz neuerdings ein ehrwürdiger Gelehr- ter den Grund, warum die Sprache der Propheten zum Theil etwas so Dunkles, Unverständliches habe, bloß darinnen zu finden glaubt: daß die höhere Weis- heit absichtlich ihre Pläne für die Zukunft nicht vor je- dermanns Augen enthüllen wolle, damit die Parthey des Obscurantismus den Keim des noch künstigen Gu- ten nicht im voraus ersticken, oder wenigstens das was sein Aufkommen fördert zurückhalten könne: so will die- se Ansicht nicht durchaus genügen. Die höhere Hand hat von Anfang an immer Mittel zu finden gewußt, den noch zarten Keim mitten unter feindlichen Absich- ten zu bewahren, oder ihn in ein fernes Egypten zu verbergen, und von jeher ist nichts seinem Aufkommen und Gedeihen so förderlich und heilsam gewesen, als gerade jene Pläne die ihn unterdrücken wollten. Außer diesem ist es auch den Wenigen, deren geweihtes Auge jene Hieroglyphen versteht, niemals vergönnt zu schwei- gen. Die andre Parthey, wenn sie nur sonst aufmer- ken möchte, würde noch zeitig genug erfahren, so viel sie zum Anlegen ihrer fruchtlosen Gegenpläne und Ge- genmaschinen zu wissen brauchte, und der endliche Sieg der Wahrheit über die Lüge, würde durch jene Hindernisse nur um so schneller hexbeygeführt, nur um so entscheidender und glänzender werden.
In einer etwas anderen Beziehung pflegt mein alter Lehrmeister, bey vorzüglich dunklen politischen Con-
stella-
2. Die Sprache der Poeſie und der Offenbarung.
Wenn noch ganz neuerdings ein ehrwuͤrdiger Gelehr- ter den Grund, warum die Sprache der Propheten zum Theil etwas ſo Dunkles, Unverſtaͤndliches habe, bloß darinnen zu finden glaubt: daß die hoͤhere Weis- heit abſichtlich ihre Plaͤne fuͤr die Zukunft nicht vor je- dermanns Augen enthuͤllen wolle, damit die Parthey des Obſcurantismus den Keim des noch kuͤnſtigen Gu- ten nicht im voraus erſticken, oder wenigſtens das was ſein Aufkommen foͤrdert zuruͤckhalten koͤnne: ſo will die- ſe Anſicht nicht durchaus genuͤgen. Die hoͤhere Hand hat von Anfang an immer Mittel zu finden gewußt, den noch zarten Keim mitten unter feindlichen Abſich- ten zu bewahren, oder ihn in ein fernes Egypten zu verbergen, und von jeher iſt nichts ſeinem Aufkommen und Gedeihen ſo foͤrderlich und heilſam geweſen, als gerade jene Plaͤne die ihn unterdruͤcken wollten. Außer dieſem iſt es auch den Wenigen, deren geweihtes Auge jene Hieroglyphen verſteht, niemals vergoͤnnt zu ſchwei- gen. Die andre Parthey, wenn ſie nur ſonſt aufmer- ken moͤchte, wuͤrde noch zeitig genug erfahren, ſo viel ſie zum Anlegen ihrer fruchtloſen Gegenplaͤne und Ge- genmaſchinen zu wiſſen brauchte, und der endliche Sieg der Wahrheit uͤber die Luͤge, wuͤrde durch jene Hinderniſſe nur um ſo ſchneller hexbeygefuͤhrt, nur um ſo entſcheidender und glaͤnzender werden.
In einer etwas anderen Beziehung pflegt mein alter Lehrmeiſter, bey vorzuͤglich dunklen politiſchen Con-
ſtella-
<TEI><text><body><pbfacs="#f0023"n="13"/><divn="1"><head>2. Die Sprache der Poeſie und der<lb/>
Offenbarung.</head><lb/><p><hirendition="#in">W</hi>enn noch ganz neuerdings ein ehrwuͤrdiger Gelehr-<lb/>
ter den Grund, warum die Sprache der Propheten<lb/>
zum Theil etwas ſo Dunkles, Unverſtaͤndliches habe,<lb/>
bloß darinnen zu finden glaubt: daß die hoͤhere Weis-<lb/>
heit abſichtlich ihre Plaͤne fuͤr die Zukunft nicht vor je-<lb/>
dermanns Augen enthuͤllen wolle, damit die Parthey<lb/>
des Obſcurantismus den Keim des noch kuͤnſtigen Gu-<lb/>
ten nicht im voraus erſticken, oder wenigſtens das was<lb/>ſein Aufkommen foͤrdert zuruͤckhalten koͤnne: ſo will die-<lb/>ſe Anſicht nicht durchaus genuͤgen. Die hoͤhere Hand<lb/>
hat von Anfang an immer Mittel zu finden gewußt,<lb/>
den noch zarten Keim mitten unter feindlichen Abſich-<lb/>
ten zu bewahren, oder ihn in ein fernes Egypten zu<lb/>
verbergen, und von jeher iſt nichts ſeinem Aufkommen<lb/>
und Gedeihen ſo foͤrderlich und heilſam geweſen, als<lb/>
gerade jene Plaͤne die ihn unterdruͤcken wollten. Außer<lb/>
dieſem iſt es auch den Wenigen, deren geweihtes Auge<lb/>
jene Hieroglyphen verſteht, niemals vergoͤnnt zu ſchwei-<lb/>
gen. Die andre Parthey, wenn ſie nur ſonſt aufmer-<lb/>
ken <hirendition="#g">moͤchte,</hi> wuͤrde noch zeitig genug erfahren, ſo viel<lb/>ſie zum Anlegen ihrer fruchtloſen Gegenplaͤne und Ge-<lb/>
genmaſchinen zu wiſſen brauchte, und der endliche<lb/>
Sieg der Wahrheit uͤber die Luͤge, wuͤrde durch jene<lb/>
Hinderniſſe nur um ſo ſchneller hexbeygefuͤhrt, nur um<lb/>ſo entſcheidender und glaͤnzender werden.</p><lb/><p>In einer etwas anderen Beziehung pflegt mein<lb/>
alter Lehrmeiſter, bey vorzuͤglich dunklen politiſchen Con-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſtella-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[13/0023]
2. Die Sprache der Poeſie und der
Offenbarung.
Wenn noch ganz neuerdings ein ehrwuͤrdiger Gelehr-
ter den Grund, warum die Sprache der Propheten
zum Theil etwas ſo Dunkles, Unverſtaͤndliches habe,
bloß darinnen zu finden glaubt: daß die hoͤhere Weis-
heit abſichtlich ihre Plaͤne fuͤr die Zukunft nicht vor je-
dermanns Augen enthuͤllen wolle, damit die Parthey
des Obſcurantismus den Keim des noch kuͤnſtigen Gu-
ten nicht im voraus erſticken, oder wenigſtens das was
ſein Aufkommen foͤrdert zuruͤckhalten koͤnne: ſo will die-
ſe Anſicht nicht durchaus genuͤgen. Die hoͤhere Hand
hat von Anfang an immer Mittel zu finden gewußt,
den noch zarten Keim mitten unter feindlichen Abſich-
ten zu bewahren, oder ihn in ein fernes Egypten zu
verbergen, und von jeher iſt nichts ſeinem Aufkommen
und Gedeihen ſo foͤrderlich und heilſam geweſen, als
gerade jene Plaͤne die ihn unterdruͤcken wollten. Außer
dieſem iſt es auch den Wenigen, deren geweihtes Auge
jene Hieroglyphen verſteht, niemals vergoͤnnt zu ſchwei-
gen. Die andre Parthey, wenn ſie nur ſonſt aufmer-
ken moͤchte, wuͤrde noch zeitig genug erfahren, ſo viel
ſie zum Anlegen ihrer fruchtloſen Gegenplaͤne und Ge-
genmaſchinen zu wiſſen brauchte, und der endliche
Sieg der Wahrheit uͤber die Luͤge, wuͤrde durch jene
Hinderniſſe nur um ſo ſchneller hexbeygefuͤhrt, nur um
ſo entſcheidender und glaͤnzender werden.
In einer etwas anderen Beziehung pflegt mein
alter Lehrmeiſter, bey vorzuͤglich dunklen politiſchen Con-
ſtella-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/23>, abgerufen am 22.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.