Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite
2. Die Sprache der Poesie und der
Offenbarung.

Wenn noch ganz neuerdings ein ehrwürdiger Gelehr-
ter den Grund, warum die Sprache der Propheten
zum Theil etwas so Dunkles, Unverständliches habe,
bloß darinnen zu finden glaubt: daß die höhere Weis-
heit absichtlich ihre Pläne für die Zukunft nicht vor je-
dermanns Augen enthüllen wolle, damit die Parthey
des Obscurantismus den Keim des noch künstigen Gu-
ten nicht im voraus ersticken, oder wenigstens das was
sein Aufkommen fördert zurückhalten könne: so will die-
se Ansicht nicht durchaus genügen. Die höhere Hand
hat von Anfang an immer Mittel zu finden gewußt,
den noch zarten Keim mitten unter feindlichen Absich-
ten zu bewahren, oder ihn in ein fernes Egypten zu
verbergen, und von jeher ist nichts seinem Aufkommen
und Gedeihen so förderlich und heilsam gewesen, als
gerade jene Pläne die ihn unterdrücken wollten. Außer
diesem ist es auch den Wenigen, deren geweihtes Auge
jene Hieroglyphen versteht, niemals vergönnt zu schwei-
gen. Die andre Parthey, wenn sie nur sonst aufmer-
ken möchte, würde noch zeitig genug erfahren, so viel
sie zum Anlegen ihrer fruchtlosen Gegenpläne und Ge-
genmaschinen zu wissen brauchte, und der endliche
Sieg der Wahrheit über die Lüge, würde durch jene
Hindernisse nur um so schneller hexbeygeführt, nur um
so entscheidender und glänzender werden.

In einer etwas anderen Beziehung pflegt mein
alter Lehrmeister, bey vorzüglich dunklen politischen Con-

stella-
2. Die Sprache der Poeſie und der
Offenbarung.

Wenn noch ganz neuerdings ein ehrwuͤrdiger Gelehr-
ter den Grund, warum die Sprache der Propheten
zum Theil etwas ſo Dunkles, Unverſtaͤndliches habe,
bloß darinnen zu finden glaubt: daß die hoͤhere Weis-
heit abſichtlich ihre Plaͤne fuͤr die Zukunft nicht vor je-
dermanns Augen enthuͤllen wolle, damit die Parthey
des Obſcurantismus den Keim des noch kuͤnſtigen Gu-
ten nicht im voraus erſticken, oder wenigſtens das was
ſein Aufkommen foͤrdert zuruͤckhalten koͤnne: ſo will die-
ſe Anſicht nicht durchaus genuͤgen. Die hoͤhere Hand
hat von Anfang an immer Mittel zu finden gewußt,
den noch zarten Keim mitten unter feindlichen Abſich-
ten zu bewahren, oder ihn in ein fernes Egypten zu
verbergen, und von jeher iſt nichts ſeinem Aufkommen
und Gedeihen ſo foͤrderlich und heilſam geweſen, als
gerade jene Plaͤne die ihn unterdruͤcken wollten. Außer
dieſem iſt es auch den Wenigen, deren geweihtes Auge
jene Hieroglyphen verſteht, niemals vergoͤnnt zu ſchwei-
gen. Die andre Parthey, wenn ſie nur ſonſt aufmer-
ken moͤchte, wuͤrde noch zeitig genug erfahren, ſo viel
ſie zum Anlegen ihrer fruchtloſen Gegenplaͤne und Ge-
genmaſchinen zu wiſſen brauchte, und der endliche
Sieg der Wahrheit uͤber die Luͤge, wuͤrde durch jene
Hinderniſſe nur um ſo ſchneller hexbeygefuͤhrt, nur um
ſo entſcheidender und glaͤnzender werden.

In einer etwas anderen Beziehung pflegt mein
alter Lehrmeiſter, bey vorzuͤglich dunklen politiſchen Con-

ſtella-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0023" n="13"/>
      <div n="1">
        <head>2. Die Sprache der Poe&#x017F;ie und der<lb/>
Offenbarung.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">W</hi>enn noch ganz neuerdings ein ehrwu&#x0364;rdiger Gelehr-<lb/>
ter den Grund, warum die Sprache der Propheten<lb/>
zum Theil etwas &#x017F;o Dunkles, Unver&#x017F;ta&#x0364;ndliches habe,<lb/>
bloß darinnen zu finden glaubt: daß die ho&#x0364;here Weis-<lb/>
heit ab&#x017F;ichtlich ihre Pla&#x0364;ne fu&#x0364;r die Zukunft nicht vor je-<lb/>
dermanns Augen enthu&#x0364;llen wolle, damit die Parthey<lb/>
des Ob&#x017F;curantismus den Keim des noch ku&#x0364;n&#x017F;tigen Gu-<lb/>
ten nicht im voraus er&#x017F;ticken, oder wenig&#x017F;tens das was<lb/>
&#x017F;ein Aufkommen fo&#x0364;rdert zuru&#x0364;ckhalten ko&#x0364;nne: &#x017F;o will die-<lb/>
&#x017F;e An&#x017F;icht nicht durchaus genu&#x0364;gen. Die ho&#x0364;here Hand<lb/>
hat von Anfang an immer Mittel zu finden gewußt,<lb/>
den noch zarten Keim mitten unter feindlichen Ab&#x017F;ich-<lb/>
ten zu bewahren, oder ihn in ein fernes Egypten zu<lb/>
verbergen, und von jeher i&#x017F;t nichts &#x017F;einem Aufkommen<lb/>
und Gedeihen &#x017F;o fo&#x0364;rderlich und heil&#x017F;am gewe&#x017F;en, als<lb/>
gerade jene Pla&#x0364;ne die ihn unterdru&#x0364;cken wollten. Außer<lb/>
die&#x017F;em i&#x017F;t es auch den Wenigen, deren geweihtes Auge<lb/>
jene Hieroglyphen ver&#x017F;teht, niemals vergo&#x0364;nnt zu &#x017F;chwei-<lb/>
gen. Die andre Parthey, wenn &#x017F;ie nur &#x017F;on&#x017F;t aufmer-<lb/>
ken <hi rendition="#g">mo&#x0364;chte,</hi> wu&#x0364;rde noch zeitig genug erfahren, &#x017F;o viel<lb/>
&#x017F;ie zum Anlegen ihrer fruchtlo&#x017F;en Gegenpla&#x0364;ne und Ge-<lb/>
genma&#x017F;chinen zu wi&#x017F;&#x017F;en brauchte, und der endliche<lb/>
Sieg der Wahrheit u&#x0364;ber die Lu&#x0364;ge, wu&#x0364;rde durch jene<lb/>
Hinderni&#x017F;&#x017F;e nur um &#x017F;o &#x017F;chneller hexbeygefu&#x0364;hrt, nur um<lb/>
&#x017F;o ent&#x017F;cheidender und gla&#x0364;nzender werden.</p><lb/>
        <p>In einer etwas anderen Beziehung pflegt mein<lb/>
alter Lehrmei&#x017F;ter, bey vorzu&#x0364;glich dunklen politi&#x017F;chen Con-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;tella-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0023] 2. Die Sprache der Poeſie und der Offenbarung. Wenn noch ganz neuerdings ein ehrwuͤrdiger Gelehr- ter den Grund, warum die Sprache der Propheten zum Theil etwas ſo Dunkles, Unverſtaͤndliches habe, bloß darinnen zu finden glaubt: daß die hoͤhere Weis- heit abſichtlich ihre Plaͤne fuͤr die Zukunft nicht vor je- dermanns Augen enthuͤllen wolle, damit die Parthey des Obſcurantismus den Keim des noch kuͤnſtigen Gu- ten nicht im voraus erſticken, oder wenigſtens das was ſein Aufkommen foͤrdert zuruͤckhalten koͤnne: ſo will die- ſe Anſicht nicht durchaus genuͤgen. Die hoͤhere Hand hat von Anfang an immer Mittel zu finden gewußt, den noch zarten Keim mitten unter feindlichen Abſich- ten zu bewahren, oder ihn in ein fernes Egypten zu verbergen, und von jeher iſt nichts ſeinem Aufkommen und Gedeihen ſo foͤrderlich und heilſam geweſen, als gerade jene Plaͤne die ihn unterdruͤcken wollten. Außer dieſem iſt es auch den Wenigen, deren geweihtes Auge jene Hieroglyphen verſteht, niemals vergoͤnnt zu ſchwei- gen. Die andre Parthey, wenn ſie nur ſonſt aufmer- ken moͤchte, wuͤrde noch zeitig genug erfahren, ſo viel ſie zum Anlegen ihrer fruchtloſen Gegenplaͤne und Ge- genmaſchinen zu wiſſen brauchte, und der endliche Sieg der Wahrheit uͤber die Luͤge, wuͤrde durch jene Hinderniſſe nur um ſo ſchneller hexbeygefuͤhrt, nur um ſo entſcheidender und glaͤnzender werden. In einer etwas anderen Beziehung pflegt mein alter Lehrmeiſter, bey vorzuͤglich dunklen politiſchen Con- ſtella-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/23
Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/23>, abgerufen am 19.11.2024.