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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

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Kunstfreunden und feierlich besungen von den Dich-
tern ihres Landes und ihrer Zeit.

Einsam und verwaiset stand jetzt Johann van
Eyck, doch sein fürstlicher Freund und seine Kunst
waren ihm geblieben; in dieser vor allem suchte er
Trost und fand ihn auch. Muthig wandte er sich
mit verdoppeltem Eifer ihr zu und vollendete das
hohe Werk allein das er so freudig unter dem
Beistand seines Bruders begonnen hatte. Fertig
stand es da, das Wunder der Welt, zu dem aus
der Nähe und Ferne Alles herbei wallfahrtete. Doch
der Meister, der es vollbracht, zog still und be-
scheiden sich wieder nach Brügge in seine verödete
Werkstatt, zu neuen Arbeiten zurück.

Der Gegenstand jenes allberühmten Altarblat-
tes in Gent ist aus der Offenbarung Johannis ent-
lehnt, doch dessen Ausführung umfaßte eine ganze
Welt. Fürsten und Ritter, Weltleute und Geist-
liche, Krieger, heilige Pilger, Eremiten, ziehen
in all ihrer Eigenthümlichkeit herbei, um vor dem
Lamme, diesem Symbol des höchsten Geheimnisses
der Gottheit, anbetend niederzusinken; ja diese


Kunſtfreunden und feierlich beſungen von den Dich-
tern ihres Landes und ihrer Zeit.

Einſam und verwaiſet ſtand jetzt Johann van
Eyck, doch ſein fürſtlicher Freund und ſeine Kunſt
waren ihm geblieben; in dieſer vor allem ſuchte er
Troſt und fand ihn auch. Muthig wandte er ſich
mit verdoppeltem Eifer ihr zu und vollendete das
hohe Werk allein das er ſo freudig unter dem
Beiſtand ſeines Bruders begonnen hatte. Fertig
ſtand es da, das Wunder der Welt, zu dem aus
der Nähe und Ferne Alles herbei wallfahrtete. Doch
der Meiſter, der es vollbracht, zog ſtill und be-
ſcheiden ſich wieder nach Brügge in ſeine verödete
Werkſtatt, zu neuen Arbeiten zurück.

Der Gegenſtand jenes allberühmten Altarblat-
tes in Gent iſt aus der Offenbarung Johannis ent-
lehnt, doch deſſen Ausführung umfaßte eine ganze
Welt. Fürſten und Ritter, Weltleute und Geiſt-
liche, Krieger, heilige Pilger, Eremiten, ziehen
in all ihrer Eigenthümlichkeit herbei, um vor dem
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[53/0065] Kunſtfreunden und feierlich beſungen von den Dich- tern ihres Landes und ihrer Zeit. Einſam und verwaiſet ſtand jetzt Johann van Eyck, doch ſein fürſtlicher Freund und ſeine Kunſt waren ihm geblieben; in dieſer vor allem ſuchte er Troſt und fand ihn auch. Muthig wandte er ſich mit verdoppeltem Eifer ihr zu und vollendete das hohe Werk allein das er ſo freudig unter dem Beiſtand ſeines Bruders begonnen hatte. Fertig ſtand es da, das Wunder der Welt, zu dem aus der Nähe und Ferne Alles herbei wallfahrtete. Doch der Meiſter, der es vollbracht, zog ſtill und be- ſcheiden ſich wieder nach Brügge in ſeine verödete Werkſtatt, zu neuen Arbeiten zurück. Der Gegenſtand jenes allberühmten Altarblat- tes in Gent iſt aus der Offenbarung Johannis ent- lehnt, doch deſſen Ausführung umfaßte eine ganze Welt. Fürſten und Ritter, Weltleute und Geiſt- liche, Krieger, heilige Pilger, Eremiten, ziehen in all ihrer Eigenthümlichkeit herbei, um vor dem Lamme, dieſem Symbol des höchſten Geheimniſſes der Gottheit, anbetend niederzuſinken; ja dieſe

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/65>, abgerufen am 26.04.2024.