Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

Bild:
<< vorherige Seite
Hi

Man stelle sich dabey einen goldenen Mund vor,
der immer Himmelskost auf die Schüler spuckt;
auch an einen Schnupfen, den ein Mensch hat,
kann man dabey denken: indem wir wohl eher
dann es einem aus Nase und Maule haben lau-
fen sehen:
allein, das war keine Himmelskost;
sonder des ehrlichen Rachels gemeiner Rotz.

Himmlisch.

Schon oben haben wir die himmlische
Sprache
bewundert, die die tönende Harfe re-
det.

Der Seraph stehet entzückt; aber
Die Harfe tönt fort mit geflügelten Stimmen,
Schlag auf Schlag, Gedank auf Gedanke!

der hörende Jüngling
Jauchzt, und zerfließt im süßen Gefühl unaus-
sprechlicher Freuden. St. Kl. 124 S.

Ach! wie der göttliche Harfenist nicht wird die Au-
gen verdrehet haben! Ach! was für niedliche Flü-
gel die Stimmen nicht haben! Ach! was das für
Gedanken sind! Das ist gar kein Wunder, daß
diese Harfe a. St. Töne Gedanken von sich giebt:
denn sie kann ja reden; ja nicht allein reden: son-
dern gar himmlisch reden. Wie mag aber ein
Gedank klingen?

Hin.

Diese Sylbe streitet mit ent um den Vorzug:
und sie hat Recht dazu; sie ist ja so gut eine Sylbe,
als ent. Wir lassen sie daher in ihren wohl her-
gebrachten Rechten und Vorzügen ungestört, und
sagen einmal für allemal, daß man sie in der heili-
gen Dichtkunst
mit allen nur möglichen Zeitwör-
tern versetzen kann; z. E. Hinbrüllen, hindon-
nern, hinsitzen
etc. Zum Abscheue und zum Aeger-

nisse
Hi

Man ſtelle ſich dabey einen goldenen Mund vor,
der immer Himmelskoſt auf die Schuͤler ſpuckt;
auch an einen Schnupfen, den ein Menſch hat,
kann man dabey denken: indem wir wohl eher
dann es einem aus Naſe und Maule haben lau-
fen ſehen:
allein, das war keine Himmelskoſt;
ſonder des ehrlichen Rachels gemeiner Rotz.

Himmliſch.

Schon oben haben wir die himmliſche
Sprache
bewundert, die die toͤnende Harfe re-
det.

Der Seraph ſtehet entzuͤckt; aber
Die Harfe toͤnt fort mit gefluͤgelten Stim̃en,
Schlag auf Schlag, Gedank auf Gedanke!

der hoͤrende Juͤngling
Jauchzt, und zerfließt im ſuͤßen Gefuͤhl unaus-
ſprechlicher Freuden. St. Kl. 124 S.

Ach! wie der goͤttliche Harfeniſt nicht wird die Au-
gen verdrehet haben! Ach! was fuͤr niedliche Fluͤ-
gel die Stimmen nicht haben! Ach! was das fuͤr
Gedanken ſind! Das iſt gar kein Wunder, daß
dieſe Harfe a. St. Toͤne Gedanken von ſich giebt:
denn ſie kann ja reden; ja nicht allein reden: ſon-
dern gar himmliſch reden. Wie mag aber ein
Gedank klingen?

Hin.

Dieſe Sylbe ſtreitet mit ent um den Vorzug:
und ſie hat Recht dazu; ſie iſt ja ſo gut eine Sylbe,
als ent. Wir laſſen ſie daher in ihren wohl her-
gebrachten Rechten und Vorzuͤgen ungeſtoͤrt, und
ſagen einmal fuͤr allemal, daß man ſie in der heili-
gen Dichtkunſt
mit allen nur moͤglichen Zeitwoͤr-
tern verſetzen kann; z. E. Hinbruͤllen, hindon-
nern, hinſitzen
ꝛc. Zum Abſcheue und zum Aeger-

niſſe
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0246" n="220"/>
            <fw place="top" type="header">Hi</fw><lb/>
            <p>Man &#x017F;telle &#x017F;ich dabey einen <hi rendition="#fr">goldenen Mund</hi> vor,<lb/>
der immer <hi rendition="#fr">Himmelsko&#x017F;t auf die Schu&#x0364;ler &#x017F;puckt;</hi><lb/>
auch an einen <hi rendition="#fr">Schnupfen,</hi> den ein Men&#x017F;ch hat,<lb/>
kann man dabey denken: indem wir wohl eher<lb/>
dann es einem <hi rendition="#fr">aus Na&#x017F;e und Maule haben lau-<lb/>
fen &#x017F;ehen:</hi> allein, das war keine <hi rendition="#fr">Himmelsko&#x017F;t;</hi><lb/>
&#x017F;onder des ehrlichen <hi rendition="#fr">Rachels gemeiner Rotz.</hi></p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Himmli&#x017F;ch.</head>
            <p>Schon oben haben wir die <hi rendition="#fr">himmli&#x017F;che<lb/>
Sprache</hi> bewundert, die <hi rendition="#fr">die to&#x0364;nende Harfe re-<lb/>
det.</hi></p>
            <cit>
              <quote>Der <hi rendition="#fr">Seraph</hi> &#x017F;tehet <hi rendition="#fr">entzu&#x0364;ckt;</hi> aber<lb/>
Die Harfe to&#x0364;nt fort mit <hi rendition="#fr">geflu&#x0364;gelten Stim&#x0303;en,<lb/>
Schlag auf Schlag, Gedank auf Gedanke!</hi><lb/><hi rendition="#et">der ho&#x0364;rende Ju&#x0364;ngling</hi><lb/><hi rendition="#fr">Jauchzt,</hi> und zerfließt im &#x017F;u&#x0364;ßen Gefu&#x0364;hl unaus-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;prechlicher Freuden. <hi rendition="#fr">St. Kl. 124 S.</hi></hi></quote>
              <bibl/>
            </cit><lb/>
            <p>Ach! wie der go&#x0364;ttliche Harfeni&#x017F;t nicht wird die Au-<lb/>
gen verdrehet haben! Ach! was fu&#x0364;r niedliche Flu&#x0364;-<lb/>
gel die Stimmen nicht haben! Ach! was das fu&#x0364;r<lb/><hi rendition="#fr">Gedanken</hi> &#x017F;ind! Das i&#x017F;t gar kein Wunder, daß<lb/>
die&#x017F;e Harfe a. St. To&#x0364;ne <hi rendition="#fr">Gedanken von &#x017F;ich giebt:</hi><lb/>
denn &#x017F;ie kann ja reden; ja nicht allein reden: &#x017F;on-<lb/>
dern gar himmli&#x017F;ch reden. <hi rendition="#fr">Wie mag aber ein<lb/>
Gedank klingen?</hi></p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Hin.</head>
            <p>Die&#x017F;e Sylbe &#x017F;treitet mit <hi rendition="#fr">ent</hi> um den Vorzug:<lb/>
und &#x017F;ie hat Recht dazu; &#x017F;ie i&#x017F;t ja &#x017F;o gut eine Sylbe,<lb/>
als <hi rendition="#fr">ent.</hi> Wir la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie daher in ihren wohl her-<lb/>
gebrachten Rechten und Vorzu&#x0364;gen unge&#x017F;to&#x0364;rt, und<lb/>
&#x017F;agen einmal fu&#x0364;r allemal, daß man &#x017F;ie in der <hi rendition="#fr">heili-<lb/>
gen Dichtkun&#x017F;t</hi> mit allen nur mo&#x0364;glichen Zeitwo&#x0364;r-<lb/>
tern ver&#x017F;etzen kann; z. E. <hi rendition="#fr">Hinbru&#x0364;llen, hindon-<lb/>
nern, hin&#x017F;itzen</hi> &#xA75B;c. Zum Ab&#x017F;cheue und zum Aeger-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ni&#x017F;&#x017F;e</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[220/0246] Hi Man ſtelle ſich dabey einen goldenen Mund vor, der immer Himmelskoſt auf die Schuͤler ſpuckt; auch an einen Schnupfen, den ein Menſch hat, kann man dabey denken: indem wir wohl eher dann es einem aus Naſe und Maule haben lau- fen ſehen: allein, das war keine Himmelskoſt; ſonder des ehrlichen Rachels gemeiner Rotz. Himmliſch. Schon oben haben wir die himmliſche Sprache bewundert, die die toͤnende Harfe re- det. Der Seraph ſtehet entzuͤckt; aber Die Harfe toͤnt fort mit gefluͤgelten Stim̃en, Schlag auf Schlag, Gedank auf Gedanke! der hoͤrende Juͤngling Jauchzt, und zerfließt im ſuͤßen Gefuͤhl unaus- ſprechlicher Freuden. St. Kl. 124 S. Ach! wie der goͤttliche Harfeniſt nicht wird die Au- gen verdrehet haben! Ach! was fuͤr niedliche Fluͤ- gel die Stimmen nicht haben! Ach! was das fuͤr Gedanken ſind! Das iſt gar kein Wunder, daß dieſe Harfe a. St. Toͤne Gedanken von ſich giebt: denn ſie kann ja reden; ja nicht allein reden: ſon- dern gar himmliſch reden. Wie mag aber ein Gedank klingen? Hin. Dieſe Sylbe ſtreitet mit ent um den Vorzug: und ſie hat Recht dazu; ſie iſt ja ſo gut eine Sylbe, als ent. Wir laſſen ſie daher in ihren wohl her- gebrachten Rechten und Vorzuͤgen ungeſtoͤrt, und ſagen einmal fuͤr allemal, daß man ſie in der heili- gen Dichtkunſt mit allen nur moͤglichen Zeitwoͤr- tern verſetzen kann; z. E. Hinbruͤllen, hindon- nern, hinſitzen ꝛc. Zum Abſcheue und zum Aeger- niſſe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/246
Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/246>, abgerufen am 30.12.2024.