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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Wesen und produktive Wirkung der Maschine.
Menschen, seine Wasserkräfte 9,5, seine Gasmaschinen 0,8 Mill. 1895 entsprechen; die
Elektricität wage ich nicht zu schätzen. Also steht der mechanischen Kraft der Menschen
mindestens die etwa sechsfache der Tier- und Naturkräfte (zusammen 150 Mill.) zur
Seite, während im Jahre 1750 wohl höchstens die gleich große an Tier-, Wind- und
Wasserkräften die menschlichen ergänzte. Und erinnern wir uns, daß die 124--
125 Mill. Einheiten mechanischer Kräfte (ohne die Tiere) hauptsächlich die 10--11
Mill. Menschen unterstützen, welche im Verkehr, Handel und Gewerbe thätig sind, so
handelt es sich statt der sechs- um eine zwölffache Steigerung der produktiven Kräfte.
Dazu kommt die Verbilligung der Kraft. Engel rechnet 1880, daß ein Tonnenkilometer
horizontal zu bewegen mit dem Dampf 0,4, mit dem Pferd 11,7, mit der Menschen-
kraft 52,6 Pfennig koste. Mag das nur für den Verkehr zutreffen, sonst nicht in dem
Maße, vielfach auch gar nicht, dafür wird heute jede Art der Kraft da angewendet, wo
sie am passendsten ist, am wohlfeilsten sich stellt. Man hat gelernt, die eine Kraft aus
der andern zu entwickeln, aus Wärme Dampf, aus Wasserkraft oder Dampf Elektricität
herzustellen. Man versteht die Kräfte zu konzentrieren und zu kombinieren, sie örtlich
und zeitlich mit genauester Maßbestimmung zu verteilen, die rotierende Bewegung in
hin und her gehende und sonst in der verschiedensten Weise zu verwandeln.

Auch bei der Arbeitsmaschine handelt es sich um Bewegungsvorgänge; sie kann
nur da eintreten, wo gleichmäßig sich wiederholende, mit höchster Schnelligkeit sich voll-
ziehende, in mehr, oft hundertfacher Nebeneinanderstellung des angreifenden Maschinenteils
(wie beim Spinnstuhl) gemeinsam zu vollziehende Bewegungen in Frage stehen. Sie
ist ausgeschlossen, wo die Kraft jede Sekunde nach den von Auge und Handgefühl
erfaßten Widerständen sich richten, sich dem Wechsel des Stoffes, der Formen, der
Angriffsart anpassen muß. Die Arbeitsmaschine setzt voraus, daß der Prozeß sich in
viele einzelne Teile zerlegen lasse. Die Arbeitsteilung mit specialisierten Werkzeugen
geht daher historisch und praktisch häufig der Arbeitsmaschine voraus. Wo diese
Bedingungen fehlen, da kann die Maschine keine oder nur eine beschränkte Rolle, eine
solche in Hülfsprozessen, in dem die Produkte bewegenden Verkehr etc. spielen. Die
Uniformierung, Mechanisierung, höchste Beschleunigung und vollendete Präcision, welche
das Wesen des maschinellen Arbeitsprozesses charakterisiert, wird wohl die ganze Volks-
wirtschaft indirekt beeinflussen; tiefgreifend umbilden wird sie nur bestimmte, freilich sehr
erhebliche Teile. Suchen wir sie zu scheiden.

Die weitaus größte Wirkung der modernen Maschinen liegt in der Verkehrs-
erleichterung; im Verkehr handelt es sich nur um Erleichterung, Beschleunigung,
Mechanisierung, Ordnung von Bewegungsvorgängen: die Menschen, die Güter, die
Nachrichten bewegen sich heute so leicht und so billig auf 1000 und 100000 Meilen
wie ehedem auf 5 und auf 100. Die menschliche Versorgung mit Nahrungsmitteln und
Gütern aller Art, die Berührung und Verknüpfung der Menschen in geistiger, morali-
scher und wirtschaftlicher Beziehung ist unendlich gestiegen. Die geographische Arbeits-
teilung, der Welthandel, die größern Märkte, die größern Staaten, ihre leichtere
Regierung, die ganze heutige Massenkriegführung, die Überziehung auch der kleinen Orte
und des platten Landes mit Post-, Eisenbahn- und Telegraphenlinien sind die Folge.

Der eigentliche Handel ist mehr durch die Verkehrsfortschritte als durch direkte
Maschinenanwendung ein anderer geworden; gewiß benützen die großen Handelsgeschäfte
eine steigende Zahl technischer Fortschritte zum Heben, Sortieren, Packen etc., aber der
viel größere Teil der Handelsthätigkeit ist und bleibt individuell, der Maschine und
Mechanisierung unzugänglich.

Die zweite große Wirkung der modernen Technik liegt auf dem gewerblichen
Gebiete; zumal soweit es sich um leicht versendbare, mit mechanisiertem Arbeitsprozeß
und in Masse herstellbare, beliebig vermehrbare Produkte handelt, ist die Steigerung
und Verbilligung der Produktion eine ganz außerordentliche. In der Textilindustrie
ist die Maschine am weitesten vorgedrungen, hat die größten Wunder bewirkt, weil die
Ziehung, Schlichtung, Verspinnung, Verwebung, Rauhung, Pressung etc. der Faserstoffe
so weitgehend in gleichmäßig mechanische Bewegungen sich auflösen läßt. Im Berg-

Weſen und produktive Wirkung der Maſchine.
Menſchen, ſeine Waſſerkräfte 9,5, ſeine Gasmaſchinen 0,8 Mill. 1895 entſprechen; die
Elektricität wage ich nicht zu ſchätzen. Alſo ſteht der mechaniſchen Kraft der Menſchen
mindeſtens die etwa ſechsfache der Tier- und Naturkräfte (zuſammen 150 Mill.) zur
Seite, während im Jahre 1750 wohl höchſtens die gleich große an Tier-, Wind- und
Waſſerkräften die menſchlichen ergänzte. Und erinnern wir uns, daß die 124—
125 Mill. Einheiten mechaniſcher Kräfte (ohne die Tiere) hauptſächlich die 10—11
Mill. Menſchen unterſtützen, welche im Verkehr, Handel und Gewerbe thätig ſind, ſo
handelt es ſich ſtatt der ſechs- um eine zwölffache Steigerung der produktiven Kräfte.
Dazu kommt die Verbilligung der Kraft. Engel rechnet 1880, daß ein Tonnenkilometer
horizontal zu bewegen mit dem Dampf 0,4, mit dem Pferd 11,7, mit der Menſchen-
kraft 52,6 Pfennig koſte. Mag das nur für den Verkehr zutreffen, ſonſt nicht in dem
Maße, vielfach auch gar nicht, dafür wird heute jede Art der Kraft da angewendet, wo
ſie am paſſendſten iſt, am wohlfeilſten ſich ſtellt. Man hat gelernt, die eine Kraft aus
der andern zu entwickeln, aus Wärme Dampf, aus Waſſerkraft oder Dampf Elektricität
herzuſtellen. Man verſteht die Kräfte zu konzentrieren und zu kombinieren, ſie örtlich
und zeitlich mit genaueſter Maßbeſtimmung zu verteilen, die rotierende Bewegung in
hin und her gehende und ſonſt in der verſchiedenſten Weiſe zu verwandeln.

Auch bei der Arbeitsmaſchine handelt es ſich um Bewegungsvorgänge; ſie kann
nur da eintreten, wo gleichmäßig ſich wiederholende, mit höchſter Schnelligkeit ſich voll-
ziehende, in mehr, oft hundertfacher Nebeneinanderſtellung des angreifenden Maſchinenteils
(wie beim Spinnſtuhl) gemeinſam zu vollziehende Bewegungen in Frage ſtehen. Sie
iſt ausgeſchloſſen, wo die Kraft jede Sekunde nach den von Auge und Handgefühl
erfaßten Widerſtänden ſich richten, ſich dem Wechſel des Stoffes, der Formen, der
Angriffsart anpaſſen muß. Die Arbeitsmaſchine ſetzt voraus, daß der Prozeß ſich in
viele einzelne Teile zerlegen laſſe. Die Arbeitsteilung mit ſpecialiſierten Werkzeugen
geht daher hiſtoriſch und praktiſch häufig der Arbeitsmaſchine voraus. Wo dieſe
Bedingungen fehlen, da kann die Maſchine keine oder nur eine beſchränkte Rolle, eine
ſolche in Hülfsprozeſſen, in dem die Produkte bewegenden Verkehr ꝛc. ſpielen. Die
Uniformierung, Mechaniſierung, höchſte Beſchleunigung und vollendete Präciſion, welche
das Weſen des maſchinellen Arbeitsprozeſſes charakteriſiert, wird wohl die ganze Volks-
wirtſchaft indirekt beeinfluſſen; tiefgreifend umbilden wird ſie nur beſtimmte, freilich ſehr
erhebliche Teile. Suchen wir ſie zu ſcheiden.

Die weitaus größte Wirkung der modernen Maſchinen liegt in der Verkehrs-
erleichterung; im Verkehr handelt es ſich nur um Erleichterung, Beſchleunigung,
Mechaniſierung, Ordnung von Bewegungsvorgängen: die Menſchen, die Güter, die
Nachrichten bewegen ſich heute ſo leicht und ſo billig auf 1000 und 100000 Meilen
wie ehedem auf 5 und auf 100. Die menſchliche Verſorgung mit Nahrungsmitteln und
Gütern aller Art, die Berührung und Verknüpfung der Menſchen in geiſtiger, morali-
ſcher und wirtſchaftlicher Beziehung iſt unendlich geſtiegen. Die geographiſche Arbeits-
teilung, der Welthandel, die größern Märkte, die größern Staaten, ihre leichtere
Regierung, die ganze heutige Maſſenkriegführung, die Überziehung auch der kleinen Orte
und des platten Landes mit Poſt-, Eiſenbahn- und Telegraphenlinien ſind die Folge.

Der eigentliche Handel iſt mehr durch die Verkehrsfortſchritte als durch direkte
Maſchinenanwendung ein anderer geworden; gewiß benützen die großen Handelsgeſchäfte
eine ſteigende Zahl techniſcher Fortſchritte zum Heben, Sortieren, Packen ꝛc., aber der
viel größere Teil der Handelsthätigkeit iſt und bleibt individuell, der Maſchine und
Mechaniſierung unzugänglich.

Die zweite große Wirkung der modernen Technik liegt auf dem gewerblichen
Gebiete; zumal ſoweit es ſich um leicht verſendbare, mit mechaniſiertem Arbeitsprozeß
und in Maſſe herſtellbare, beliebig vermehrbare Produkte handelt, iſt die Steigerung
und Verbilligung der Produktion eine ganz außerordentliche. In der Textilinduſtrie
iſt die Maſchine am weiteſten vorgedrungen, hat die größten Wunder bewirkt, weil die
Ziehung, Schlichtung, Verſpinnung, Verwebung, Rauhung, Preſſung ꝛc. der Faſerſtoffe
ſo weitgehend in gleichmäßig mechaniſche Bewegungen ſich auflöſen läßt. Im Berg-

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[219/0235] Weſen und produktive Wirkung der Maſchine. Menſchen, ſeine Waſſerkräfte 9,5, ſeine Gasmaſchinen 0,8 Mill. 1895 entſprechen; die Elektricität wage ich nicht zu ſchätzen. Alſo ſteht der mechaniſchen Kraft der Menſchen mindeſtens die etwa ſechsfache der Tier- und Naturkräfte (zuſammen 150 Mill.) zur Seite, während im Jahre 1750 wohl höchſtens die gleich große an Tier-, Wind- und Waſſerkräften die menſchlichen ergänzte. Und erinnern wir uns, daß die 124— 125 Mill. Einheiten mechaniſcher Kräfte (ohne die Tiere) hauptſächlich die 10—11 Mill. Menſchen unterſtützen, welche im Verkehr, Handel und Gewerbe thätig ſind, ſo handelt es ſich ſtatt der ſechs- um eine zwölffache Steigerung der produktiven Kräfte. Dazu kommt die Verbilligung der Kraft. Engel rechnet 1880, daß ein Tonnenkilometer horizontal zu bewegen mit dem Dampf 0,4, mit dem Pferd 11,7, mit der Menſchen- kraft 52,6 Pfennig koſte. Mag das nur für den Verkehr zutreffen, ſonſt nicht in dem Maße, vielfach auch gar nicht, dafür wird heute jede Art der Kraft da angewendet, wo ſie am paſſendſten iſt, am wohlfeilſten ſich ſtellt. Man hat gelernt, die eine Kraft aus der andern zu entwickeln, aus Wärme Dampf, aus Waſſerkraft oder Dampf Elektricität herzuſtellen. Man verſteht die Kräfte zu konzentrieren und zu kombinieren, ſie örtlich und zeitlich mit genaueſter Maßbeſtimmung zu verteilen, die rotierende Bewegung in hin und her gehende und ſonſt in der verſchiedenſten Weiſe zu verwandeln. Auch bei der Arbeitsmaſchine handelt es ſich um Bewegungsvorgänge; ſie kann nur da eintreten, wo gleichmäßig ſich wiederholende, mit höchſter Schnelligkeit ſich voll- ziehende, in mehr, oft hundertfacher Nebeneinanderſtellung des angreifenden Maſchinenteils (wie beim Spinnſtuhl) gemeinſam zu vollziehende Bewegungen in Frage ſtehen. Sie iſt ausgeſchloſſen, wo die Kraft jede Sekunde nach den von Auge und Handgefühl erfaßten Widerſtänden ſich richten, ſich dem Wechſel des Stoffes, der Formen, der Angriffsart anpaſſen muß. Die Arbeitsmaſchine ſetzt voraus, daß der Prozeß ſich in viele einzelne Teile zerlegen laſſe. Die Arbeitsteilung mit ſpecialiſierten Werkzeugen geht daher hiſtoriſch und praktiſch häufig der Arbeitsmaſchine voraus. Wo dieſe Bedingungen fehlen, da kann die Maſchine keine oder nur eine beſchränkte Rolle, eine ſolche in Hülfsprozeſſen, in dem die Produkte bewegenden Verkehr ꝛc. ſpielen. Die Uniformierung, Mechaniſierung, höchſte Beſchleunigung und vollendete Präciſion, welche das Weſen des maſchinellen Arbeitsprozeſſes charakteriſiert, wird wohl die ganze Volks- wirtſchaft indirekt beeinfluſſen; tiefgreifend umbilden wird ſie nur beſtimmte, freilich ſehr erhebliche Teile. Suchen wir ſie zu ſcheiden. Die weitaus größte Wirkung der modernen Maſchinen liegt in der Verkehrs- erleichterung; im Verkehr handelt es ſich nur um Erleichterung, Beſchleunigung, Mechaniſierung, Ordnung von Bewegungsvorgängen: die Menſchen, die Güter, die Nachrichten bewegen ſich heute ſo leicht und ſo billig auf 1000 und 100000 Meilen wie ehedem auf 5 und auf 100. Die menſchliche Verſorgung mit Nahrungsmitteln und Gütern aller Art, die Berührung und Verknüpfung der Menſchen in geiſtiger, morali- ſcher und wirtſchaftlicher Beziehung iſt unendlich geſtiegen. Die geographiſche Arbeits- teilung, der Welthandel, die größern Märkte, die größern Staaten, ihre leichtere Regierung, die ganze heutige Maſſenkriegführung, die Überziehung auch der kleinen Orte und des platten Landes mit Poſt-, Eiſenbahn- und Telegraphenlinien ſind die Folge. Der eigentliche Handel iſt mehr durch die Verkehrsfortſchritte als durch direkte Maſchinenanwendung ein anderer geworden; gewiß benützen die großen Handelsgeſchäfte eine ſteigende Zahl techniſcher Fortſchritte zum Heben, Sortieren, Packen ꝛc., aber der viel größere Teil der Handelsthätigkeit iſt und bleibt individuell, der Maſchine und Mechaniſierung unzugänglich. Die zweite große Wirkung der modernen Technik liegt auf dem gewerblichen Gebiete; zumal ſoweit es ſich um leicht verſendbare, mit mechaniſiertem Arbeitsprozeß und in Maſſe herſtellbare, beliebig vermehrbare Produkte handelt, iſt die Steigerung und Verbilligung der Produktion eine ganz außerordentliche. In der Textilinduſtrie iſt die Maſchine am weiteſten vorgedrungen, hat die größten Wunder bewirkt, weil die Ziehung, Schlichtung, Verſpinnung, Verwebung, Rauhung, Preſſung ꝛc. der Faſerſtoffe ſo weitgehend in gleichmäßig mechaniſche Bewegungen ſich auflöſen läßt. Im Berg-

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/235>, abgerufen am 26.04.2024.