Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.Zweiter Akt. Ein Saal im Palais der Lady Milford: zur rechten Hand steht ein Sofa, zur linken ein Flügel. Erste Szene. Lady, in einem freien aber reizenden Negligee, die Haare noch unfrisiert, sizt vor dem Flügel und phan- tasiert; Sophie, die Kammerjungfer kommt von dem Fenster. Sophie. Die Officiers gehen auseinander. Die Wachparade ist aus -- aber ich sehe noch keinen Walter. Lady. (sehr unruhig, indem sie aufsteht und einen Gang durch den Saal macht) Ich weis nicht, wie ich mich heute finde, Sophie -- Ich bin noch nie so ge- wesen -- Also du sahst ihn gar nicht? -- Freilich wol -- Es wird ihm nicht eilen -- Wie ein Verbrechen liegt es auf meiner Brust -- Geh Sophie -- Man soll mir den wildesten Renner herausführen, der im Marstall ist. Ich muß ins Freie -- Menschen sehen und blauen Himmel, und mich leichter reiten ums Herz herum. Sophie. Wenn Sie sich unpäßlich fühlen, Mi- lady -- berufen Sie Aßemblee hier zusammen. Laßen Sie den Herzog hier Tafel halten, oder die l'Hom- bretische
Zweiter Akt. Ein Saal im Palais der Lady Milford: zur rechten Hand ſteht ein Sofa, zur linken ein Fluͤgel. Erſte Szene. Lady, in einem freien aber reizenden Negligee, die Haare noch unfriſiert, ſizt vor dem Fluͤgel und phan- taſiert; Sophie, die Kammerjungfer kommt von dem Fenſter. Sophie. Die Officiers gehen auseinander. Die Wachparade iſt aus — aber ich ſehe noch keinen Walter. Lady. (ſehr unruhig, indem ſie aufſteht und einen Gang durch den Saal macht) Ich weis nicht, wie ich mich heute finde, Sophie — Ich bin noch nie ſo ge- weſen — Alſo du ſahſt ihn gar nicht? — Freilich wol — Es wird ihm nicht eilen — Wie ein Verbrechen liegt es auf meiner Bruſt — Geh Sophie — Man ſoll mir den wildeſten Renner herausfuͤhren, der im Marſtall iſt. Ich muß ins Freie — Menſchen ſehen und blauen Himmel, und mich leichter reiten ums Herz herum. Sophie. Wenn Sie ſich unpaͤßlich fuͤhlen, Mi- lady — berufen Sie Aßemblee hier zuſammen. Laßen Sie den Herzog hier Tafel halten, oder die l'Hom- bretiſche
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Zweiter Akt.
Ein Saal im Palais der Lady Milford:
zur rechten Hand ſteht ein Sofa,
zur linken ein Fluͤgel.
Erſte Szene.
Lady, in einem freien aber reizenden Negligee, die
Haare noch unfriſiert, ſizt vor dem Fluͤgel und phan-
taſiert; Sophie, die Kammerjungfer
kommt von dem Fenſter.
Sophie. Die Officiers gehen auseinander. Die
Wachparade iſt aus — aber ich ſehe
noch keinen Walter.
Lady. (ſehr unruhig, indem ſie aufſteht und einen
Gang durch den Saal macht) Ich weis nicht, wie ich
mich heute finde, Sophie — Ich bin noch nie ſo ge-
weſen — Alſo du ſahſt ihn gar nicht? — Freilich wol
— Es wird ihm nicht eilen — Wie ein Verbrechen
liegt es auf meiner Bruſt — Geh Sophie — Man
ſoll mir den wildeſten Renner herausfuͤhren, der im
Marſtall iſt. Ich muß ins Freie — Menſchen ſehen
und blauen Himmel, und mich leichter reiten ums
Herz herum.
Sophie. Wenn Sie ſich unpaͤßlich fuͤhlen, Mi-
lady — berufen Sie Aßemblee hier zuſammen. Laßen
Sie den Herzog hier Tafel halten, oder die l'Hom-
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Zitationshilfe: | Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/38>, abgerufen am 03.03.2025. |