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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

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gelten kann, und nicht selten gefährlicher, als das
Laster selbst ist*).

Eheliche Verbindungen werden bey diesen
Natur-Völkern, nicht von Hochmuth oder der
Habsucht, sondern von der Liebe geschlossen. Da-
her kommt es, daß die Ehen bey ihnen dauerhaf-
ter sind, als man glauben sollte, und Trennun-
gen, zwar sehr leicht, aber selten statt finden;
weil die Liebe, die sie zu ihren Kindern hegen,
macht, daß Mann und Weib sich von Tage zu
Tage unentbehrlicher werden**).

Die Naivität und unschuldigen Scherze der
Hottentotten machten Herrn Vaillant die Un-
terhaltungen mit ihnen sehr angenehm. Ganze
Abende verplauderte er mit ihnen, und jeder wett-
eyferte mit dem Andern, ihn zu erheitern und zu
belustigen***).

Bey diesen Unterhaltungen hatte Herr Vail-
lant
öfters Gelegenheit, das lebhafte Gefühl seiner
Wilden für Recht und Unrecht, Gut und Böse,
Schicklich- und Unschicklichkeit zu bemerken. Jch
befragte mich, sagte unser Reiseschreiber, nach
mehrern Umständen, die Kolbe und andere Rei-
sende von den Hottentotten angeführt haben; wo-
hin ich insbesondre das, was ihre Religion, ihre

Sitten
*) Das. 1. Th. 311 ff.
**) Das. 2. Th. 48 f.
***) Das. 1. Th. 114.

gelten kann, und nicht ſelten gefaͤhrlicher, als das
Laſter ſelbſt iſt*).

Eheliche Verbindungen werden bey dieſen
Natur-Voͤlkern, nicht von Hochmuth oder der
Habſucht, ſondern von der Liebe geſchloſſen. Da-
her kommt es, daß die Ehen bey ihnen dauerhaf-
ter ſind, als man glauben ſollte, und Trennun-
gen, zwar ſehr leicht, aber ſelten ſtatt finden;
weil die Liebe, die ſie zu ihren Kindern hegen,
macht, daß Mann und Weib ſich von Tage zu
Tage unentbehrlicher werden**).

Die Naivitaͤt und unſchuldigen Scherze der
Hottentotten machten Herrn Vaillant die Un-
terhaltungen mit ihnen ſehr angenehm. Ganze
Abende verplauderte er mit ihnen, und jeder wett-
eyferte mit dem Andern, ihn zu erheitern und zu
beluſtigen***).

Bey dieſen Unterhaltungen hatte Herr Vail-
lant
oͤfters Gelegenheit, das lebhafte Gefuͤhl ſeiner
Wilden fuͤr Recht und Unrecht, Gut und Boͤſe,
Schicklich- und Unſchicklichkeit zu bemerken. Jch
befragte mich, ſagte unſer Reiſeſchreiber, nach
mehrern Umſtaͤnden, die Kolbe und andere Rei-
ſende von den Hottentotten angefuͤhrt haben; wo-
hin ich insbeſondre das, was ihre Religion, ihre

Sitten
*) Daſ. 1. Th. 311 ff.
**) Daſ. 2. Th. 48 f.
***) Daſ. 1. Th. 114.
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[511/0227] gelten kann, und nicht ſelten gefaͤhrlicher, als das Laſter ſelbſt iſt *). Eheliche Verbindungen werden bey dieſen Natur-Voͤlkern, nicht von Hochmuth oder der Habſucht, ſondern von der Liebe geſchloſſen. Da- her kommt es, daß die Ehen bey ihnen dauerhaf- ter ſind, als man glauben ſollte, und Trennun- gen, zwar ſehr leicht, aber ſelten ſtatt finden; weil die Liebe, die ſie zu ihren Kindern hegen, macht, daß Mann und Weib ſich von Tage zu Tage unentbehrlicher werden **). Die Naivitaͤt und unſchuldigen Scherze der Hottentotten machten Herrn Vaillant die Un- terhaltungen mit ihnen ſehr angenehm. Ganze Abende verplauderte er mit ihnen, und jeder wett- eyferte mit dem Andern, ihn zu erheitern und zu beluſtigen ***). Bey dieſen Unterhaltungen hatte Herr Vail- lant oͤfters Gelegenheit, das lebhafte Gefuͤhl ſeiner Wilden fuͤr Recht und Unrecht, Gut und Boͤſe, Schicklich- und Unſchicklichkeit zu bemerken. Jch befragte mich, ſagte unſer Reiſeſchreiber, nach mehrern Umſtaͤnden, die Kolbe und andere Rei- ſende von den Hottentotten angefuͤhrt haben; wo- hin ich insbeſondre das, was ihre Religion, ihre Sitten *) Daſ. 1. Th. 311 ff. **) Daſ. 2. Th. 48 f. ***) Daſ. 1. Th. 114.

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/227>, abgerufen am 26.04.2024.