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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

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ste Lectüre; ihre Sitten sind bleyern; ihre
Untergebenen das Spielwerk ihrer Launen; und
die, welchen sie wohlthun, die unglücklichsten
Sclaven*).

Jch habe oben auch des geistlichen Stolzes,
als einer sehr auffallenden Art des Verhältniß-
Stolzes gedacht. Herr Plattner hat die Cha-
raktere desselben in seinen philosophischen Apho-
rismen
**) so treffend angegeben, daß ich ihn
hier für mich reden lassen will.

Hauptzüge des geistlichen Stolzes, sagt
der genannte Schriftsteller, sind: ein Ehrfurcht
erwartendes Betragen, vermischt mit Rangstolz
und hoffärtigem Wohlgefallen an geistlichen Ti-
teln und Würden; affektirte Leutseligkeit; gesalbte
Redensarten; segnende Grüße; steif herablassen-

de
*) Ganz charakteristisch war das, was ein geldstolzer
Bürger einst zu mir sagte. Jch sprach mit ihm
über Ehre und den großen Werth, den Einige
darauf setzten: "Ei, wische wasche, antwortete
er mir, meine Ehre sitzt hier," und klopfte sich da-
bey auf seine Geldtasche, daß es klimperte, und
mehrere Geldstücke heraussprangen. Die Charak-
teristik würde vollständig seyn, wenn ein Chode-
wiecki oder Meil, das Minen- und Gebehrdenspiel,
womit er seine Worte accompagnirte, hätte aufzeich-
nen können.
**) Philosophische Aphorismen, 2ter Theil, S. 336.
§. 733.

ſte Lectuͤre; ihre Sitten ſind bleyern; ihre
Untergebenen das Spielwerk ihrer Launen; und
die, welchen ſie wohlthun, die ungluͤcklichſten
Sclaven*).

Jch habe oben auch des geiſtlichen Stolzes,
als einer ſehr auffallenden Art des Verhaͤltniß-
Stolzes gedacht. Herr Plattner hat die Cha-
raktere deſſelben in ſeinen philoſophiſchen Apho-
rismen
**) ſo treffend angegeben, daß ich ihn
hier fuͤr mich reden laſſen will.

Hauptzuͤge des geiſtlichen Stolzes, ſagt
der genannte Schriftſteller, ſind: ein Ehrfurcht
erwartendes Betragen, vermiſcht mit Rangſtolz
und hoffaͤrtigem Wohlgefallen an geiſtlichen Ti-
teln und Wuͤrden; affektirte Leutſeligkeit; geſalbte
Redensarten; ſegnende Gruͤße; ſteif herablaſſen-

de
*) Ganz charakteriſtiſch war das, was ein geldſtolzer
Buͤrger einſt zu mir ſagte. Jch ſprach mit ihm
uͤber Ehre und den großen Werth, den Einige
darauf ſetzten: „Ei, wiſche waſche, antwortete
er mir, meine Ehre ſitzt hier,„ und klopfte ſich da-
bey auf ſeine Geldtaſche, daß es klimperte, und
mehrere Geldſtuͤcke herausſprangen. Die Charak-
teriſtik wuͤrde vollſtaͤndig ſeyn, wenn ein Chode-
wiecki oder Meil, das Minen- und Gebehrdenſpiel,
womit er ſeine Worte accompagnirte, haͤtte aufzeich-
nen koͤnnen.
**) Philoſophiſche Aphoriſmen, 2ter Theil, S. 336.
§. 733.
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[443/0159] ſte Lectuͤre; ihre Sitten ſind bleyern; ihre Untergebenen das Spielwerk ihrer Launen; und die, welchen ſie wohlthun, die ungluͤcklichſten Sclaven *). Jch habe oben auch des geiſtlichen Stolzes, als einer ſehr auffallenden Art des Verhaͤltniß- Stolzes gedacht. Herr Plattner hat die Cha- raktere deſſelben in ſeinen philoſophiſchen Apho- rismen **) ſo treffend angegeben, daß ich ihn hier fuͤr mich reden laſſen will. Hauptzuͤge des geiſtlichen Stolzes, ſagt der genannte Schriftſteller, ſind: ein Ehrfurcht erwartendes Betragen, vermiſcht mit Rangſtolz und hoffaͤrtigem Wohlgefallen an geiſtlichen Ti- teln und Wuͤrden; affektirte Leutſeligkeit; geſalbte Redensarten; ſegnende Gruͤße; ſteif herablaſſen- de *) Ganz charakteriſtiſch war das, was ein geldſtolzer Buͤrger einſt zu mir ſagte. Jch ſprach mit ihm uͤber Ehre und den großen Werth, den Einige darauf ſetzten: „Ei, wiſche waſche, antwortete er mir, meine Ehre ſitzt hier,„ und klopfte ſich da- bey auf ſeine Geldtaſche, daß es klimperte, und mehrere Geldſtuͤcke herausſprangen. Die Charak- teriſtik wuͤrde vollſtaͤndig ſeyn, wenn ein Chode- wiecki oder Meil, das Minen- und Gebehrdenſpiel, womit er ſeine Worte accompagnirte, haͤtte aufzeich- nen koͤnnen. **) Philoſophiſche Aphoriſmen, 2ter Theil, S. 336. §. 733.

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/159>, abgerufen am 27.04.2024.