Jch war vierzehn Tage zuvor durch einen sehr launigen Brief, in welchem auch namentlich des Balls Erwähnung geschah, zu einer Familien- hochzeit eingeladen worden; und mein Freund, welcher mich einlud, hatte vor der Stadt ein Gartenhaus, in welchem ich schon öfters in Ge- sellschaft der Personen, von welchen ich träum- te, getanzt hatte.
Da sich dieses nun mir vergegenwärtigte, und meine Phantasie seit jener Einladung sich oft mit Hochzeitsfeyerlichkeiten beschäftigt hatte; so konn- ten jene Bilder sich sehr leicht zusammenfinden, und weil ich einmal vom Tanzen träumte, mußte ich wohl am natürlichsten, da meine Tanzkunde sehr eingeschränkt ist, auf jene Quadrille kommen, welche mir die bekannteste und liebste war.
Aber woher die Büsten der Mnemosyne und ihrer Töchter? woher der römische Prätor mit seinem Edikt, in der Gestalt Friedrichs des Zwey- ten? -- Hier häsitirte ich eine Weile, ohne die mindeste Verbindung entdecken zu können, und wäre beynahe müde geworden, weiter zu forschen. Endlich fiel mir ein, daß ich einige Zeit vorher in Plutarchs Tischproblemen unter andern auch das gelesen hatte, welches die neun Musen zum Ge- genstand hat. Jch sprach über den Jnhalt dessel- ben mit einigen andern, und prägte es mir da- durch noch fester ein. Durch diese Entdeckung
nun
Jch war vierzehn Tage zuvor durch einen ſehr launigen Brief, in welchem auch namentlich des Balls Erwaͤhnung geſchah, zu einer Familien- hochzeit eingeladen worden; und mein Freund, welcher mich einlud, hatte vor der Stadt ein Gartenhaus, in welchem ich ſchon oͤfters in Ge- ſellſchaft der Perſonen, von welchen ich traͤum- te, getanzt hatte.
Da ſich dieſes nun mir vergegenwaͤrtigte, und meine Phantaſie ſeit jener Einladung ſich oft mit Hochzeitsfeyerlichkeiten beſchaͤftigt hatte; ſo konn- ten jene Bilder ſich ſehr leicht zuſammenfinden, und weil ich einmal vom Tanzen traͤumte, mußte ich wohl am natuͤrlichſten, da meine Tanzkunde ſehr eingeſchraͤnkt iſt, auf jene Quadrille kommen, welche mir die bekannteſte und liebſte war.
Aber woher die Buͤſten der Mnemoſyne und ihrer Toͤchter? woher der roͤmiſche Praͤtor mit ſeinem Edikt, in der Geſtalt Friedrichs des Zwey- ten? — Hier haͤſitirte ich eine Weile, ohne die mindeſte Verbindung entdecken zu koͤnnen, und waͤre beynahe muͤde geworden, weiter zu forſchen. Endlich fiel mir ein, daß ich einige Zeit vorher in Plutarchs Tiſchproblemen unter andern auch das geleſen hatte, welches die neun Muſen zum Ge- genſtand hat. Jch ſprach uͤber den Jnhalt deſſel- ben mit einigen andern, und praͤgte es mir da- durch noch feſter ein. Durch dieſe Entdeckung
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Jch war vierzehn Tage zuvor durch einen ſehr
launigen Brief, in welchem auch namentlich des
Balls Erwaͤhnung geſchah, zu einer Familien-
hochzeit eingeladen worden; und mein Freund,
welcher mich einlud, hatte vor der Stadt ein
Gartenhaus, in welchem ich ſchon oͤfters in Ge-
ſellſchaft der Perſonen, von welchen ich traͤum-
te, getanzt hatte.
Da ſich dieſes nun mir vergegenwaͤrtigte, und
meine Phantaſie ſeit jener Einladung ſich oft mit
Hochzeitsfeyerlichkeiten beſchaͤftigt hatte; ſo konn-
ten jene Bilder ſich ſehr leicht zuſammenfinden,
und weil ich einmal vom Tanzen traͤumte, mußte
ich wohl am natuͤrlichſten, da meine Tanzkunde
ſehr eingeſchraͤnkt iſt, auf jene Quadrille kommen,
welche mir die bekannteſte und liebſte war.
Aber woher die Buͤſten der Mnemoſyne und
ihrer Toͤchter? woher der roͤmiſche Praͤtor mit
ſeinem Edikt, in der Geſtalt Friedrichs des Zwey-
ten? — Hier haͤſitirte ich eine Weile, ohne
die mindeſte Verbindung entdecken zu koͤnnen, und
waͤre beynahe muͤde geworden, weiter zu forſchen.
Endlich fiel mir ein, daß ich einige Zeit vorher in
Plutarchs Tiſchproblemen unter andern auch das
geleſen hatte, welches die neun Muſen zum Ge-
genſtand hat. Jch ſprach uͤber den Jnhalt deſſel-
ben mit einigen andern, und praͤgte es mir da-
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/120>, abgerufen am 26.04.2024.
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