Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Zwölffte Geistliche Lection
Sterben must du sicherlich/
Auß dir ein Wurm wird werden;
Der Wurm hernach verändert sich

Jn lauter Stanck und Erden:
Der da zuvorn geziehret war
Mit schönem Kleid deß Menschen:
Muß nachmahl seyn kein Mensch/ furwahr/
Er hat verlohrn den Menschen.

Diß laß du dir alles dienen
Die Hoffart zu vermeiden.

Der andere Theil.

7. SEynd wir nun versichert/ daß der Brunquell alles böses sey die
Hoffart/ so ist ja einem jeden nöthig/ der seine Wohlfart liebet/
daß er die Ader dieser Quellen verstopffe: obwoln nun zu solchem
Zweck das jenige gnug zu seyn scheinet/ was am End dieses vorgesetzten
Theils gemeldet ist: so gibt uns dannoch zu dessen mehrern Beförderung der
H. Apostel Paulus ein stattiches Mittel mit diesen wenigen Worten an die
2. Cor.3.
5.
Hand: wir seynd deß Vermögens nit/ etwas von uns/ als von
uns selbst zu gedencken:
nach Zeugnüß deß Apostels können wir nichts
guts gedencken/ und sollen dannoch etwas guts thun können? müssen nicht die
gute Gedancken vor dem Werck vorher gehen? lehret nit die tägliche Erfahr-
nüß/ daß die Werck selbst schwärer fallen/ als die Gedancken und das Vor-
nehmen gute Werck zu verrichten/ weilen in den Wercken viele äusserliche
Beschwärnüssen müssen überwunden werden/ so in den vorher gehenden Ge-
dancken sich nicht ereignen? wann wir dann nicht vermögen etwas gutes zu
gedencken/ wie werden wir noch hinzu das Gute können ins Werck stellen?
zumahlen bey mir ists außgemacht; daß der jenige/ so zum Kleinen nicht be-
stand ist/ zum Grossen auch in einerley Art der Sachen untäuglich seye: der-
halben müssen wir das jenige gute Werck/ so wir üben/ dem Allmächtigen
Gott gäntzlich/ und uns gar nicht zucignen/ nach den Worten deß König-
lichen Propheten: Nicht uns/ O Herr/ nicht uns/ sondern dei-
Psal. 113.
v.
9.
nem Nahmen gib die Ehr: Wann solche Lehr der arme Mensch zu
beobachten sich fleissig unterstünde/ würde er sicherlich dem Strick der Sün-
den nicht so erbärmlicher Weiß zu theil werden: nicht würde der H. Einsidler
Jacobus mit der bey ihm übernachteten Jungfrawen gesündiget/ und selbige
nachmahls getödter haben; wann nicht eine verborgene Hoffart die Ursach so

grosser
Die Zwoͤlffte Geiſtliche Lection
Sterben muſt du ſicherlich/
Auß dir ein Wurm wird werden;
Der Wurm hernach veraͤndert ſich

Jn lauter Stanck und Erden:
Der da zuvorn geziehret war
Mit ſchoͤnem Kleid deß Menſchen:
Muß nachmahl ſeyn kein Menſch/ fůrwahr/
Er hat verlohrn den Menſchen.

Diß laß du dir alles dienen
Die Hoffart zu vermeiden.

Der andere Theil.

7. SEynd wir nun verſichert/ daß der Brunquell alles boͤſes ſey die
Hoffart/ ſo iſt ja einem jeden noͤthig/ der ſeine Wohlfart liebet/
daß er die Ader dieſer Quellen verſtopffe: obwoln nun zu ſolchem
Zweck das jenige gnug zu ſeyn ſcheinet/ was am End dieſes vorgeſetzten
Theils gemeldet iſt: ſo gibt uns dannoch zu deſſen mehrern Befoͤrderung der
H. Apoſtel Paulus ein ſtattiches Mittel mit dieſen wenigen Worten an die
2. Cor.3.
5.
Hand: wir ſeynd deß Vermoͤgens nit/ etwas von uns/ als von
uns ſelbſt zu gedencken:
nach Zeugnuͤß deß Apoſtels koͤnnen wir nichts
guts gedencken/ und ſollen dannoch etwas guts thun koͤnnen? muͤſſen nicht die
gute Gedancken vor dem Werck vorher gehen? lehret nit die taͤgliche Erfahr-
nuͤß/ daß die Werck ſelbſt ſchwaͤrer fallen/ als die Gedancken und das Vor-
nehmen gute Werck zu verrichten/ weilen in den Wercken viele aͤuſſerliche
Beſchwaͤrnuͤſſen muͤſſen uͤberwunden werden/ ſo in den vorher gehenden Ge-
dancken ſich nicht ereignen? wann wir dann nicht vermoͤgen etwas gutes zu
gedencken/ wie werden wir noch hinzu das Gute koͤnnen ins Werck ſtellen?
zumahlen bey mir iſts außgemacht; daß der jenige/ ſo zum Kleinen nicht be-
ſtand iſt/ zum Groſſen auch in einerley Art der Sachen untaͤuglich ſeye: der-
halben muͤſſen wir das jenige gute Werck/ ſo wir uͤben/ dem Allmaͤchtigen
Gott gaͤntzlich/ und uns gar nicht zucignen/ nach den Worten deß Koͤnig-
lichen Propheten: Nicht uns/ O Herr/ nicht uns/ ſondern dei-
Pſal. 113.
v.
9.
nem Nahmen gib die Ehr: Wann ſolche Lehr der arme Menſch zu
beobachten ſich fleiſſig unterſtuͤnde/ wuͤrde er ſicherlich dem Strick der Suͤn-
den nicht ſo erbaͤrmlicher Weiß zu theil werden: nicht wuͤrde der H. Einſidler
Jacobus mit der bey ihm uͤbernachteten Jungfrawen geſuͤndiget/ und ſelbige
nachmahls getoͤdter haben; wann nicht eine verborgene Hoffart die Urſach ſo

groſſer
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0166" n="138"/>
          <fw place="top" type="header">Die Zwo&#x0364;lffte Gei&#x017F;tliche <hi rendition="#aq">Lection</hi></fw><lb/>
          <lg n="2">
            <l> <hi rendition="#fr">Sterben mu&#x017F;t du &#x017F;icherlich/</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">Auß dir ein Wurm wird werden;<lb/>
Der Wurm hernach vera&#x0364;ndert &#x017F;ich</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">Jn lauter Stanck und Erden:</hi> </l>
          </lg><lb/>
          <lg n="3">
            <l> <hi rendition="#fr">Der da zuvorn geziehret war</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">Mit &#x017F;cho&#x0364;nem Kleid deß Men&#x017F;chen:</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">Muß nachmahl &#x017F;eyn kein Men&#x017F;ch/ f&#x016F;rwahr/</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">Er hat verlohrn den Men&#x017F;chen.</hi> </l>
          </lg><lb/>
          <p> <hi rendition="#et">Diß laß du dir alles dienen<lb/>
Die <hi rendition="#fr">H</hi>offart zu vermeiden.</hi> </p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Der andere Theil.</hi> </head><lb/>
          <p>7. <hi rendition="#in">S</hi>Eynd wir nun ver&#x017F;ichert/ daß der Brunquell alles bo&#x0364;&#x017F;es &#x017F;ey die<lb/>
Hoffart/ &#x017F;o i&#x017F;t ja einem jeden no&#x0364;thig/ der &#x017F;eine Wohlfart liebet/<lb/>
daß er die Ader die&#x017F;er Quellen ver&#x017F;topffe: obwoln nun zu &#x017F;olchem<lb/>
Zweck das jenige gnug zu &#x017F;eyn &#x017F;cheinet/ was am End die&#x017F;es vorge&#x017F;etzten<lb/>
Theils gemeldet i&#x017F;t: &#x017F;o gibt uns dannoch zu de&#x017F;&#x017F;en mehrern Befo&#x0364;rderung der<lb/>
H. Apo&#x017F;tel Paulus ein &#x017F;tattiches Mittel mit die&#x017F;en wenigen Worten an die<lb/><note place="left">2. <hi rendition="#aq">Cor.</hi>3.<lb/>
5.</note>Hand: <hi rendition="#fr">wir &#x017F;eynd deß Vermo&#x0364;gens nit/ etwas von uns/ als von<lb/>
uns &#x017F;elb&#x017F;t zu gedencken:</hi> nach Zeugnu&#x0364;ß deß Apo&#x017F;tels ko&#x0364;nnen wir nichts<lb/>
guts gedencken/ und &#x017F;ollen dannoch etwas guts thun ko&#x0364;nnen? mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en nicht die<lb/>
gute Gedancken vor dem Werck vorher gehen? lehret nit die ta&#x0364;gliche Erfahr-<lb/>
nu&#x0364;ß/ daß die Werck &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chwa&#x0364;rer fallen/ als die Gedancken und das Vor-<lb/>
nehmen gute Werck zu verrichten/ weilen in den Wercken viele a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erliche<lb/>
Be&#x017F;chwa&#x0364;rnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en u&#x0364;berwunden werden/ &#x017F;o in den vorher gehenden Ge-<lb/>
dancken &#x017F;ich nicht ereignen? wann wir dann nicht vermo&#x0364;gen etwas gutes zu<lb/>
gedencken/ wie werden wir noch hinzu das Gute ko&#x0364;nnen ins Werck &#x017F;tellen?<lb/>
zumahlen bey mir i&#x017F;ts außgemacht; daß der jenige/ &#x017F;o zum Kleinen nicht be-<lb/>
&#x017F;tand i&#x017F;t/ zum Gro&#x017F;&#x017F;en auch in einerley Art der Sachen unta&#x0364;uglich &#x017F;eye: der-<lb/>
halben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir das jenige gute Werck/ &#x017F;o wir u&#x0364;ben/ dem Allma&#x0364;chtigen<lb/>
Gott ga&#x0364;ntzlich/ und uns gar nicht zucignen/ nach den Worten deß Ko&#x0364;nig-<lb/>
lichen Propheten: <hi rendition="#fr">Nicht uns/ O Herr/ nicht uns/ &#x017F;ondern dei-</hi><lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">P&#x017F;al. 113.<lb/>
v.</hi> 9.</note><hi rendition="#fr">nem Nahmen gib die Ehr:</hi> Wann &#x017F;olche Lehr der arme Men&#x017F;ch zu<lb/>
beobachten &#x017F;ich flei&#x017F;&#x017F;ig unter&#x017F;tu&#x0364;nde/ wu&#x0364;rde er &#x017F;icherlich dem Strick der Su&#x0364;n-<lb/>
den nicht &#x017F;o erba&#x0364;rmlicher Weiß zu theil werden: nicht wu&#x0364;rde der H. Ein&#x017F;idler<lb/>
Jacobus mit der bey ihm u&#x0364;bernachteten Jungfrawen ge&#x017F;u&#x0364;ndiget/ und &#x017F;elbige<lb/>
nachmahls geto&#x0364;dter haben; wann nicht eine verborgene Hoffart die Ur&#x017F;ach &#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gro&#x017F;&#x017F;er</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0166] Die Zwoͤlffte Geiſtliche Lection Sterben muſt du ſicherlich/ Auß dir ein Wurm wird werden; Der Wurm hernach veraͤndert ſich Jn lauter Stanck und Erden: Der da zuvorn geziehret war Mit ſchoͤnem Kleid deß Menſchen: Muß nachmahl ſeyn kein Menſch/ fůrwahr/ Er hat verlohrn den Menſchen. Diß laß du dir alles dienen Die Hoffart zu vermeiden. Der andere Theil. 7. SEynd wir nun verſichert/ daß der Brunquell alles boͤſes ſey die Hoffart/ ſo iſt ja einem jeden noͤthig/ der ſeine Wohlfart liebet/ daß er die Ader dieſer Quellen verſtopffe: obwoln nun zu ſolchem Zweck das jenige gnug zu ſeyn ſcheinet/ was am End dieſes vorgeſetzten Theils gemeldet iſt: ſo gibt uns dannoch zu deſſen mehrern Befoͤrderung der H. Apoſtel Paulus ein ſtattiches Mittel mit dieſen wenigen Worten an die Hand: wir ſeynd deß Vermoͤgens nit/ etwas von uns/ als von uns ſelbſt zu gedencken: nach Zeugnuͤß deß Apoſtels koͤnnen wir nichts guts gedencken/ und ſollen dannoch etwas guts thun koͤnnen? muͤſſen nicht die gute Gedancken vor dem Werck vorher gehen? lehret nit die taͤgliche Erfahr- nuͤß/ daß die Werck ſelbſt ſchwaͤrer fallen/ als die Gedancken und das Vor- nehmen gute Werck zu verrichten/ weilen in den Wercken viele aͤuſſerliche Beſchwaͤrnuͤſſen muͤſſen uͤberwunden werden/ ſo in den vorher gehenden Ge- dancken ſich nicht ereignen? wann wir dann nicht vermoͤgen etwas gutes zu gedencken/ wie werden wir noch hinzu das Gute koͤnnen ins Werck ſtellen? zumahlen bey mir iſts außgemacht; daß der jenige/ ſo zum Kleinen nicht be- ſtand iſt/ zum Groſſen auch in einerley Art der Sachen untaͤuglich ſeye: der- halben muͤſſen wir das jenige gute Werck/ ſo wir uͤben/ dem Allmaͤchtigen Gott gaͤntzlich/ und uns gar nicht zucignen/ nach den Worten deß Koͤnig- lichen Propheten: Nicht uns/ O Herr/ nicht uns/ ſondern dei- nem Nahmen gib die Ehr: Wann ſolche Lehr der arme Menſch zu beobachten ſich fleiſſig unterſtuͤnde/ wuͤrde er ſicherlich dem Strick der Suͤn- den nicht ſo erbaͤrmlicher Weiß zu theil werden: nicht wuͤrde der H. Einſidler Jacobus mit der bey ihm uͤbernachteten Jungfrawen geſuͤndiget/ und ſelbige nachmahls getoͤdter haben; wann nicht eine verborgene Hoffart die Urſach ſo groſſer 2. Cor.3. 5. Pſal. 113. v. 9.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/166
Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/166>, abgerufen am 03.12.2024.