Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679.[Spaltenumbruch] heraus geworffen: sondern es schwinget die leichte Flügel in die Höhe/ und breitet sich von einem zum andern aus. Ein Schiff/ so von der Gewalt der Winde getrieben wird/ kann man mit Anckern und Seilen anhalten und vest legen: wann aber ein Wort/ aus dem Hafen des Mundes/ abgefahren/ ist offtermalen weder Rede/ oder Schiffslage/ weder Ufer/ noch Ancker vorhanden/ so es anhalten und stillen möchten: sondernes lauffet mit grossem Gerüchte auf eine Klippe/ und stürtzt seinen Herrn/ von dem es auskommen/ in den Abgrund des Meers. Weil nun viel Redens/ so gar viel Schadens thun kan: gebotte Pythagoras seinen Lehr-Schülern/ daß sie/ in gantzer fünff Jahren/ kein Wort reden/ sondern schweigen lernen musten/ und diese Schule wurde genennet Echemitie/ oder die Bezwingung der Zunge: dann wer keine Maß im Schweigen zugebrauchen weis/ der [Spaltenumbruch] Auslegung/ über die Telethusa und Isis. wird schwerlich auch mässiglich reden können. Daß Telethusa ihre Zunge bezwingen konte/ war eine Ursach/ daß die Isis vom Tode erlöst/ und in Mannskleidern auferzogen/ auch nachgehends ein Mann worden. Welche gedichtete Veränderung anders nichts andeutet/ dann daß unterweilen eine Tochter wol auferzogen/ gründlich gelehrt/ auch in freyen Künsten/ das bey denen Weibern sonsten ungemein ist/ geschicklich/ unterwiesen und erfahren ist/ daß sich iederman darüber verwundern muß/ wie tüchtig sie sey/ alles das/ was sonsten einem Manne zukommt/ zu bedienen und auszurichten/ also daß sie nachmals/ so wol ihr selbsten/ als ihrem Manne/ Eltern und gantzem Hausgesinde sehr nutz und dienlich seyn könne. Ende des neundten Buchs. Zehntes Buch. [Spaltenumbruch]
Vom Orpheus. IN diesem zehnten Buche/ finden wir erstlich den lieblich- und anmuhtig/ spielenden Thracischen Säiten-spieler/ der mit der schönen Euridice Beylager hält: Er war ein Sohn des Apollo/ und (wie wir anderwarts gesagt haben) der Calliope/ zu diesem Beylager kam von Creta der Hochzeit-Gott/ aus der glücklichen Ehe des neu erstandenen Manns Iphis/ in das Thracische Ciconien geflogen/ da er anders nichts/ dann traurige Vorzeichen gab/ dann er keinen frölichen Anblick zeigte/ noch einig angenehmes Wort redete. Die Hochzeit-Kertzen/ welche dieser Gott in der rechten Hand hatte/ war nichts/ dann Rauch/ weil sie von Thränen gantz tunckel brandte/ und zu spratzeln und krachen pflegte. Kürtzlich/ die Braut gieng mit den Najaden/ wie unser Poet sagt: Virgilius aber sagt/ mit dem gantzen Chor der Gesellschafft der Dryaden/ in dem grünen sich zu ergetzen/ und wurde gesehen/ von dem ersten Bienmann/ dem jungen Aristaeus/ Könige von Arcadien/ der sich in sie verliebte/ und ihr nachjagte/ da sie[Spaltenumbruch] vor ihm flüchtig/ endlich durch die tödliche Schlangen-bissige Fersen-Wunde in Plutonis tunckelm Reich erligen muste. Wie unser Poet/ und Virgilius/ im vierdten Buch des Landbaues/ dis alles/ wie auch des Orpheus Hertzweh/ seine Thier-Zähmung/ das Bewegen der sinnlosen Dinge/ die Höllen-fahrt und angenehme Wiederkunft/ mit neuer Traurigkeit über den zweyten Verlust seiner hertzlich-geliebten Gemahlin/ beschreibt. Maro erzehlt/ daß er gerne wieder umgekehrt wäre/ zu versuchen/ ob er mit seinem anmuhtig und lieblichklingendem Säiten/ der grausamen Höllgeister Hertzen besänfftigen möchte. Allein was solte er thun ? der greise unbarmhertzige Fuhrman wolte ihn/ mit seinem alten/ mürben und geflicktem Kahn/ über die drey Höllen-Flüsse/ Acheron/ Styx und Cocytus/ nicht wiederum hinüber führen. Dieser Höllen-Strohm-Fahrer/ Charon/ war ein Sohn des Erebus/ und der Nacht. Erebus aber war von dem Chaos-Volcke/ und nicht um ein Haar besser/ als ein greulicher/ kalter/ tunckler und tieffer Ort der verdammten Seelen/ oder derjenigen/ welche auf dieser Welt viel böses begangen und allda grausamlich [Spaltenumbruch] heraus geworffen: sondern es schwinget die leichte Flügel in die Höhe/ und breitet sich von einem zum andern aus. Ein Schiff/ so von der Gewalt der Winde getrieben wird/ kann man mit Anckern und Seilen anhalten und vest legen: wann aber ein Wort/ aus dem Hafen des Mundes/ abgefahren/ ist offtermalen weder Rede/ oder Schiffslage/ weder Ufer/ noch Ancker vorhanden/ so es anhalten und stillen möchten: sondernes lauffet mit grossem Gerüchte auf eine Klippe/ und stürtzt seinen Herrn/ von dem es auskommen/ in den Abgrund des Meers. Weil nun viel Redens/ so gar viel Schadens thun kan: gebotte Pythagoras seinen Lehr-Schülern/ daß sie/ in gantzer fünff Jahren/ kein Wort reden/ sondern schweigen lernen musten/ und diese Schule wurde genennet Echemitie/ oder die Bezwingung der Zunge: dann wer keine Maß im Schweigen zugebrauchen weis/ der [Spaltenumbruch] Auslegung/ über die Telethusa und Isis. wird schwerlich auch mässiglich reden können. Daß Telethusa ihre Zunge bezwingen konte/ war eine Ursach/ daß die Isis vom Tode erlöst/ und in Mannskleidern auferzogen/ auch nachgehends ein Mann worden. Welche gedichtete Veränderung anders nichts andeutet/ dann daß unterweilen eine Tochter wol auferzogen/ gründlich gelehrt/ auch in freyen Künsten/ das bey denen Weibern sonsten ungemein ist/ geschicklich/ unterwiesen und erfahren ist/ daß sich iederman darüber verwundern muß/ wie tüchtig sie sey/ alles das/ was sonsten einem Manne zukommt/ zu bedienen und auszurichten/ also daß sie nachmals/ so wol ihr selbsten/ als ihrem Manne/ Eltern und gantzem Hausgesinde sehr nutz und dienlich seyn könne. Ende des neundten Buchs. Zehntes Buch. [Spaltenumbruch]
Vom Orpheus. IN diesem zehnten Buche/ finden wir erstlich den lieblich- und anmuhtig/ spielenden Thracischen Säiten-spieler/ der mit der schönen Euridice Beylager hält: Er war ein Sohn des Apollo/ und (wie wir anderwarts gesagt haben) der Calliope/ zu diesem Beylager kam von Creta der Hochzeit-Gott/ aus der glücklichen Ehe des neu erstandenen Manns Iphis/ in das Thracische Ciconien geflogen/ da er anders nichts/ dann traurige Vorzeichen gab/ dann er keinen frölichen Anblick zeigte/ noch einig angenehmes Wort redete. Die Hochzeit-Kertzen/ welche dieser Gott in der rechten Hand hatte/ war nichts/ dann Rauch/ weil sie von Thränen gantz tunckel brandte/ und zu spratzeln und krachen pflegte. Kürtzlich/ die Braut gieng mit den Najaden/ wie unser Poet sagt: Virgilius aber sagt/ mit dem gantzen Chor der Gesellschafft der Dryaden/ in dem grünen sich zu ergetzen/ und wurde gesehen/ von dem ersten Bienmann/ dem jungen Aristaeus/ Könige von Arcadien/ der sich in sie verliebte/ und ihr nachjagte/ da sie[Spaltenumbruch] vor ihm flüchtig/ endlich durch die tödliche Schlangen-bissige Fersen-Wunde in Plutonis tunckelm Reich erligen muste. Wie unser Poet/ und Virgilius/ im vierdten Buch des Landbaues/ dis alles/ wie auch des Orpheus Hertzweh/ seine Thier-Zähmung/ das Bewegen der sinnlosen Dinge/ die Höllen-fahrt und angenehme Wiederkunft/ mit neuer Traurigkeit über den zweyten Verlust seiner hertzlich-geliebten Gemahlin/ beschreibt. Maro erzehlt/ daß er gerne wieder umgekehrt wäre/ zu versuchen/ ob er mit seinem anmuhtig und lieblichklingendem Säiten/ der grausamen Höllgeister Hertzen besänfftigen möchte. Allein was solte er thun ? der greise unbarmhertzige Fuhrman wolte ihn/ mit seinem alten/ mürben und geflicktem Kahn/ über die drey Höllen-Flüsse/ Acheron/ Styx und Cocytus/ nicht wiederum hinüber führen. Dieser Höllen-Strohm-Fahrer/ Charon/ war ein Sohn des Erebus/ und der Nacht. Erebus aber war von dem Chaos-Volcke/ und nicht um ein Haar besser/ als ein greulicher/ kalter/ tunckler und tieffer Ort der verdammten Seelen/ oder derjenigen/ welche auf dieser Welt viel böses begangen und allda grausamlich <TEI> <text> <body> <div> <div> <div> <p><pb facs="#f0292" xml:id="pb-1239" n="[Metamorphosis, S. 116]"/><cb/> heraus geworffen: sondern es schwinget die leichte Flügel in die Höhe/ und breitet sich von einem zum andern aus. Ein Schiff/ so von der Gewalt der Winde getrieben wird/ kann man mit Anckern und Seilen anhalten und vest legen: wann aber ein Wort/ aus dem Hafen des Mundes/ abgefahren/ ist offtermalen weder Rede/ oder Schiffslage/ weder Ufer/ noch Ancker vorhanden/ so es anhalten und stillen möchten: sondernes lauffet mit grossem Gerüchte auf eine Klippe/ und stürtzt seinen Herrn/ von dem es auskommen/ in den Abgrund des Meers. Weil nun viel Redens/ so gar viel Schadens thun kan: gebotte <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-305 http://d-nb.info/gnd/118597248 http://viaf.org/viaf/102862543">Pythagoras</persName> seinen Lehr-Schülern/ daß sie/ in gantzer fünff Jahren/ kein Wort reden/ sondern schweigen lernen musten/ und diese Schule wurde genennet Echemitie/ oder die Bezwingung der Zunge: dann wer keine Maß im Schweigen zugebrauchen weis/ der <cb/> <note place="right">Auslegung/ über die <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-3638">Telethusa</persName> und <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-4565">Isis</persName>.</note> wird schwerlich auch mässiglich reden können. Daß <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-3638">Telethusa</persName> ihre Zunge bezwingen konte/ war eine Ursach/ daß die <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-4565">Isis</persName> vom Tode erlöst/ und in Mannskleidern auferzogen/ auch nachgehends ein Mann worden. Welche gedichtete Veränderung anders nichts andeutet/ dann daß unterweilen eine Tochter wol auferzogen/ gründlich gelehrt/ auch in freyen Künsten/ das bey denen Weibern sonsten ungemein ist/ geschicklich/ unterwiesen und erfahren ist/ daß sich iederman darüber verwundern muß/ wie tüchtig sie sey/ alles das/ was sonsten einem Manne zukommt/ zu bedienen und auszurichten/ also daß sie nachmals/ so wol ihr selbsten/ als ihrem Manne/ Eltern und gantzem Hausgesinde sehr nutz und dienlich seyn könne.</p> <p rendition="#c"> Ende des neundten Buchs. </p> </div> <div> <head> Ausleg- und Sinn-gebender<lb/> Erklärung/<lb/> der<lb/><hi rendition="#aq">METAMORPHOSIS</hi><lb/> oder<lb/> Verwandlungs-Bücher/<lb/> Des<lb/><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-350 http://d-nb.info/gnd/118590995 http://viaf.org/viaf/88342447">Publius Ovidius Naso</persName>. </head><lb/> <head>Zehntes Buch.</head><lb/> <cb/> <p xml:id="p1239.1"><note place="right">Vom <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-532 http://d-nb.info/gnd/118590278 http://viaf.org/viaf/27213508">Orpheus</persName>.</note><hi rendition="#in">I</hi>N diesem zehnten Buche/ finden wir erstlich den lieblich- und anmuhtig/ spielenden Thracischen Säiten-spieler/ der mit der schönen <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1818 http://d-nb.info/gnd/119507706 http://viaf.org/viaf/42649968">Euridice</persName> Beylager hält: Er war ein Sohn des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-59 http://d-nb.info/gnd/118503642 http://viaf.org/viaf/3261638">Apollo</persName>/ und (wie <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-836">wir</persName> anderwarts gesagt haben) der <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2927 http://d-nb.info/gnd/12148565X http://viaf.org/viaf/22998655">Calliope</persName>/ zu diesem Beylager kam von <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-642 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&place=&nation=&subjectid=7012056">Creta</placeName> der Hochzeit-Gott/ aus der glücklichen Ehe des neu erstandenen Manns <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-4565">Iphis</persName>/ in das Thracische <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-2231">Ciconien</placeName> geflogen/ da er anders nichts/ dann traurige Vorzeichen gab/ dann er keinen frölichen Anblick zeigte/ noch einig angenehmes Wort redete. Die Hochzeit-Kertzen/ welche dieser Gott in der rechten Hand hatte/ war nichts/ dann Rauch/ weil sie von Thränen gantz tunckel brandte/ und zu spratzeln und krachen pflegte. Kürtzlich/ die Braut gieng mit den <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-4103 http://d-nb.info/gnd/7715165-3">Najaden</persName>/ wie <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-350 http://d-nb.info/gnd/118590995 http://viaf.org/viaf/88342447">unser Poet</persName> sagt: <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-410 http://d-nb.info/gnd/118626574 http://viaf.org/viaf/8194433">Virgilius</persName> aber sagt/ mit dem gantzen Chor der Gesellschafft der Dryaden/ in dem grünen sich zu ergetzen/ und wurde gesehen/ von dem ersten Bienmann/ dem jungen <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2497">Aristaeus</persName>/ Könige von <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-806 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&place=&nation=&subjectid=7002735">Arcadien</placeName>/ der sich in sie verliebte/ und ihr nachjagte/ da sie<cb/> vor ihm flüchtig/ endlich durch die tödliche Schlangen-bissige Fersen-Wunde in <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-340">Plutonis</persName> tunckelm Reich erligen muste. Wie <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-350 http://d-nb.info/gnd/118590995 http://viaf.org/viaf/88342447">unser Poet</persName>/ und <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-410 http://d-nb.info/gnd/118626574 http://viaf.org/viaf/8194433">Virgilius</persName>/ im vierdten Buch des Landbaues/ dis alles/ wie auch des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-532 http://d-nb.info/gnd/118590278 http://viaf.org/viaf/27213508">Orpheus</persName> Hertzweh/ seine Thier-Zähmung/ das Bewegen der sinnlosen Dinge/ die Höllen-fahrt und angenehme Wiederkunft/ mit neuer Traurigkeit über den zweyten Verlust seiner hertzlich-geliebten Gemahlin/ beschreibt. <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-5632">Maro</persName> erzehlt/ daß er gerne wieder umgekehrt wäre/ zu versuchen/ ob er mit seinem anmuhtig und lieblichklingendem Säiten/ der grausamen Höllgeister Hertzen besänfftigen möchte. Allein was solte er thun ? der greise unbarmhertzige Fuhrman wolte ihn/ mit seinem alten/ mürben und geflicktem Kahn/ über die drey Höllen-Flüsse/ <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-1393">Acheron</placeName>/ <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-1175">Styx</placeName> und <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-1392">Cocytus</placeName>/ nicht wiederum hinüber führen. Dieser Höllen-Strohm-Fahrer/ <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-138 http://d-nb.info/gnd/119009129 http://viaf.org/viaf/47562307">Charon</persName>/ war ein Sohn des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1862">Erebus</persName>/ und der <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-3535">Nacht</persName>. <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1862">Erebus</persName> aber war von dem Chaos-Volcke/ und nicht um ein Haar besser/ als ein greulicher/ kalter/ tunckler und tieffer Ort der verdammten Seelen/ oder derjenigen/ welche auf dieser Welt viel böses begangen und allda grausamlich </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[Metamorphosis, S. 116]/0292]
heraus geworffen: sondern es schwinget die leichte Flügel in die Höhe/ und breitet sich von einem zum andern aus. Ein Schiff/ so von der Gewalt der Winde getrieben wird/ kann man mit Anckern und Seilen anhalten und vest legen: wann aber ein Wort/ aus dem Hafen des Mundes/ abgefahren/ ist offtermalen weder Rede/ oder Schiffslage/ weder Ufer/ noch Ancker vorhanden/ so es anhalten und stillen möchten: sondernes lauffet mit grossem Gerüchte auf eine Klippe/ und stürtzt seinen Herrn/ von dem es auskommen/ in den Abgrund des Meers. Weil nun viel Redens/ so gar viel Schadens thun kan: gebotte Pythagoras seinen Lehr-Schülern/ daß sie/ in gantzer fünff Jahren/ kein Wort reden/ sondern schweigen lernen musten/ und diese Schule wurde genennet Echemitie/ oder die Bezwingung der Zunge: dann wer keine Maß im Schweigen zugebrauchen weis/ der
wird schwerlich auch mässiglich reden können. Daß Telethusa ihre Zunge bezwingen konte/ war eine Ursach/ daß die Isis vom Tode erlöst/ und in Mannskleidern auferzogen/ auch nachgehends ein Mann worden. Welche gedichtete Veränderung anders nichts andeutet/ dann daß unterweilen eine Tochter wol auferzogen/ gründlich gelehrt/ auch in freyen Künsten/ das bey denen Weibern sonsten ungemein ist/ geschicklich/ unterwiesen und erfahren ist/ daß sich iederman darüber verwundern muß/ wie tüchtig sie sey/ alles das/ was sonsten einem Manne zukommt/ zu bedienen und auszurichten/ also daß sie nachmals/ so wol ihr selbsten/ als ihrem Manne/ Eltern und gantzem Hausgesinde sehr nutz und dienlich seyn könne.
Auslegung/ über die Telethusa und Isis. Ende des neundten Buchs.
Ausleg- und Sinn-gebender
Erklärung/
der
METAMORPHOSIS
oder
Verwandlungs-Bücher/
Des
Publius Ovidius Naso.
Zehntes Buch.
IN diesem zehnten Buche/ finden wir erstlich den lieblich- und anmuhtig/ spielenden Thracischen Säiten-spieler/ der mit der schönen Euridice Beylager hält: Er war ein Sohn des Apollo/ und (wie wir anderwarts gesagt haben) der Calliope/ zu diesem Beylager kam von Creta der Hochzeit-Gott/ aus der glücklichen Ehe des neu erstandenen Manns Iphis/ in das Thracische Ciconien geflogen/ da er anders nichts/ dann traurige Vorzeichen gab/ dann er keinen frölichen Anblick zeigte/ noch einig angenehmes Wort redete. Die Hochzeit-Kertzen/ welche dieser Gott in der rechten Hand hatte/ war nichts/ dann Rauch/ weil sie von Thränen gantz tunckel brandte/ und zu spratzeln und krachen pflegte. Kürtzlich/ die Braut gieng mit den Najaden/ wie unser Poet sagt: Virgilius aber sagt/ mit dem gantzen Chor der Gesellschafft der Dryaden/ in dem grünen sich zu ergetzen/ und wurde gesehen/ von dem ersten Bienmann/ dem jungen Aristaeus/ Könige von Arcadien/ der sich in sie verliebte/ und ihr nachjagte/ da sie
vor ihm flüchtig/ endlich durch die tödliche Schlangen-bissige Fersen-Wunde in Plutonis tunckelm Reich erligen muste. Wie unser Poet/ und Virgilius/ im vierdten Buch des Landbaues/ dis alles/ wie auch des Orpheus Hertzweh/ seine Thier-Zähmung/ das Bewegen der sinnlosen Dinge/ die Höllen-fahrt und angenehme Wiederkunft/ mit neuer Traurigkeit über den zweyten Verlust seiner hertzlich-geliebten Gemahlin/ beschreibt. Maro erzehlt/ daß er gerne wieder umgekehrt wäre/ zu versuchen/ ob er mit seinem anmuhtig und lieblichklingendem Säiten/ der grausamen Höllgeister Hertzen besänfftigen möchte. Allein was solte er thun ? der greise unbarmhertzige Fuhrman wolte ihn/ mit seinem alten/ mürben und geflicktem Kahn/ über die drey Höllen-Flüsse/ Acheron/ Styx und Cocytus/ nicht wiederum hinüber führen. Dieser Höllen-Strohm-Fahrer/ Charon/ war ein Sohn des Erebus/ und der Nacht. Erebus aber war von dem Chaos-Volcke/ und nicht um ein Haar besser/ als ein greulicher/ kalter/ tunckler und tieffer Ort der verdammten Seelen/ oder derjenigen/ welche auf dieser Welt viel böses begangen und allda grausamlich
Vom Orpheus.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Sandrart.net: Bereitstellung der Texttranskription in XML/TEI.
(2013-05-21T09:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus sandrart.net entsprechen muss.
Sandrart.net: Bereitstellung der Bilddigitalisate.
(2013-05-21T09:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-05-21T09:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |