Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679.Ausleg- und Sinn-gebender Erklärung/ der METAMORPHOSIS oder Verwandlungs- Bücher/ Des Publius Ovidius Naso. Neundtes Buch. [Spaltenumbruch]
IN diesem neundtem Buche/ haben wir erstlich den Kampffstreit des Achelous mit dem Hercules/ zu Liebe und Ehren der schönen Dianira/ einer Tochter des Königs Oeneus: Darum ist alhier nöhtig/ zu wissen/ wer dieser Achelous gewest sey. Vom Achelous. AChelous ist gewest ein König von Aetolien; ein Sohn des Oceans und der Nymphe Nals oder Tethys; wie Plutarchus bezeuget. Er ertranck im Fluß Thoas/ welcher vom Berge Pindus in Thessalien ursprünglich herkommet/ die Lande Aetolien und Acarnanien voneinander scheidet/ durch Perrhaebien lauffet/ und endlich bey Maliac sich in die See ergeusst/ welche man Sinum Maliacum ehedessen/ hernach aber Golfo del Ziton, oder Volo, genannt. Dieser darinnen ertrunckene König aber benahm diesem Fluß seinen alten Namen. Achelous war ehlich verlobt/ mit der der wunder-schönen Dianira: und weil sie/ von ihrem Vatter/ auch dem Hercules versprochen war: als muste erst darum gekämpfft werden. Achelous veränderte sich in eine Schlange/ in einen Stier/ und endlich in einen Menschen/ mit einem Ochsen- oder Stiers-Haupte: darbey ihn Hercules fassete/ das rechte Horn herum drähete/ und ihn also verwundete. Das Horn/ sagt unser Poet/ wurde von Stund an mit Aepffeln und allerley wolriechenden Dingen angefüllt. Jedoch sind andere/ die da wollen/ Achelous habe sein Horn behalten/ und solches von dem Hercules gelöset/ mit dem Horn der Amalthaea/ des Haemons Tochter: immassen solches auch unser Poet berühret/ in dem Schreiben der Dianira/ wann er saget: Achelous ließ sein zerbrochnes Horn dort hören. Da das zerstossne Haupt/ in seinem Wieder- kehren/ [Spaltenumbruch] ins trübe Wasser hin er zu verbergen gieng/ in trauriger Gestalt. Ursprung des Uberfluß Horns. Dieses Horn/ welches Achelous dem Hercules/ für das Seinige/ gab/ war von der Geiß/ welche die Rhea/ Ops oder Cybele/ wie man sie nennen will/ des Jupiters Mutter/ des Cretischen Königs Melissus Töchtern gegeben/ daß sie/ mit dero Milch/ heimlich ihren Jupiter auferziehen solten: Diese Töchter hiessen Melissa und Amalthaea. Nachdem nun Jupiter zu verständigem Alter kommen/ setzte er diese Geiß unter die Sternen/ und gab diesen seinen Pflegmüttern/ für ihre mit ihm gehabte Müh und Arbeit/ das eine Horn; deme er solche Krafft mittheilte/ daß der Besitzer oder Inhaber dessen/ alles/ was er wünschen oder begehren würde/ von Stunden an bekommen und haben solte/ es möchte seyn Essen oder Trincken/ etc. Andere sagen/ diese zwo Nymphen hätten geheissen Hega und Melice/ die Jupiter mit Honig und Milch auferzogen/ von einer ihrer Geissen/ die sie sehr geliebt/ bis einsmals selbige Geiß ohngefehr/ an einem Baume/ das eine Horn abgebrochen: worüber sie sehr betrübt worden. Und weil sie hierzu keinen Raht gesehen/ noch gewust/ was sie/ mit selbigem Horn/ thun solten/ hätten sie solches/ mit allerhand wolriechenden Blumen und Früchten/ angefüllt/ und ringsumher/ mit schönen grünen Blättern/ bekleidet/ über welchem ihr Pflegkind/ der junge Jupiter/ zu sehen war/ welches ihme dann wunderwol gefiele/ weswegen ers in grossen Ehren hielte/ und wolte/ daß es seiner Pflegmutter/ der Geiß/ zu Ehren/ ein Zeichen des Uberflusses seyn solte. Dahero es dann auch das Horn des Uberflusses oder Reichthums/ und/ das Horn der Amalthaea genannt ward. Pherecydes aber saget von keinem Geißhorne: sondern/ daß des Königs von Aetolia Tochter/ Namens Amalthaea/ ein Stiers-Horn gehabt/ so/ mit besagter Krafft und Eigenschafft/ begabt gewest. Unser Poet kommt/ in Beschreibung seines Horns/ überein mit dem Zeugnus des Apollodorus/ der da saget/ daß des Acheloi Horn/ von den Wasser-Nymphen/ mit allerley Ausleg- und Sinn-gebender Erklärung/ der METAMORPHOSIS oder Verwandlungs- Bücher/ Des Publius Ovidius Naso. Neundtes Buch. [Spaltenumbruch]
IN diesem neundtem Buche/ haben wir erstlich den Kampffstreit des Achelous mit dem Hercules/ zu Liebe und Ehren der schönen Dianira/ einer Tochter des Königs Oeneus: Darum ist alhier nöhtig/ zu wissen/ wer dieser Achelous gewest sey. Vom Achelous. AChelous ist gewest ein König von Aetolien; ein Sohn des Oceans und der Nymphe Nals oder Tethys; wie Plutarchus bezeuget. Er ertranck im Fluß Thoas/ welcher vom Berge Pindus in Thessalien ursprünglich herkommet/ die Lande Aetolien und Acarnanien voneinander scheidet/ durch Perrhaebien lauffet/ und endlich bey Maliac sich in die See ergeusst/ welche man Sinum Maliacum ehedessen/ hernach aber Golfo del Ziton, oder Volo, genannt. Dieser darinnen ertrunckene König aber benahm diesem Fluß seinen alten Namen. Achelous war ehlich verlobt/ mit der der wunder-schönen Dianira: und weil sie/ von ihrem Vatter/ auch dem Hercules versprochen war: als muste erst darum gekämpfft werden. Achelous veränderte sich in eine Schlange/ in einen Stier/ und endlich in einen Menschen/ mit einem Ochsen- oder Stiers-Haupte: darbey ihn Hercules fassete/ das rechte Horn herum drähete/ und ihn also verwundete. Das Horn/ sagt unser Poet/ wurde von Stund an mit Aepffeln und allerley wolriechenden Dingen angefüllt. Jedoch sind andere/ die da wollen/ Achelous habe sein Horn behalten/ und solches von dem Hercules gelöset/ mit dem Horn der Amalthaea/ des Haemons Tochter: immassen solches auch unser Poet berühret/ in dem Schreiben der Dianira/ wann er saget: Achelous ließ sein zerbrochnes Horn dort hören. Da das zerstossne Haupt/ in seinem Wieder- kehren/ [Spaltenumbruch] ins trübe Wasser hin er zu verbergen gieng/ in trauriger Gestalt. Ursprung des Uberfluß Horns. Dieses Horn/ welches Achelous dem Hercules/ für das Seinige/ gab/ war von der Geiß/ welche die Rhea/ Ops oder Cybele/ wie man sie nennen will/ des Jupiters Mutter/ des Cretischen Königs Melissus Töchtern gegeben/ daß sie/ mit dero Milch/ heimlich ihren Jupiter auferziehen solten: Diese Töchter hiessen Melissa und Amalthaea. Nachdem nun Jupiter zu verständigem Alter kommen/ setzte er diese Geiß unter die Sternen/ und gab diesen seinen Pflegmüttern/ für ihre mit ihm gehabte Müh und Arbeit/ das eine Horn; deme er solche Krafft mittheilte/ daß der Besitzer oder Inhaber dessen/ alles/ was er wünschen oder begehren würde/ von Stunden an bekommen und haben solte/ es möchte seyn Essen oder Trincken/ etc. Andere sagen/ diese zwo Nymphen hätten geheissen Hega und Melice/ die Jupiter mit Honig und Milch auferzogen/ von einer ihrer Geissen/ die sie sehr geliebt/ bis einsmals selbige Geiß ohngefehr/ an einem Baume/ das eine Horn abgebrochen: worüber sie sehr betrübt worden. Und weil sie hierzu keinen Raht gesehen/ noch gewust/ was sie/ mit selbigem Horn/ thun solten/ hätten sie solches/ mit allerhand wolriechenden Blumen und Früchten/ angefüllt/ und ringsumher/ mit schönen grünen Blättern/ bekleidet/ über welchem ihr Pflegkind/ der junge Jupiter/ zu sehen war/ welches ihme dann wunderwol gefiele/ weswegen ers in grossen Ehren hielte/ und wolte/ daß es seiner Pflegmutter/ der Geiß/ zu Ehren/ ein Zeichen des Uberflusses seyn solte. Dahero es dann auch das Horn des Uberflusses oder Reichthums/ und/ das Horn der Amalthaea genannt ward. Pherecydes aber saget von keinem Geißhorne: sondern/ daß des Königs von Aetolia Tochter/ Namens Amalthaea/ ein Stiers-Horn gehabt/ so/ mit besagter Krafft und Eigenschafft/ begabt gewest. 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Nachdem nun <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-99 http://d-nb.info/gnd/118558897 http://viaf.org/viaf/22933410">Jupiter</persName> zu verständigem Alter kommen/ setzte er diese Geiß unter die Sternen/ und gab diesen seinen Pflegmüttern/ für ihre mit ihm gehabte Müh und Arbeit/ das eine Horn; deme er solche Krafft mittheilte/ daß der Besitzer oder Inhaber dessen/ alles/ was er wünschen oder begehren würde/ von Stunden an bekommen und haben solte/ es möchte seyn Essen oder Trincken/ etc. Andere sagen/ diese zwo Nymphen hätten geheissen <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-5632">Hega</persName> und <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-5632">Melice</persName>/ die <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-99 http://d-nb.info/gnd/118558897 http://viaf.org/viaf/22933410">Jupiter</persName> mit Honig und Milch auferzogen/ von einer ihrer Geissen/ die sie sehr geliebt/ bis einsmals selbige Geiß ohngefehr/ an einem Baume/ das eine Horn abgebrochen: worüber sie sehr betrübt worden. Und weil sie hierzu keinen Raht gesehen/ noch gewust/ was sie/ mit selbigem Horn/ thun solten/ hätten sie solches/ mit allerhand wolriechenden Blumen und Früchten/ angefüllt/ und ringsumher/ mit schönen grünen Blättern/ bekleidet/ über welchem ihr Pflegkind/ der junge <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-99 http://d-nb.info/gnd/118558897 http://viaf.org/viaf/22933410">Jupiter</persName>/ zu sehen war/ welches ihme dann wunderwol gefiele/ weswegen ers in grossen Ehren hielte/ und wolte/ daß es seiner Pflegmutter/ der Geiß/ zu Ehren/ ein Zeichen des Uberflusses seyn solte. Dahero es dann auch das Horn des Uberflusses oder Reichthums/ und/ das Horn der <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1925 http://d-nb.info/gnd/129694886 http://viaf.org/viaf/55234186">Amalthaea</persName> genannt ward. <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-3118 http://d-nb.info/gnd/11879177X http://viaf.org/viaf/64803637">Pherecydes</persName> aber saget von keinem Geißhorne: sondern/ daß des Königs von <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-270 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&place=&nation=&subjectid=7002678">Aetolia</placeName> Tochter/ Namens <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1925 http://d-nb.info/gnd/129694886 http://viaf.org/viaf/55234186">Amalthaea</persName>/ ein Stiers-Horn gehabt/ so/ mit besagter Krafft und Eigenschafft/ begabt gewest. <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-350 http://d-nb.info/gnd/118590995 http://viaf.org/viaf/88342447">Unser Poet</persName> kommt/ in Beschreibung seines Horns/ überein mit dem Zeugnus des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-115 http://d-nb.info/gnd/118503650 http://viaf.org/viaf/100219503">Apollodorus</persName>/ der da saget/ daß des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-3127 http://d-nb.info/gnd/118646699 http://viaf.org/viaf/67259053">Acheloi</persName> Horn/ von den Wasser-Nymphen/ mit allerley </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[Metamorphosis, S. 103]/0279]
Ausleg- und Sinn-gebender
Erklärung/
der
METAMORPHOSIS
oder
Verwandlungs- Bücher/
Des
Publius Ovidius Naso.
Neundtes Buch.
IN diesem neundtem Buche/ haben wir erstlich den Kampffstreit des Achelous mit dem Hercules/ zu Liebe und Ehren der schönen Dianira/ einer Tochter des Königs Oeneus: Darum ist alhier nöhtig/ zu wissen/ wer dieser Achelous gewest sey.
Vom Achelous.
AChelous ist gewest ein König von Aetolien; ein Sohn des Oceans und der Nymphe Nals oder Tethys; wie Plutarchus bezeuget. Er ertranck im Fluß Thoas/ welcher vom Berge Pindus in Thessalien ursprünglich herkommet/ die Lande Aetolien und Acarnanien voneinander scheidet/ durch Perrhaebien lauffet/ und endlich bey Maliac sich in die See ergeusst/ welche man Sinum Maliacum ehedessen/ hernach aber Golfo del Ziton, oder Volo, genannt. Dieser darinnen ertrunckene König aber benahm diesem Fluß seinen alten Namen. Achelous war ehlich verlobt/ mit der der wunder-schönen Dianira: und weil sie/ von ihrem Vatter/ auch dem Hercules versprochen war: als muste erst darum gekämpfft werden. Achelous veränderte sich in eine Schlange/ in einen Stier/ und endlich in einen Menschen/ mit einem Ochsen- oder Stiers-Haupte: darbey ihn Hercules fassete/ das rechte Horn herum drähete/ und ihn also verwundete. Das Horn/ sagt unser Poet/ wurde von Stund an mit Aepffeln und allerley wolriechenden Dingen angefüllt. Jedoch sind andere/ die da wollen/ Achelous habe sein Horn behalten/ und solches von dem Hercules gelöset/ mit dem Horn der Amalthaea/ des Haemons Tochter: immassen solches auch unser Poet berühret/ in dem Schreiben der Dianira/ wann er saget:
Achelous ließ sein zerbrochnes Horn dort
hören.
Da das zerstossne Haupt/ in seinem Wieder-
kehren/
ins trübe Wasser hin er zu verbergen
gieng/
in trauriger Gestalt.
Dieses Horn/ welches Achelous dem Hercules/ für das Seinige/ gab/ war von der Geiß/ welche die Rhea/ Ops oder Cybele/ wie man sie nennen will/ des Jupiters Mutter/ des Cretischen Königs Melissus Töchtern gegeben/ daß sie/ mit dero Milch/ heimlich ihren Jupiter auferziehen solten: Diese Töchter hiessen Melissa und Amalthaea. Nachdem nun Jupiter zu verständigem Alter kommen/ setzte er diese Geiß unter die Sternen/ und gab diesen seinen Pflegmüttern/ für ihre mit ihm gehabte Müh und Arbeit/ das eine Horn; deme er solche Krafft mittheilte/ daß der Besitzer oder Inhaber dessen/ alles/ was er wünschen oder begehren würde/ von Stunden an bekommen und haben solte/ es möchte seyn Essen oder Trincken/ etc. Andere sagen/ diese zwo Nymphen hätten geheissen Hega und Melice/ die Jupiter mit Honig und Milch auferzogen/ von einer ihrer Geissen/ die sie sehr geliebt/ bis einsmals selbige Geiß ohngefehr/ an einem Baume/ das eine Horn abgebrochen: worüber sie sehr betrübt worden. Und weil sie hierzu keinen Raht gesehen/ noch gewust/ was sie/ mit selbigem Horn/ thun solten/ hätten sie solches/ mit allerhand wolriechenden Blumen und Früchten/ angefüllt/ und ringsumher/ mit schönen grünen Blättern/ bekleidet/ über welchem ihr Pflegkind/ der junge Jupiter/ zu sehen war/ welches ihme dann wunderwol gefiele/ weswegen ers in grossen Ehren hielte/ und wolte/ daß es seiner Pflegmutter/ der Geiß/ zu Ehren/ ein Zeichen des Uberflusses seyn solte. Dahero es dann auch das Horn des Uberflusses oder Reichthums/ und/ das Horn der Amalthaea genannt ward. Pherecydes aber saget von keinem Geißhorne: sondern/ daß des Königs von Aetolia Tochter/ Namens Amalthaea/ ein Stiers-Horn gehabt/ so/ mit besagter Krafft und Eigenschafft/ begabt gewest. Unser Poet kommt/ in Beschreibung seines Horns/ überein mit dem Zeugnus des Apollodorus/ der da saget/ daß des Acheloi Horn/ von den Wasser-Nymphen/ mit allerley
Ursprung des Uberfluß Horns.
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Zitationshilfe: | Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679, S. [Metamorphosis, S. 103]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0203_1679/279>, abgerufen am 03.03.2025. |