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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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des Holzes sorgfältig einschliessen, damit bei der starken
Konsumtion der Holzkohlen auf den Würtembergischen
Eisenwerken doch für seine Nachkommenschaft gesorget
wird. Wenn Kirchengeschäfte vorkommen, wird eine
ausserordentliche Rathsversammlung gehalten, und die
Geistlichen darzu gezogen, so daß die Sache auf den Fuß
der protestantischen Konsistorien behandelt wird. Ehe
die Rathssession anfängt, muß der Syndikus allemal
einen eigenen Morgensegen vorlesen. Dann nimmt
man erst die Geschäfte vor. Ich finde diese alte Einrich-
tung sehr gut. Unsre Vorfahren wuften, daß Religion
und Gottesfurcht der stärkste Antrieb zur Rechtschaffen-
heit und Gewissenhaftigkeit ist. Daher flochten sie die
Religion überall mit ein. In unsern Zeiten ist man so
stolz worden, daß man sich der Verehrung Gottes an öf-
sentlichen Orten schämet; aber die betrübten Wirkungen
dieser eingebildeten Aufklärung vervielfältigen sich leider!
auch alle Tage. Man denkt hier auch ernstlich auf die
Verbesserung der Schuleinrichtungen, und man sprach
eben so eifrig von der Einführung eines neuen Gesang-
buchs, wozu ich den lieben Leuten auch das Gesangbuch
meines Vaters schicken muste. Der Wall um die Stadt
ist dem Fremden ein angenehmer Spaziergang mit einer
schönen Aussicht auf die umliegenden Gegenden. In
der Stadt wird viel wollenes Tuch oder Fries gemacht,
auch wird viel Baumwolle von den Handelsleuten aus
Wien etc. die mit Wagen hierher kommen, gesponnen,
gekauft, und als gesponnenes Garn verkauft.

Auf dem Grunde und Boden der Stadt sind die er-
giebigen Eisengruben, in welchen das Haus Würtem-

berg

des Holzes ſorgfaͤltig einſchlieſſen, damit bei der ſtarken
Konſumtion der Holzkohlen auf den Wuͤrtembergiſchen
Eiſenwerken doch fuͤr ſeine Nachkommenſchaft geſorget
wird. Wenn Kirchengeſchaͤfte vorkommen, wird eine
auſſerordentliche Rathsverſammlung gehalten, und die
Geiſtlichen darzu gezogen, ſo daß die Sache auf den Fuß
der proteſtantiſchen Konſiſtorien behandelt wird. Ehe
die Rathsſeſſion anfaͤngt, muß der Syndikus allemal
einen eigenen Morgenſegen vorleſen. Dann nimmt
man erſt die Geſchaͤfte vor. Ich finde dieſe alte Einrich-
tung ſehr gut. Unſre Vorfahren wuften, daß Religion
und Gottesfurcht der ſtaͤrkſte Antrieb zur Rechtſchaffen-
heit und Gewiſſenhaftigkeit iſt. Daher flochten ſie die
Religion uͤberall mit ein. In unſern Zeiten iſt man ſo
ſtolz worden, daß man ſich der Verehrung Gottes an oͤf-
ſentlichen Orten ſchaͤmet; aber die betruͤbten Wirkungen
dieſer eingebildeten Aufklaͤrung vervielfaͤltigen ſich leider!
auch alle Tage. Man denkt hier auch ernſtlich auf die
Verbeſſerung der Schuleinrichtungen, und man ſprach
eben ſo eifrig von der Einfuͤhrung eines neuen Geſang-
buchs, wozu ich den lieben Leuten auch das Geſangbuch
meines Vaters ſchicken muſte. Der Wall um die Stadt
iſt dem Fremden ein angenehmer Spaziergang mit einer
ſchoͤnen Ausſicht auf die umliegenden Gegenden. In
der Stadt wird viel wollenes Tuch oder Fries gemacht,
auch wird viel Baumwolle von den Handelsleuten aus
Wien ꝛc. die mit Wagen hierher kommen, geſponnen,
gekauft, und als geſponnenes Garn verkauft.

Auf dem Grunde und Boden der Stadt ſind die er-
giebigen Eiſengruben, in welchen das Haus Wuͤrtem-

berg
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[54/0092] des Holzes ſorgfaͤltig einſchlieſſen, damit bei der ſtarken Konſumtion der Holzkohlen auf den Wuͤrtembergiſchen Eiſenwerken doch fuͤr ſeine Nachkommenſchaft geſorget wird. Wenn Kirchengeſchaͤfte vorkommen, wird eine auſſerordentliche Rathsverſammlung gehalten, und die Geiſtlichen darzu gezogen, ſo daß die Sache auf den Fuß der proteſtantiſchen Konſiſtorien behandelt wird. Ehe die Rathsſeſſion anfaͤngt, muß der Syndikus allemal einen eigenen Morgenſegen vorleſen. Dann nimmt man erſt die Geſchaͤfte vor. Ich finde dieſe alte Einrich- tung ſehr gut. Unſre Vorfahren wuften, daß Religion und Gottesfurcht der ſtaͤrkſte Antrieb zur Rechtſchaffen- heit und Gewiſſenhaftigkeit iſt. Daher flochten ſie die Religion uͤberall mit ein. In unſern Zeiten iſt man ſo ſtolz worden, daß man ſich der Verehrung Gottes an oͤf- ſentlichen Orten ſchaͤmet; aber die betruͤbten Wirkungen dieſer eingebildeten Aufklaͤrung vervielfaͤltigen ſich leider! auch alle Tage. Man denkt hier auch ernſtlich auf die Verbeſſerung der Schuleinrichtungen, und man ſprach eben ſo eifrig von der Einfuͤhrung eines neuen Geſang- buchs, wozu ich den lieben Leuten auch das Geſangbuch meines Vaters ſchicken muſte. Der Wall um die Stadt iſt dem Fremden ein angenehmer Spaziergang mit einer ſchoͤnen Ausſicht auf die umliegenden Gegenden. In der Stadt wird viel wollenes Tuch oder Fries gemacht, auch wird viel Baumwolle von den Handelsleuten aus Wien ꝛc. die mit Wagen hierher kommen, geſponnen, gekauft, und als geſponnenes Garn verkauft. Auf dem Grunde und Boden der Stadt ſind die er- giebigen Eiſengruben, in welchen das Haus Wuͤrtem- berg

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/92>, abgerufen am 26.04.2024.