Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.22. Die ihr die Erd' entehrt, zu geben Gott die Ehre! Ein schlechtes Zeugnis gebt ihr selber eurer Lehre. Gott selbst in Ehren will die Welt gehalten wissen, Sonst hätte sie sein Wort um Nichts dem Nichts entrissen. Er hat sie hell gemacht, ihr wollt sie finster machen; Er hat an Menschen Lust, an Würmern ihr und Drachen. Halb Drachen feuerspeind, halb angstgewundne Würmer, Des ird'schen Heiligthums der Dichtkunst Bilderstürmer! O Zeit! daß scheulos sich ans Tagslicht wagen Eulen, Und siegreich Nachtigall-Gesänge niederheulen! Die sehn in Rafaels Verklärung Teufelsfratzen, Und, Bilder vom Scheol im Herzen, Liebe schwatzen! Macht euch zur Lust nur Qual, und schwelgt im Jammerthal, Und nie licht' eure Nacht ein Gottes Freudenstral! Die Lehre, die nicht rein das Herz wie Sonnenschein Erfüllt, erfreut, erhebt, kann nicht vom Himmel seyn. 22. Die ihr die Erd' entehrt, zu geben Gott die Ehre! Ein ſchlechtes Zeugnis gebt ihr ſelber eurer Lehre. Gott ſelbſt in Ehren will die Welt gehalten wiſſen, Sonſt haͤtte ſie ſein Wort um Nichts dem Nichts entriſſen. Er hat ſie hell gemacht, ihr wollt ſie finſter machen; Er hat an Menſchen Luſt, an Wuͤrmern ihr und Drachen. Halb Drachen feuerſpeind, halb angſtgewundne Wuͤrmer, Des ird'ſchen Heiligthums der Dichtkunſt Bilderſtuͤrmer! O Zeit! daß ſcheulos ſich ans Tagslicht wagen Eulen, Und ſiegreich Nachtigall-Geſaͤnge niederheulen! Die ſehn in Rafaels Verklaͤrung Teufelsfratzen, Und, Bilder vom Scheol im Herzen, Liebe ſchwatzen! Macht euch zur Luſt nur Qual, und ſchwelgt im Jammerthal, Und nie licht' eure Nacht ein Gottes Freudenſtral! Die Lehre, die nicht rein das Herz wie Sonnenſchein Erfuͤllt, erfreut, erhebt, kann nicht vom Himmel ſeyn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0031" n="21"/> <div n="2"> <head>22.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Die ihr die Erd' entehrt, zu geben Gott die Ehre!</l><lb/> <l>Ein ſchlechtes Zeugnis gebt ihr ſelber eurer Lehre.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Gott ſelbſt in Ehren will die Welt gehalten wiſſen,</l><lb/> <l>Sonſt haͤtte ſie ſein Wort um Nichts dem Nichts entriſſen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Er hat ſie hell gemacht, ihr wollt ſie finſter machen;</l><lb/> <l>Er hat an Menſchen Luſt, an Wuͤrmern ihr und Drachen.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Halb Drachen feuerſpeind, halb angſtgewundne Wuͤrmer,</l><lb/> <l>Des ird'ſchen Heiligthums der Dichtkunſt Bilderſtuͤrmer!</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>O Zeit! daß ſcheulos ſich ans Tagslicht wagen Eulen,</l><lb/> <l>Und ſiegreich Nachtigall-Geſaͤnge niederheulen!</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Die ſehn in Rafaels Verklaͤrung Teufelsfratzen,</l><lb/> <l>Und, Bilder vom Scheol im Herzen, Liebe ſchwatzen!</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Macht euch zur Luſt nur Qual, und ſchwelgt im Jammerthal,</l><lb/> <l>Und nie licht' eure Nacht ein Gottes Freudenſtral!</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Die Lehre, die nicht rein das Herz wie Sonnenſchein</l><lb/> <l>Erfuͤllt, erfreut, erhebt, kann nicht vom Himmel ſeyn.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [21/0031]
22.
Die ihr die Erd' entehrt, zu geben Gott die Ehre!
Ein ſchlechtes Zeugnis gebt ihr ſelber eurer Lehre.
Gott ſelbſt in Ehren will die Welt gehalten wiſſen,
Sonſt haͤtte ſie ſein Wort um Nichts dem Nichts entriſſen.
Er hat ſie hell gemacht, ihr wollt ſie finſter machen;
Er hat an Menſchen Luſt, an Wuͤrmern ihr und Drachen.
Halb Drachen feuerſpeind, halb angſtgewundne Wuͤrmer,
Des ird'ſchen Heiligthums der Dichtkunſt Bilderſtuͤrmer!
O Zeit! daß ſcheulos ſich ans Tagslicht wagen Eulen,
Und ſiegreich Nachtigall-Geſaͤnge niederheulen!
Die ſehn in Rafaels Verklaͤrung Teufelsfratzen,
Und, Bilder vom Scheol im Herzen, Liebe ſchwatzen!
Macht euch zur Luſt nur Qual, und ſchwelgt im Jammerthal,
Und nie licht' eure Nacht ein Gottes Freudenſtral!
Die Lehre, die nicht rein das Herz wie Sonnenſchein
Erfuͤllt, erfreut, erhebt, kann nicht vom Himmel ſeyn.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/31>, abgerufen am 22.02.2025. |