Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.88. Den Menschen gnüget nie, was Menschen wissen können, Kein Vorrecht wollen sie darin den Göttern gönnen. Doch hat solch Wissen nie sie göttergleich gemacht, Um ihren menschlichen Verstand nur oft gebracht. Laß uns, was vor uns steht, gewahren und erfahren, Und was darüber geht, auf dahinüber sparen. Es ist ja gut daß uns bleib' etwas vorbehalten, Das wir zu seiner Zeit mit neuer Lust entfalten. Ich sage dir auch nicht, du sollst dich gar nicht schwingen Hinan, hinüber nur mit Hals und Kopf nicht springen. Es ist ein Unterschied, ob man hinüber blicke, Ob man hinüberspring' und breche das Genicke. Schwing dich empor und hol' herab von dort die Ahnung, Die gnügt zur Mahnung dir, die gnüget dir zur Bahnung, Zur Mahnung deines Wegs, daß du nicht sinkst in Ruh, Zur Bahnung eines Stegs dem höhern Ziele zu. 88. Den Menſchen gnuͤget nie, was Menſchen wiſſen koͤnnen, Kein Vorrecht wollen ſie darin den Goͤttern goͤnnen. Doch hat ſolch Wiſſen nie ſie goͤttergleich gemacht, Um ihren menſchlichen Verſtand nur oft gebracht. Laß uns, was vor uns ſteht, gewahren und erfahren, Und was daruͤber geht, auf dahinuͤber ſparen. Es iſt ja gut daß uns bleib' etwas vorbehalten, Das wir zu ſeiner Zeit mit neuer Luſt entfalten. Ich ſage dir auch nicht, du ſollſt dich gar nicht ſchwingen Hinan, hinuͤber nur mit Hals und Kopf nicht ſpringen. Es iſt ein Unterſchied, ob man hinuͤber blicke, Ob man hinuͤberſpring' und breche das Genicke. Schwing dich empor und hol' herab von dort die Ahnung, Die gnuͤgt zur Mahnung dir, die gnuͤget dir zur Bahnung, Zur Mahnung deines Wegs, daß du nicht ſinkſt in Ruh, Zur Bahnung eines Stegs dem hoͤhern Ziele zu. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0198" n="188"/> <div n="2"> <head>88.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Den Menſchen gnuͤget nie, was Menſchen wiſſen koͤnnen,</l><lb/> <l>Kein Vorrecht wollen ſie darin den Goͤttern goͤnnen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Doch hat ſolch Wiſſen nie ſie goͤttergleich gemacht,</l><lb/> <l>Um ihren menſchlichen Verſtand nur oft gebracht.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Laß uns, was vor uns ſteht, gewahren und erfahren,</l><lb/> <l>Und was daruͤber geht, auf dahinuͤber ſparen.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Es iſt ja gut daß uns bleib' etwas vorbehalten,</l><lb/> <l>Das wir zu ſeiner Zeit mit neuer Luſt entfalten.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Ich ſage dir auch nicht, du ſollſt dich gar nicht ſchwingen</l><lb/> <l>Hinan, hinuͤber nur mit Hals und Kopf nicht ſpringen.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Es iſt ein Unterſchied, ob man hinuͤber blicke,</l><lb/> <l>Ob man hinuͤberſpring' und breche das Genicke.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Schwing dich empor und hol' herab von dort die Ahnung,</l><lb/> <l>Die gnuͤgt zur Mahnung dir, die gnuͤget dir zur Bahnung,</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Zur Mahnung deines Wegs, daß du nicht ſinkſt in Ruh,</l><lb/> <l>Zur Bahnung eines Stegs dem hoͤhern Ziele zu.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [188/0198]
88.
Den Menſchen gnuͤget nie, was Menſchen wiſſen koͤnnen,
Kein Vorrecht wollen ſie darin den Goͤttern goͤnnen.
Doch hat ſolch Wiſſen nie ſie goͤttergleich gemacht,
Um ihren menſchlichen Verſtand nur oft gebracht.
Laß uns, was vor uns ſteht, gewahren und erfahren,
Und was daruͤber geht, auf dahinuͤber ſparen.
Es iſt ja gut daß uns bleib' etwas vorbehalten,
Das wir zu ſeiner Zeit mit neuer Luſt entfalten.
Ich ſage dir auch nicht, du ſollſt dich gar nicht ſchwingen
Hinan, hinuͤber nur mit Hals und Kopf nicht ſpringen.
Es iſt ein Unterſchied, ob man hinuͤber blicke,
Ob man hinuͤberſpring' und breche das Genicke.
Schwing dich empor und hol' herab von dort die Ahnung,
Die gnuͤgt zur Mahnung dir, die gnuͤget dir zur Bahnung,
Zur Mahnung deines Wegs, daß du nicht ſinkſt in Ruh,
Zur Bahnung eines Stegs dem hoͤhern Ziele zu.
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