Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.So hab' ich dir erklärt dis Wort, um dir zu zähmen Den ungestümen Sinn, doch nicht den Muth zu lähmen. Solang ein Zweifel ist, laß dich von ihm bedingen, Doch daß er nicht mehr sei, versuch' ihn zu bezwingen. Verzweifle nicht an dir vor jedem Zweifelsfall; Wenn du mit Muth ihm stehst, siehst du des Zweifels Fall. Gib dich gefangen nie in träger Zweifel Haft! In jedem Zweifelsfall räth Gott unzweifelhaft. 88. Dem Ganzen offenbar gereicht es nicht zum Heil, Wenn es begünstiget vor andern einen Theil; Doch auch dem Theile wird es nicht zum Heil gereichen, Der sich begünstigt sieht vor allen seines gleichen: Der unbegünstigte wird zwar am Mangel sterben, Doch der begünstigte vor Ueberfluß verderben. So hab' ich dir erklaͤrt dis Wort, um dir zu zaͤhmen Den ungeſtuͤmen Sinn, doch nicht den Muth zu laͤhmen. Solang ein Zweifel iſt, laß dich von ihm bedingen, Doch daß er nicht mehr ſei, verſuch' ihn zu bezwingen. Verzweifle nicht an dir vor jedem Zweifelsfall; Wenn du mit Muth ihm ſtehſt, ſiehſt du des Zweifels Fall. Gib dich gefangen nie in traͤger Zweifel Haft! In jedem Zweifelsfall raͤth Gott unzweifelhaft. 88. Dem Ganzen offenbar gereicht es nicht zum Heil, Wenn es beguͤnſtiget vor andern einen Theil; Doch auch dem Theile wird es nicht zum Heil gereichen, Der ſich beguͤnſtigt ſieht vor allen ſeines gleichen: Der unbeguͤnſtigte wird zwar am Mangel ſterben, Doch der beguͤnſtigte vor Ueberfluß verderben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0194" n="184"/> <lg n="9"> <l>So hab' ich dir erklaͤrt dis Wort, um dir zu zaͤhmen</l><lb/> <l>Den ungeſtuͤmen Sinn, doch nicht den Muth zu laͤhmen.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Solang ein Zweifel iſt, laß dich von ihm bedingen,</l><lb/> <l>Doch daß er nicht mehr ſei, verſuch' ihn zu bezwingen.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Verzweifle nicht an dir vor jedem Zweifelsfall;</l><lb/> <l>Wenn du mit Muth ihm ſtehſt, ſiehſt du des Zweifels Fall.</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>Gib dich gefangen nie in traͤger Zweifel Haft!</l><lb/> <l>In jedem Zweifelsfall raͤth Gott unzweifelhaft.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>88.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Dem Ganzen offenbar gereicht es nicht zum Heil,</l><lb/> <l>Wenn es beguͤnſtiget vor andern einen Theil;</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Doch auch dem Theile wird es nicht zum Heil gereichen,</l><lb/> <l>Der ſich beguͤnſtigt ſieht vor allen ſeines gleichen:</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Der unbeguͤnſtigte wird zwar am Mangel ſterben,</l><lb/> <l>Doch der beguͤnſtigte vor Ueberfluß verderben.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [184/0194]
So hab' ich dir erklaͤrt dis Wort, um dir zu zaͤhmen
Den ungeſtuͤmen Sinn, doch nicht den Muth zu laͤhmen.
Solang ein Zweifel iſt, laß dich von ihm bedingen,
Doch daß er nicht mehr ſei, verſuch' ihn zu bezwingen.
Verzweifle nicht an dir vor jedem Zweifelsfall;
Wenn du mit Muth ihm ſtehſt, ſiehſt du des Zweifels Fall.
Gib dich gefangen nie in traͤger Zweifel Haft!
In jedem Zweifelsfall raͤth Gott unzweifelhaft.
88.
Dem Ganzen offenbar gereicht es nicht zum Heil,
Wenn es beguͤnſtiget vor andern einen Theil;
Doch auch dem Theile wird es nicht zum Heil gereichen,
Der ſich beguͤnſtigt ſieht vor allen ſeines gleichen:
Der unbeguͤnſtigte wird zwar am Mangel ſterben,
Doch der beguͤnſtigte vor Ueberfluß verderben.
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