Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.89. Den Menschen wenn der Mensch im Menschen stets erkennte, So manche Schranke nicht von Menschen Menschen trennte; Es würde weniger Mensch gegen Menschen stehn, Es würde sich kein Mensch am Menschlichen vergehn. Was wüthet hoch vom Thron herab ein Wütherich? Er sieht die Menschen tief gleich Thieren unter sich. Was gilt dem Muselman für einen Hund der Christ? Er sieht es ihm nicht an, daß er sein Bruder ist. Was macht den Weißen hart dem Schwarzen gegenüber? Der Menschheit Züge sind auf dessen Antlitz trüber. Der Arme, Niedre, haßt den Höheren, den Reichen, Weil er so wenig selbst sich fühlt als dessen gleichen. Und wer sich jedes Rechts von andern sieht beraubt, Hält jedes Unrecht auch sich gegen sie erlaubt. 89. Den Menſchen wenn der Menſch im Menſchen ſtets erkennte, So manche Schranke nicht von Menſchen Menſchen trennte; Es wuͤrde weniger Menſch gegen Menſchen ſtehn, Es wuͤrde ſich kein Menſch am Menſchlichen vergehn. Was wuͤthet hoch vom Thron herab ein Wuͤtherich? Er ſieht die Menſchen tief gleich Thieren unter ſich. Was gilt dem Muſelman fuͤr einen Hund der Chriſt? Er ſieht es ihm nicht an, daß er ſein Bruder iſt. Was macht den Weißen hart dem Schwarzen gegenuͤber? Der Menſchheit Zuͤge ſind auf deſſen Antlitz truͤber. Der Arme, Niedre, haßt den Hoͤheren, den Reichen, Weil er ſo wenig ſelbſt ſich fuͤhlt als deſſen gleichen. Und wer ſich jedes Rechts von andern ſieht beraubt, Haͤlt jedes Unrecht auch ſich gegen ſie erlaubt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0195" n="185"/> <div n="2"> <head>89.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Den Menſchen wenn der Menſch im Menſchen ſtets erkennte,</l><lb/> <l>So manche Schranke nicht von Menſchen Menſchen trennte;</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Es wuͤrde weniger Menſch gegen Menſchen ſtehn,</l><lb/> <l>Es wuͤrde ſich kein Menſch am Menſchlichen vergehn.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Was wuͤthet hoch vom Thron herab ein Wuͤtherich?</l><lb/> <l>Er ſieht die Menſchen tief gleich Thieren unter ſich.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Was gilt dem Muſelman fuͤr einen Hund der Chriſt?</l><lb/> <l>Er ſieht es ihm nicht an, daß er ſein Bruder iſt.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Was macht den Weißen hart dem Schwarzen gegenuͤber?</l><lb/> <l>Der Menſchheit Zuͤge ſind auf deſſen Antlitz truͤber.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Der Arme, Niedre, haßt den Hoͤheren, den Reichen,</l><lb/> <l>Weil er ſo wenig ſelbſt ſich fuͤhlt als deſſen gleichen.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Und wer ſich jedes Rechts von andern ſieht beraubt,</l><lb/> <l>Haͤlt jedes Unrecht auch ſich gegen ſie erlaubt.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [185/0195]
89.
Den Menſchen wenn der Menſch im Menſchen ſtets erkennte,
So manche Schranke nicht von Menſchen Menſchen trennte;
Es wuͤrde weniger Menſch gegen Menſchen ſtehn,
Es wuͤrde ſich kein Menſch am Menſchlichen vergehn.
Was wuͤthet hoch vom Thron herab ein Wuͤtherich?
Er ſieht die Menſchen tief gleich Thieren unter ſich.
Was gilt dem Muſelman fuͤr einen Hund der Chriſt?
Er ſieht es ihm nicht an, daß er ſein Bruder iſt.
Was macht den Weißen hart dem Schwarzen gegenuͤber?
Der Menſchheit Zuͤge ſind auf deſſen Antlitz truͤber.
Der Arme, Niedre, haßt den Hoͤheren, den Reichen,
Weil er ſo wenig ſelbſt ſich fuͤhlt als deſſen gleichen.
Und wer ſich jedes Rechts von andern ſieht beraubt,
Haͤlt jedes Unrecht auch ſich gegen ſie erlaubt.
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