Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

A. Leistungen derselben.
Hausthieren Gebrauch gewisse Theile verstärkt und vergrössert
und Nichtgebrauch sie verkleinert hat, und dass solche Ab-
weichungen erblich sind
. In der freien Natur hat man
keinen Maassstab zur Vergleichung der Wirkung lang fortgesetz-
ten Gebrauches oder Nichtgebrauches, weil wir die elterlichen
Formen nicht kennen; doch tragen manche Thiere Bildungen
an sich, die sich am besten als Folge des Nichtgebrauches
erklären lassen." So führt er die amerikanische Dickkopfente,
welche nur schwach über der Oberfläche sich flatternd erhalten
kann, die Unfähigkeit des Strauss, zu fliegen, die verkümmer-
ten Vordertarsen vieler männlicher Kothkäfer1) an.

Ferner sagt er2): "Die Augen der Maulwürfe und einiger
wühlender Nager sind an Grösse verkümmert und in manchen
Fällen ganz von Haut und Pelz bedeckt. Dieser Zustand der
Augen rührt wahrscheinlich von fortwährendem Nichtgebrauch
her, dessen Wirkung aber vielleicht durch natürliche Zucht-
wahl unterstützt wird." "Es ist wohl bekannt, dass mehrere
Thiere aus den verschiedensten Klassen, welche die Höhlen in
Kärnthen und Kentucky bewohnen, blind sind. Bei einigen
Krabben ist der Augenstiel noch vorhanden, obwohl das Auge
verloren ist. Da man sich schwer vorstellen kann, wie Augen,
wenn auch unnütz, den im Dunkeln lebenden Thieren schäd-
lich werden sollten, so schreibe ich ihren Verlust auf Rech-
nung des Nichtgebrauches."

Die eben zugestandene Bedeutung dieses Princips schwächt
er aber gleich wieder ab, indem er nach Anführung des Beispie-
les, dass ein Cirripede, wenn er an einem andern als Schmarotzer
lebt, mehr oder weniger seine eigene Kalkschale verliert, be-
merkt3): "Darnach glaube ich, wird es der natürlichen Zucht-
wahl
in die Länge immer gelingen, jeden Theil der Organisa-

1) l. c. pag. 151.
2) l. c. pag. 153.
3) l. c. pag. 164.

A. Leistungen derselben.
Hausthieren Gebrauch gewisse Theile verstärkt und vergrössert
und Nichtgebrauch sie verkleinert hat, und dass solche Ab-
weichungen erblich sind
. In der freien Natur hat man
keinen Maassstab zur Vergleichung der Wirkung lang fortgesetz-
ten Gebrauches oder Nichtgebrauches, weil wir die elterlichen
Formen nicht kennen; doch tragen manche Thiere Bildungen
an sich, die sich am besten als Folge des Nichtgebrauches
erklären lassen.« So führt er die amerikanische Dickkopfente,
welche nur schwach über der Oberfläche sich flatternd erhalten
kann, die Unfähigkeit des Strauss, zu fliegen, die verkümmer-
ten Vordertarsen vieler männlicher Kothkäfer1) an.

Ferner sagt er2): »Die Augen der Maulwürfe und einiger
wühlender Nager sind an Grösse verkümmert und in manchen
Fällen ganz von Haut und Pelz bedeckt. Dieser Zustand der
Augen rührt wahrscheinlich von fortwährendem Nichtgebrauch
her, dessen Wirkung aber vielleicht durch natürliche Zucht-
wahl unterstützt wird.« »Es ist wohl bekannt, dass mehrere
Thiere aus den verschiedensten Klassen, welche die Höhlen in
Kärnthen und Kentucky bewohnen, blind sind. Bei einigen
Krabben ist der Augenstiel noch vorhanden, obwohl das Auge
verloren ist. Da man sich schwer vorstellen kann, wie Augen,
wenn auch unnütz, den im Dunkeln lebenden Thieren schäd-
lich werden sollten, so schreibe ich ihren Verlust auf Rech-
nung des Nichtgebrauches.«

Die eben zugestandene Bedeutung dieses Princips schwächt
er aber gleich wieder ab, indem er nach Anführung des Beispie-
les, dass ein Cirripede, wenn er an einem andern als Schmarotzer
lebt, mehr oder weniger seine eigene Kalkschale verliert, be-
merkt3): »Darnach glaube ich, wird es der natürlichen Zucht-
wahl
in die Länge immer gelingen, jeden Theil der Organisa-

1) l. c. pag. 151.
2) l. c. pag. 153.
3) l. c. pag. 164.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0021" n="7"/><fw place="top" type="header">A. Leistungen derselben.</fw><lb/>
Hausthieren Gebrauch gewisse Theile verstärkt und vergrössert<lb/>
und Nichtgebrauch sie verkleinert hat, und dass <hi rendition="#g">solche Ab-<lb/>
weichungen erblich sind</hi>. In der freien Natur hat man<lb/>
keinen Maassstab zur Vergleichung der Wirkung lang fortgesetz-<lb/>
ten Gebrauches oder Nichtgebrauches, weil wir die elterlichen<lb/>
Formen nicht kennen; doch tragen manche Thiere Bildungen<lb/>
an sich, die sich am besten als Folge des Nichtgebrauches<lb/>
erklären lassen.« So führt er die amerikanische Dickkopfente,<lb/>
welche nur schwach über der Oberfläche sich flatternd erhalten<lb/>
kann, die Unfähigkeit des Strauss, zu fliegen, die verkümmer-<lb/>
ten Vordertarsen vieler männlicher Kothkäfer<note place="foot" n="1)">l. c. pag. 151.</note> an.</p><lb/>
          <p>Ferner sagt er<note place="foot" n="2)">l. c. pag. 153.</note>: »Die Augen der Maulwürfe und einiger<lb/>
wühlender Nager sind an Grösse verkümmert und in manchen<lb/>
Fällen ganz von Haut und Pelz bedeckt. Dieser Zustand der<lb/>
Augen rührt wahrscheinlich von fortwährendem Nichtgebrauch<lb/>
her, dessen Wirkung aber vielleicht durch natürliche Zucht-<lb/>
wahl unterstützt wird.« »Es ist wohl bekannt, dass mehrere<lb/>
Thiere aus den verschiedensten Klassen, welche die Höhlen in<lb/>
Kärnthen und Kentucky bewohnen, blind sind. Bei einigen<lb/>
Krabben ist der Augenstiel noch vorhanden, obwohl das Auge<lb/>
verloren ist. Da man sich schwer vorstellen kann, wie Augen,<lb/>
wenn auch unnütz, den im Dunkeln lebenden Thieren schäd-<lb/>
lich werden sollten, so schreibe ich ihren Verlust auf Rech-<lb/>
nung des Nichtgebrauches.«</p><lb/>
          <p>Die eben zugestandene Bedeutung dieses Princips schwächt<lb/>
er aber gleich wieder ab, indem er nach Anführung des Beispie-<lb/>
les, dass ein Cirripede, wenn er an einem andern als Schmarotzer<lb/>
lebt, mehr oder weniger seine eigene Kalkschale verliert, be-<lb/>
merkt<note place="foot" n="3)">l. c. pag. 164.</note>: »Darnach glaube ich, wird es der <hi rendition="#g">natürlichen Zucht-<lb/>
wahl</hi> in die Länge immer gelingen, jeden Theil der Organisa-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0021] A. Leistungen derselben. Hausthieren Gebrauch gewisse Theile verstärkt und vergrössert und Nichtgebrauch sie verkleinert hat, und dass solche Ab- weichungen erblich sind. In der freien Natur hat man keinen Maassstab zur Vergleichung der Wirkung lang fortgesetz- ten Gebrauches oder Nichtgebrauches, weil wir die elterlichen Formen nicht kennen; doch tragen manche Thiere Bildungen an sich, die sich am besten als Folge des Nichtgebrauches erklären lassen.« So führt er die amerikanische Dickkopfente, welche nur schwach über der Oberfläche sich flatternd erhalten kann, die Unfähigkeit des Strauss, zu fliegen, die verkümmer- ten Vordertarsen vieler männlicher Kothkäfer 1) an. Ferner sagt er 2): »Die Augen der Maulwürfe und einiger wühlender Nager sind an Grösse verkümmert und in manchen Fällen ganz von Haut und Pelz bedeckt. Dieser Zustand der Augen rührt wahrscheinlich von fortwährendem Nichtgebrauch her, dessen Wirkung aber vielleicht durch natürliche Zucht- wahl unterstützt wird.« »Es ist wohl bekannt, dass mehrere Thiere aus den verschiedensten Klassen, welche die Höhlen in Kärnthen und Kentucky bewohnen, blind sind. Bei einigen Krabben ist der Augenstiel noch vorhanden, obwohl das Auge verloren ist. Da man sich schwer vorstellen kann, wie Augen, wenn auch unnütz, den im Dunkeln lebenden Thieren schäd- lich werden sollten, so schreibe ich ihren Verlust auf Rech- nung des Nichtgebrauches.« Die eben zugestandene Bedeutung dieses Princips schwächt er aber gleich wieder ab, indem er nach Anführung des Beispie- les, dass ein Cirripede, wenn er an einem andern als Schmarotzer lebt, mehr oder weniger seine eigene Kalkschale verliert, be- merkt 3): »Darnach glaube ich, wird es der natürlichen Zucht- wahl in die Länge immer gelingen, jeden Theil der Organisa- 1) l. c. pag. 151. 2) l. c. pag. 153. 3) l. c. pag. 164.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/21
Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/21>, abgerufen am 26.04.2024.