Aus alledem scheint hervorzugehen, daß das Vordringen der Kern- holzfärbung ein mit dem Pflanzenleben nicht in unmittelbarem Zusammen- hang stehender Akt sei. Das Kernholz scheint nur noch den rein mecha- nischen Dienst der Frühjahrssaft-Leitung zu verrichten, und wenngleich hieran auch der Splint Theil nimmt, so scheint es doch der letztere in anderer Weise zu thun, welche mehr auf eine chemische Lebensthätigkeit hinweist. Man kann leicht an verschiedenen Holzarten, namentlich an aufgeschichteten, im Frühjahr -- nachdem der Saft bereits im Aufsteigen begriffen war -- gefällten Klafterhölzern beobachten, daß an der Schnitt- fläche gerade blos der Splint Schimmelbildungen hervorgetrieben hatte, was bestimmt auf anderes chemisches Verhalten als im Kernholze hinweist. Der Splint ist so zu sagen lebendiger als das Kernholz.
Wahrscheinlich scheidet sich aus dem in dem Gewebe des Holzes auf- steigenden Safte irgend ein Stoff ununterbrochen im Holze ab, was zu- letzt unter hinzukommenden besonderen Umständen mit endlicher Verderbniß des Kernholzes endet; denn an kernfaulen Stämmen sehen wir die Kern- fäule wie die Kernholzfärbung allmälig von innen heraus vorschreiten ohne eine scharfe Grenze zwischen sich und dem noch gesunden Kernholz. Am auffälligsten ist dies im Stamme des bekannten Bohnenbaumes oder Goldregens, Cytisus Laburnum, wo, wie es scheint, fast mit Noth- wendigkeit der Kernholzfärbung die Kernfäule auf dem Fuße folgt.
Es bleiben nun noch einige ungewöhnliche Bildungserscheinungen des Holzes übrig, wie z. B. Maser, Wimmer, Frostrisse, Ueberwallungen, und dergl., welche wir später bei denjenigen Baumarten kennen lernen wollen, bei denen sie sich am häufigsten finden.
Die Riude.
Außer dem "Bast", den wir zum Anbinden der Gewächse benutzen oder den wir als Band um die Cigarrenbündel erhalten, bekümmert man sich wenig um die Rinde der Bäume, wenn ich etwa noch die Korkpfropfen der Weinflaschen und die so sehr auffallende schneeweiße Lederschicht der Birkenrinde ausnehme. Es ist auch in der That der Bau der Baumrinden ein viel verwickelterer und zeigt fast eine größere Manchfaltigkeit bei den verschiedenen Baumarten als das Holz; ja bei manchen, z. B. bei der Birke; giebt er dem Pflanzenzergliederer schwere Räthsel auf.
Aus alledem ſcheint hervorzugehen, daß das Vordringen der Kern- holzfärbung ein mit dem Pflanzenleben nicht in unmittelbarem Zuſammen- hang ſtehender Akt ſei. Das Kernholz ſcheint nur noch den rein mecha- niſchen Dienſt der Frühjahrsſaft-Leitung zu verrichten, und wenngleich hieran auch der Splint Theil nimmt, ſo ſcheint es doch der letztere in anderer Weiſe zu thun, welche mehr auf eine chemiſche Lebensthätigkeit hinweiſt. Man kann leicht an verſchiedenen Holzarten, namentlich an aufgeſchichteten, im Frühjahr — nachdem der Saft bereits im Aufſteigen begriffen war — gefällten Klafterhölzern beobachten, daß an der Schnitt- fläche gerade blos der Splint Schimmelbildungen hervorgetrieben hatte, was beſtimmt auf anderes chemiſches Verhalten als im Kernholze hinweiſt. Der Splint iſt ſo zu ſagen lebendiger als das Kernholz.
Wahrſcheinlich ſcheidet ſich aus dem in dem Gewebe des Holzes auf- ſteigenden Safte irgend ein Stoff ununterbrochen im Holze ab, was zu- letzt unter hinzukommenden beſonderen Umſtänden mit endlicher Verderbniß des Kernholzes endet; denn an kernfaulen Stämmen ſehen wir die Kern- fäule wie die Kernholzfärbung allmälig von innen heraus vorſchreiten ohne eine ſcharfe Grenze zwiſchen ſich und dem noch geſunden Kernholz. Am auffälligſten iſt dies im Stamme des bekannten Bohnenbaumes oder Goldregens, Cytisus Laburnum, wo, wie es ſcheint, faſt mit Noth- wendigkeit der Kernholzfärbung die Kernfäule auf dem Fuße folgt.
Es bleiben nun noch einige ungewöhnliche Bildungserſcheinungen des Holzes übrig, wie z. B. Maſer, Wimmer, Froſtriſſe, Ueberwallungen, und dergl., welche wir ſpäter bei denjenigen Baumarten kennen lernen wollen, bei denen ſie ſich am häufigſten finden.
Die Riude.
Außer dem „Baſt“, den wir zum Anbinden der Gewächſe benutzen oder den wir als Band um die Cigarrenbündel erhalten, bekümmert man ſich wenig um die Rinde der Bäume, wenn ich etwa noch die Korkpfropfen der Weinflaſchen und die ſo ſehr auffallende ſchneeweiße Lederſchicht der Birkenrinde ausnehme. Es iſt auch in der That der Bau der Baumrinden ein viel verwickelterer und zeigt faſt eine größere Manchfaltigkeit bei den verſchiedenen Baumarten als das Holz; ja bei manchen, z. B. bei der Birke; giebt er dem Pflanzenzergliederer ſchwere Räthſel auf.
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Aus alledem ſcheint hervorzugehen, daß das Vordringen der Kern-
holzfärbung ein mit dem Pflanzenleben nicht in unmittelbarem Zuſammen-
hang ſtehender Akt ſei. Das Kernholz ſcheint nur noch den rein mecha-
niſchen Dienſt der Frühjahrsſaft-Leitung zu verrichten, und wenngleich
hieran auch der Splint Theil nimmt, ſo ſcheint es doch der letztere in
anderer Weiſe zu thun, welche mehr auf eine chemiſche Lebensthätigkeit
hinweiſt. Man kann leicht an verſchiedenen Holzarten, namentlich an
aufgeſchichteten, im Frühjahr — nachdem der Saft bereits im Aufſteigen
begriffen war — gefällten Klafterhölzern beobachten, daß an der Schnitt-
fläche gerade blos der Splint Schimmelbildungen hervorgetrieben hatte,
was beſtimmt auf anderes chemiſches Verhalten als im Kernholze hinweiſt.
Der Splint iſt ſo zu ſagen lebendiger als das Kernholz.
Wahrſcheinlich ſcheidet ſich aus dem in dem Gewebe des Holzes auf-
ſteigenden Safte irgend ein Stoff ununterbrochen im Holze ab, was zu-
letzt unter hinzukommenden beſonderen Umſtänden mit endlicher Verderbniß
des Kernholzes endet; denn an kernfaulen Stämmen ſehen wir die Kern-
fäule wie die Kernholzfärbung allmälig von innen heraus vorſchreiten
ohne eine ſcharfe Grenze zwiſchen ſich und dem noch geſunden Kernholz.
Am auffälligſten iſt dies im Stamme des bekannten Bohnenbaumes oder
Goldregens, Cytisus Laburnum, wo, wie es ſcheint, faſt mit Noth-
wendigkeit der Kernholzfärbung die Kernfäule auf dem Fuße folgt.
Es bleiben nun noch einige ungewöhnliche Bildungserſcheinungen
des Holzes übrig, wie z. B. Maſer, Wimmer, Froſtriſſe, Ueberwallungen,
und dergl., welche wir ſpäter bei denjenigen Baumarten kennen lernen
wollen, bei denen ſie ſich am häufigſten finden.
Die Riude.
Außer dem „Baſt“, den wir zum Anbinden der Gewächſe benutzen
oder den wir als Band um die Cigarrenbündel erhalten, bekümmert man
ſich wenig um die Rinde der Bäume, wenn ich etwa noch die Korkpfropfen
der Weinflaſchen und die ſo ſehr auffallende ſchneeweiße Lederſchicht der
Birkenrinde ausnehme. Es iſt auch in der That der Bau der Baumrinden
ein viel verwickelterer und zeigt faſt eine größere Manchfaltigkeit bei den
verſchiedenen Baumarten als das Holz; ja bei manchen, z. B. bei der
Birke; giebt er dem Pflanzenzergliederer ſchwere Räthſel auf.
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/133>, abgerufen am 22.12.2024.
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