als wenn etwas widersprechendes darin wäre. Aber ich will es nicht noch einmal überdenken. Die Materie ist sehr ernsthaft. Vorjezt verste- he ich sie nicht vollkommen. Jch will dir lieber noch etwas Lustiges schreiben.
Tourville, Mowbray und ich u. s. w.
Th. VI. S. 395. L. 22. nach den Wor- ten: in dieselben zu seyn.
Was sollen wir von der Zärtlichkeit für eine Ursache angeben, die ein vermeinter Vater oft gegen die Kinder eines andern Mannes zei- get? Sage mir doch, was ist das, was wir Natur, und natürliche Zuneigung nen- nen? Und wie kann ein Mann sich seiner Ein- sicht und Verschlagenheit rühmen, da er eben so leicht dahin gebracht wird, die Kinder, wel- che ein Verbrecher mit seinem Weibe oder Mai- treße gezeuget hat, zu beschützen, zu erziehen, und gar zu lieben, oft aber seinen eignen vor- zuziehen, wie eine Henne, oder Gans die Eier von einem andern Geschlecht ausbrütet, und so gar die Jungen noch liebet?
Ja, ich frage dich, wenn der Trieb, wie man es nennet, die Thiere nicht fähig macht; ihre eignen Jungen zu unterscheiden, wie viel schwerer wird unsre gerühmte Vernunft, und Scharfsinnigkeit es in diesem zarten Punkte zu thun vermögend seyn?
Möchten doch einige Menschen, die Weiber von einer nur zweifelhaften Tugend haben,
dies
als wenn etwas widerſprechendes darin waͤre. Aber ich will es nicht noch einmal uͤberdenken. Die Materie iſt ſehr ernſthaft. Vorjezt verſte- he ich ſie nicht vollkommen. Jch will dir lieber noch etwas Luſtiges ſchreiben.
Tourville, Mowbray und ich u. ſ. w.
Th. VI. S. 395. L. 22. nach den Wor- ten: in dieſelben zu ſeyn.
Was ſollen wir von der Zaͤrtlichkeit fuͤr eine Urſache angeben, die ein vermeinter Vater oft gegen die Kinder eines andern Mannes zei- get? Sage mir doch, was iſt das, was wir Natur, und natuͤrliche Zuneigung nen- nen? Und wie kann ein Mann ſich ſeiner Ein- ſicht und Verſchlagenheit ruͤhmen, da er eben ſo leicht dahin gebracht wird, die Kinder, wel- che ein Verbrecher mit ſeinem Weibe oder Mai- treße gezeuget hat, zu beſchuͤtzen, zu erziehen, und gar zu lieben, oft aber ſeinen eignen vor- zuziehen, wie eine Henne, oder Gans die Eier von einem andern Geſchlecht ausbruͤtet, und ſo gar die Jungen noch liebet?
Ja, ich frage dich, wenn der Trieb, wie man es nennet, die Thiere nicht faͤhig macht; ihre eignen Jungen zu unterſcheiden, wie viel ſchwerer wird unſre geruͤhmte Vernunft, und Scharfſinnigkeit es in dieſem zarten Punkte zu thun vermoͤgend ſeyn?
Moͤchten doch einige Menſchen, die Weiber von einer nur zweifelhaften Tugend haben,
dies
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als wenn etwas widerſprechendes darin waͤre.
Aber ich will es nicht noch einmal uͤberdenken.
Die Materie iſt ſehr ernſthaft. Vorjezt verſte-
he ich ſie nicht vollkommen. Jch will dir lieber
noch etwas Luſtiges ſchreiben.
Tourville, Mowbray und ich u. ſ. w.
Th. VI. S. 395. L. 22. nach den Wor-
ten: in dieſelben zu ſeyn.
Was ſollen wir von der Zaͤrtlichkeit fuͤr eine
Urſache angeben, die ein vermeinter Vater
oft gegen die Kinder eines andern Mannes zei-
get? Sage mir doch, was iſt das, was wir
Natur, und natuͤrliche Zuneigung nen-
nen? Und wie kann ein Mann ſich ſeiner Ein-
ſicht und Verſchlagenheit ruͤhmen, da er eben
ſo leicht dahin gebracht wird, die Kinder, wel-
che ein Verbrecher mit ſeinem Weibe oder Mai-
treße gezeuget hat, zu beſchuͤtzen, zu erziehen,
und gar zu lieben, oft aber ſeinen eignen vor-
zuziehen, wie eine Henne, oder Gans die Eier
von einem andern Geſchlecht ausbruͤtet, und
ſo gar die Jungen noch liebet?
Ja, ich frage dich, wenn der Trieb, wie
man es nennet, die Thiere nicht faͤhig macht;
ihre eignen Jungen zu unterſcheiden, wie viel
ſchwerer wird unſre geruͤhmte Vernunft, und
Scharfſinnigkeit es in dieſem zarten Punkte zu
thun vermoͤgend ſeyn?
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/226>, abgerufen am 22.02.2025.
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