Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.

Bild:
<< vorherige Seite



Art eben hatte, ohne daß ich dergleichen Rei-
zung bedurfte, und zwar einen sehr gefräßigen
Appetit, das kannst du glauben.

Noch vielmehr dergleichen Exempel könnte
ich dir anführen, wenn ich dir selbst nichts ü-
berlassen wollte; um zu zeigen, daß die Besten
sich dieselben und vielleicht noch schlimmere Frei-
heiten mit andern Creaturen nehmen, die wir
gegen andre gebrauchen. Es sind doch alle
Creaturen! und zwar solche, wie ich oben an-
gemerckt, die ein hartes Leben und ein empfind-
liches Gefühl haben! - - Wenn also Leute Barm-
herzigkeit verlangen, so sollten sie in allen ih-
ren Handlungen Barmherzigkeit zeigen. Jch
habe irgendwo gelesen: Der Barmherzige
erbarmet sich auch seines Viehes.

So viel vorjetzo auf den Theil deines Brie-
fes, worin du mir die Gründe zum Mitleiden
mit der Fräulein ans Herz legst.

Jch kann leicht errathen u. s. w.

Th. III. S. 542. am Ende, nach den Wor-
ten: uns mit einander verbinden.

Wenn ich deinen dummen Rath annehmen
und heirathen wollte, was für eine Figur wür-
de ich dann in den Geschichtbüchern der Böse-
wichter machen! Die Fräulein in meiner Ge-
walt, die doch nicht willens war, sich in meine
Gewalt zu geben! Die gegen die Liebe predigt,
und ihre Herrschaft nicht erkennen will! So
viele Vorsicht und Behutsamkeit! Kein Ver-

trauen
Zusätze zur Cl. J



Art eben hatte, ohne daß ich dergleichen Rei-
zung bedurfte, und zwar einen ſehr gefraͤßigen
Appetit, das kannſt du glauben.

Noch vielmehr dergleichen Exempel koͤnnte
ich dir anfuͤhren, wenn ich dir ſelbſt nichts uͤ-
berlaſſen wollte; um zu zeigen, daß die Beſten
ſich dieſelben und vielleicht noch ſchlimmere Frei-
heiten mit andern Creaturen nehmen, die wir
gegen andre gebrauchen. Es ſind doch alle
Creaturen! und zwar ſolche, wie ich oben an-
gemerckt, die ein hartes Leben und ein empfind-
liches Gefuͤhl haben! ‒ ‒ Wenn alſo Leute Barm-
herzigkeit verlangen, ſo ſollten ſie in allen ih-
ren Handlungen Barmherzigkeit zeigen. Jch
habe irgendwo geleſen: Der Barmherzige
erbarmet ſich auch ſeines Viehes.

So viel vorjetzo auf den Theil deines Brie-
fes, worin du mir die Gruͤnde zum Mitleiden
mit der Fraͤulein ans Herz legſt.

Jch kann leicht errathen u. ſ. w.

Th. III. S. 542. am Ende, nach den Wor-
ten: uns mit einander verbinden.

Wenn ich deinen dummen Rath annehmen
und heirathen wollte, was fuͤr eine Figur wuͤr-
de ich dann in den Geſchichtbuͤchern der Boͤſe-
wichter machen! Die Fraͤulein in meiner Ge-
walt, die doch nicht willens war, ſich in meine
Gewalt zu geben! Die gegen die Liebe predigt,
und ihre Herrſchaft nicht erkennen will! So
viele Vorſicht und Behutſamkeit! Kein Ver-

trauen
Zuſaͤtze zur Cl. J
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0137" n="129"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Art eben hatte, ohne daß ich dergleichen Rei-<lb/>
zung bedurfte, und zwar einen &#x017F;ehr gefra&#x0364;ßigen<lb/>
Appetit, das kann&#x017F;t du glauben.</p><lb/>
          <p>Noch vielmehr dergleichen Exempel ko&#x0364;nnte<lb/>
ich dir anfu&#x0364;hren, wenn ich dir &#x017F;elb&#x017F;t nichts u&#x0364;-<lb/>
berla&#x017F;&#x017F;en wollte; um zu zeigen, daß die Be&#x017F;ten<lb/>
&#x017F;ich die&#x017F;elben und vielleicht noch &#x017F;chlimmere Frei-<lb/>
heiten mit andern Creaturen nehmen, die wir<lb/>
gegen andre gebrauchen. Es &#x017F;ind doch alle<lb/>
Creaturen! und zwar &#x017F;olche, wie ich oben an-<lb/>
gemerckt, die ein hartes Leben und ein empfind-<lb/>
liches Gefu&#x0364;hl haben! &#x2012; &#x2012; Wenn al&#x017F;o Leute Barm-<lb/>
herzigkeit verlangen, &#x017F;o &#x017F;ollten &#x017F;ie in allen ih-<lb/>
ren Handlungen Barmherzigkeit zeigen. Jch<lb/>
habe irgendwo gele&#x017F;en: <hi rendition="#fr">Der Barmherzige<lb/>
erbarmet &#x017F;ich auch &#x017F;eines Viehes.</hi></p><lb/>
          <p>So viel vorjetzo auf den Theil deines Brie-<lb/>
fes, worin du mir die Gru&#x0364;nde zum Mitleiden<lb/>
mit der Fra&#x0364;ulein ans Herz leg&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Jch kann leicht errathen u. &#x017F;. w.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>Th. <hi rendition="#aq">III.</hi> S. 542. am Ende, nach den Wor-<lb/><hi rendition="#fr">ten: uns mit einander verbinden.</hi></head><lb/>
          <p>Wenn ich deinen dummen Rath annehmen<lb/>
und heirathen wollte, was fu&#x0364;r eine Figur wu&#x0364;r-<lb/>
de ich dann in den Ge&#x017F;chichtbu&#x0364;chern der Bo&#x0364;&#x017F;e-<lb/>
wichter machen! Die Fra&#x0364;ulein in meiner Ge-<lb/>
walt, die doch nicht willens war, &#x017F;ich in meine<lb/>
Gewalt zu geben! Die gegen die Liebe predigt,<lb/>
und ihre Herr&#x017F;chaft nicht erkennen will! So<lb/>
viele Vor&#x017F;icht und Behut&#x017F;amkeit! Kein Ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Zu&#x017F;a&#x0364;tze zur Cl.</hi> J</fw><fw place="bottom" type="catch">trauen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0137] Art eben hatte, ohne daß ich dergleichen Rei- zung bedurfte, und zwar einen ſehr gefraͤßigen Appetit, das kannſt du glauben. Noch vielmehr dergleichen Exempel koͤnnte ich dir anfuͤhren, wenn ich dir ſelbſt nichts uͤ- berlaſſen wollte; um zu zeigen, daß die Beſten ſich dieſelben und vielleicht noch ſchlimmere Frei- heiten mit andern Creaturen nehmen, die wir gegen andre gebrauchen. Es ſind doch alle Creaturen! und zwar ſolche, wie ich oben an- gemerckt, die ein hartes Leben und ein empfind- liches Gefuͤhl haben! ‒ ‒ Wenn alſo Leute Barm- herzigkeit verlangen, ſo ſollten ſie in allen ih- ren Handlungen Barmherzigkeit zeigen. Jch habe irgendwo geleſen: Der Barmherzige erbarmet ſich auch ſeines Viehes. So viel vorjetzo auf den Theil deines Brie- fes, worin du mir die Gruͤnde zum Mitleiden mit der Fraͤulein ans Herz legſt. Jch kann leicht errathen u. ſ. w. Th. III. S. 542. am Ende, nach den Wor- ten: uns mit einander verbinden. Wenn ich deinen dummen Rath annehmen und heirathen wollte, was fuͤr eine Figur wuͤr- de ich dann in den Geſchichtbuͤchern der Boͤſe- wichter machen! Die Fraͤulein in meiner Ge- walt, die doch nicht willens war, ſich in meine Gewalt zu geben! Die gegen die Liebe predigt, und ihre Herrſchaft nicht erkennen will! So viele Vorſicht und Behutſamkeit! Kein Ver- trauen Zuſaͤtze zur Cl. J

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/137
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/137>, abgerufen am 03.12.2024.