Der ein und vierzigste Brief von Herrn Belford an Hrn. Rob. Lovelace.
Montags, den sten Sept.
Die Fräulein wollte den Brief den sie von der Fr. Norton bekommen, nicht eher lesen, als bis sie das heilige Abendmahl empfangen hatte: aus Furcht, er möchte etwas enthalten, das die glückselige Stille, welche sie zu dieser heiligen Handlung zu erhalten gesucht, stören könnte. Nachdem dieselbe vollendet war, fand sie sich so gesetzt und geruhig, wie sie sagte, daß sie glaubte, sie könnte nunmehr alle und jede Zeitungen, wenn sie auch noch so schmerzlich wären, mit gelassenem Gemüthe annehmen.
Nichts desto weniger ward sie genöthigt, als sie ihn las, verschiedne male abzusetzen, wegen Schwach- heit und Verdunkelung des Gesichts, worüber sie klagte; wo ich klagen sagen mag; denn ihre Kla- gen waren mit einer solchen Zufriedenheit und Sanftmuth verbunden, daß man sie kaum so nen- nen konnte.
Sie ward bey verschiedenen Stellen dieses Briefes gar sehr gerühret. Sie weinte zu ver- schiedenen malen und seufzete oft. Fr. Lovick er- zählte mir, daß dieß die sanften Ausrufungen wa- ren, die sie von sich hören ließ, als sie las: - -
Jhr
Der ein und vierzigſte Brief von Herrn Belford an Hrn. Rob. Lovelace.
Montags, den ſten Sept.
Die Fraͤulein wollte den Brief den ſie von der Fr. Norton bekommen, nicht eher leſen, als bis ſie das heilige Abendmahl empfangen hatte: aus Furcht, er moͤchte etwas enthalten, das die gluͤckſelige Stille, welche ſie zu dieſer heiligen Handlung zu erhalten geſucht, ſtoͤren koͤnnte. Nachdem dieſelbe vollendet war, fand ſie ſich ſo geſetzt und geruhig, wie ſie ſagte, daß ſie glaubte, ſie koͤnnte nunmehr alle und jede Zeitungen, wenn ſie auch noch ſo ſchmerzlich waͤren, mit gelaſſenem Gemuͤthe annehmen.
Nichts deſto weniger ward ſie genoͤthigt, als ſie ihn las, verſchiedne male abzuſetzen, wegen Schwach- heit und Verdunkelung des Geſichts, woruͤber ſie klagte; wo ich klagen ſagen mag; denn ihre Kla- gen waren mit einer ſolchen Zufriedenheit und Sanftmuth verbunden, daß man ſie kaum ſo nen- nen konnte.
Sie ward bey verſchiedenen Stellen dieſes Briefes gar ſehr geruͤhret. Sie weinte zu ver- ſchiedenen malen und ſeufzete oft. Fr. Lovick er- zaͤhlte mir, daß dieß die ſanften Ausrufungen wa- ren, die ſie von ſich hoͤren ließ, als ſie las: ‒ ‒
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Der ein und vierzigſte Brief
von
Herrn Belford an Hrn. Rob. Lovelace.
Montags, den ſten Sept.
Die Fraͤulein wollte den Brief den ſie von der
Fr. Norton bekommen, nicht eher leſen, als
bis ſie das heilige Abendmahl empfangen hatte:
aus Furcht, er moͤchte etwas enthalten, das die
gluͤckſelige Stille, welche ſie zu dieſer heiligen
Handlung zu erhalten geſucht, ſtoͤren koͤnnte.
Nachdem dieſelbe vollendet war, fand ſie ſich ſo
geſetzt und geruhig, wie ſie ſagte, daß ſie glaubte,
ſie koͤnnte nunmehr alle und jede Zeitungen, wenn
ſie auch noch ſo ſchmerzlich waͤren, mit gelaſſenem
Gemuͤthe annehmen.
Nichts deſto weniger ward ſie genoͤthigt, als ſie
ihn las, verſchiedne male abzuſetzen, wegen Schwach-
heit und Verdunkelung des Geſichts, woruͤber ſie
klagte; wo ich klagen ſagen mag; denn ihre Kla-
gen waren mit einer ſolchen Zufriedenheit und
Sanftmuth verbunden, daß man ſie kaum ſo nen-
nen konnte.
Sie ward bey verſchiedenen Stellen dieſes
Briefes gar ſehr geruͤhret. Sie weinte zu ver-
ſchiedenen malen und ſeufzete oft. Fr. Lovick er-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/355>, abgerufen am 21.12.2024.
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