Jhre Zuschrift, meine wertheste Fräulein, geht mir durch die Seele! Warum wollen Sie mich nicht alle ihre Unglücksfälle wissen las- sen! - - Jedoch Sie haben schon genug gesagt.
Mein Sohn bezeiget sich recht gut gegen mich. Seit einigen Stunden hat er einen fieberhaften Anfall gehabt. Jch hoffe aber, daß es glücklich vorüber gehen wird: wo sein Eifer zu arbeiten ihm die Ruhe zulässet, welche sein guter Herr ihm zu erlauben geneigt ist. Er empfiehlt sich Jh- nen in schuldiger Unterthänigkeit, und vergoß viel Thränen, als er Jhren traurigen Brief an- hörte.
Sie sind falsch berichtet, daß Jhre Familie bey Jhrem Onkel Harlowe seyn sollte. Sie sind es nicht einmal willens gewesen. Der Tag ist gar nicht gefeyert worden. Sie sind in der That nicht aus dem Hause gekommen, als nur in die Kirche zu gehen, und das auch nicht mehr als dreymal: seit dem Sie von hier gegangen sind - - Ein unglücklicher Tag für dieselben, und für al- le, welche Sie kennen! - - Für mich, gewiß, am meisten! - - Mein Herz fängt nun immer mehr und mehr für Sie zu bluten an.
Jch
Der achte Brief. Frau Nortons Antwort.
Sonnabends, den 1ten Jul.
Jhre Zuſchrift, meine wertheſte Fraͤulein, geht mir durch die Seele! Warum wollen Sie mich nicht alle ihre Ungluͤcksfaͤlle wiſſen laſ- ſen! ‒ ‒ Jedoch Sie haben ſchon genug geſagt.
Mein Sohn bezeiget ſich recht gut gegen mich. Seit einigen Stunden hat er einen fieberhaften Anfall gehabt. Jch hoffe aber, daß es gluͤcklich voruͤber gehen wird: wo ſein Eifer zu arbeiten ihm die Ruhe zulaͤſſet, welche ſein guter Herr ihm zu erlauben geneigt iſt. Er empfiehlt ſich Jh- nen in ſchuldiger Unterthaͤnigkeit, und vergoß viel Thraͤnen, als er Jhren traurigen Brief an- hoͤrte.
Sie ſind falſch berichtet, daß Jhre Familie bey Jhrem Onkel Harlowe ſeyn ſollte. Sie ſind es nicht einmal willens geweſen. Der Tag iſt gar nicht gefeyert worden. Sie ſind in der That nicht aus dem Hauſe gekommen, als nur in die Kirche zu gehen, und das auch nicht mehr als dreymal: ſeit dem Sie von hier gegangen ſind ‒ ‒ Ein ungluͤcklicher Tag fuͤr dieſelben, und fuͤr al- le, welche Sie kennen! ‒ ‒ Fuͤr mich, gewiß, am meiſten! ‒ ‒ Mein Herz faͤngt nun immer mehr und mehr fuͤr Sie zu bluten an.
Jch
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Der achte Brief.
Frau Nortons Antwort.
Sonnabends, den 1ten Jul.
Jhre Zuſchrift, meine wertheſte Fraͤulein,
geht mir durch die Seele! Warum wollen
Sie mich nicht alle ihre Ungluͤcksfaͤlle wiſſen laſ-
ſen! ‒ ‒ Jedoch Sie haben ſchon genug geſagt.
Mein Sohn bezeiget ſich recht gut gegen mich.
Seit einigen Stunden hat er einen fieberhaften
Anfall gehabt. Jch hoffe aber, daß es gluͤcklich
voruͤber gehen wird: wo ſein Eifer zu arbeiten
ihm die Ruhe zulaͤſſet, welche ſein guter Herr
ihm zu erlauben geneigt iſt. Er empfiehlt ſich Jh-
nen in ſchuldiger Unterthaͤnigkeit, und vergoß
viel Thraͤnen, als er Jhren traurigen Brief an-
hoͤrte.
Sie ſind falſch berichtet, daß Jhre Familie
bey Jhrem Onkel Harlowe ſeyn ſollte. Sie ſind
es nicht einmal willens geweſen. Der Tag iſt
gar nicht gefeyert worden. Sie ſind in der That
nicht aus dem Hauſe gekommen, als nur in die
Kirche zu gehen, und das auch nicht mehr als
dreymal: ſeit dem Sie von hier gegangen ſind ‒ ‒
Ein ungluͤcklicher Tag fuͤr dieſelben, und fuͤr al-
le, welche Sie kennen! ‒ ‒ Fuͤr mich, gewiß,
am meiſten! ‒ ‒ Mein Herz faͤngt nun immer
mehr und mehr fuͤr Sie zu bluten an.
Jch
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/37>, abgerufen am 30.12.2024.
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