Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



schiedenen Seelen meiner Voreltern, als der
guten Gesinnung der noch lebenden, seyn würde.

Aber sie blieb beständig dabey, daß sie frey
handeln und sich vorher in einer andern Woh-
nung befinden müßte, ehe sie meine Vorstellun-
gen der geringsten Betrachtung würdigen woll-
te. Ja sie wollte mir auch alsdenn keine Gunst
zusagen, noch mir Besuche erlauben. Wie könn-
te ich denn, fragte ich sie, ihr Begehren genehm
halten, ohne daß ich mich entschließen müßte, sie
auf ewig zu verlieren?

Sie legte ihre Hand oft an den Kopf, wenn
sie redete. Endlich schützte sie Kopfschmerzen vor,
und ging weg. Keines von uns beyden war mit
dem andern zufrieden: doch sie war noch zehn
mal weniger mit mir zufrieden, als ich mit ihr.

Dorcas scheint sich bey ihr in Gunst gesetzt
zu haben - -

Was nun! - - Was nun! - -


Wie steif besteht diese Fräulein auf ihren
Kopf! - - Noch einmal wäre sie uns beynahe
entwischet! - - Was für ein unbeweglicher Wi-
derwillen! - - Sie hatte bloß zu dem Ende, wie
ich finde, sich ein wenig ruhiger gestellt, damit sie
den Verdacht vermindern möchte. Sie war hin-
unter gegangen, und hatte schon wirklich die Thü-
re nach der Gasse zu aufgeriegelt: ehe ich an sie
kommen konnte; da mich die Köchinn der Frau
Sinclair rege gemacht hatte, welche sie allein

vorbey



ſchiedenen Seelen meiner Voreltern, als der
guten Geſinnung der noch lebenden, ſeyn wuͤrde.

Aber ſie blieb beſtaͤndig dabey, daß ſie frey
handeln und ſich vorher in einer andern Woh-
nung befinden muͤßte, ehe ſie meine Vorſtellun-
gen der geringſten Betrachtung wuͤrdigen woll-
te. Ja ſie wollte mir auch alsdenn keine Gunſt
zuſagen, noch mir Beſuche erlauben. Wie koͤnn-
te ich denn, fragte ich ſie, ihr Begehren genehm
halten, ohne daß ich mich entſchließen muͤßte, ſie
auf ewig zu verlieren?

Sie legte ihre Hand oft an den Kopf, wenn
ſie redete. Endlich ſchuͤtzte ſie Kopfſchmerzen vor,
und ging weg. Keines von uns beyden war mit
dem andern zufrieden: doch ſie war noch zehn
mal weniger mit mir zufrieden, als ich mit ihr.

Dorcas ſcheint ſich bey ihr in Gunſt geſetzt
zu haben ‒ ‒

Was nun! ‒ ‒ Was nun! ‒ ‒


Wie ſteif beſteht dieſe Fraͤulein auf ihren
Kopf! ‒ ‒ Noch einmal waͤre ſie uns beynahe
entwiſchet! ‒ ‒ Was fuͤr ein unbeweglicher Wi-
derwillen! ‒ ‒ Sie hatte bloß zu dem Ende, wie
ich finde, ſich ein wenig ruhiger geſtellt, damit ſie
den Verdacht vermindern moͤchte. Sie war hin-
unter gegangen, und hatte ſchon wirklich die Thuͤ-
re nach der Gaſſe zu aufgeriegelt: ehe ich an ſie
kommen konnte; da mich die Koͤchinn der Frau
Sinclair rege gemacht hatte, welche ſie allein

vorbey
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0698" n="692"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;chiedenen Seelen</hi> meiner Voreltern, als der<lb/>
guten Ge&#x017F;innung der noch lebenden, &#x017F;eyn wu&#x0364;rde.</p><lb/>
            <p>Aber &#x017F;ie blieb be&#x017F;ta&#x0364;ndig dabey, daß &#x017F;ie frey<lb/>
handeln und &#x017F;ich vorher in einer andern Woh-<lb/>
nung befinden mu&#x0364;ßte, ehe &#x017F;ie meine Vor&#x017F;tellun-<lb/>
gen der <hi rendition="#fr">gering&#x017F;ten</hi> Betrachtung wu&#x0364;rdigen woll-<lb/>
te. Ja &#x017F;ie wollte mir auch alsdenn keine Gun&#x017F;t<lb/>
zu&#x017F;agen, noch mir Be&#x017F;uche erlauben. Wie ko&#x0364;nn-<lb/>
te ich denn, fragte ich &#x017F;ie, ihr Begehren genehm<lb/>
halten, ohne daß ich mich ent&#x017F;chließen mu&#x0364;ßte, &#x017F;ie<lb/>
auf ewig zu verlieren?</p><lb/>
            <p>Sie legte ihre Hand oft an den Kopf, wenn<lb/>
&#x017F;ie redete. Endlich &#x017F;chu&#x0364;tzte &#x017F;ie Kopf&#x017F;chmerzen vor,<lb/>
und ging weg. Keines von uns beyden war mit<lb/>
dem andern zufrieden: doch <hi rendition="#fr">&#x017F;ie</hi> war noch zehn<lb/>
mal weniger mit mir zufrieden, als ich mit ihr.</p><lb/>
            <p>Dorcas &#x017F;cheint &#x017F;ich bey ihr in Gun&#x017F;t ge&#x017F;etzt<lb/>
zu haben &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
            <p>Was nun! &#x2012; &#x2012; Was nun! &#x2012; &#x2012;</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Montags Abends.</hi> </dateline><lb/>
            <p>Wie &#x017F;teif be&#x017F;teht die&#x017F;e Fra&#x0364;ulein auf ihren<lb/>
Kopf! &#x2012; &#x2012; Noch einmal wa&#x0364;re &#x017F;ie uns beynahe<lb/>
entwi&#x017F;chet! &#x2012; &#x2012; Was fu&#x0364;r ein unbeweglicher Wi-<lb/>
derwillen! &#x2012; &#x2012; Sie hatte bloß zu dem Ende, wie<lb/>
ich finde, &#x017F;ich ein wenig ruhiger ge&#x017F;tellt, damit &#x017F;ie<lb/>
den Verdacht vermindern mo&#x0364;chte. Sie war hin-<lb/>
unter gegangen, und hatte &#x017F;chon wirklich die Thu&#x0364;-<lb/>
re nach der Ga&#x017F;&#x017F;e zu aufgeriegelt: ehe ich an &#x017F;ie<lb/>
kommen konnte; da mich die Ko&#x0364;chinn der Frau<lb/>
Sinclair rege gemacht hatte, welche &#x017F;ie allein<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">vorbey</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[692/0698] ſchiedenen Seelen meiner Voreltern, als der guten Geſinnung der noch lebenden, ſeyn wuͤrde. Aber ſie blieb beſtaͤndig dabey, daß ſie frey handeln und ſich vorher in einer andern Woh- nung befinden muͤßte, ehe ſie meine Vorſtellun- gen der geringſten Betrachtung wuͤrdigen woll- te. Ja ſie wollte mir auch alsdenn keine Gunſt zuſagen, noch mir Beſuche erlauben. Wie koͤnn- te ich denn, fragte ich ſie, ihr Begehren genehm halten, ohne daß ich mich entſchließen muͤßte, ſie auf ewig zu verlieren? Sie legte ihre Hand oft an den Kopf, wenn ſie redete. Endlich ſchuͤtzte ſie Kopfſchmerzen vor, und ging weg. Keines von uns beyden war mit dem andern zufrieden: doch ſie war noch zehn mal weniger mit mir zufrieden, als ich mit ihr. Dorcas ſcheint ſich bey ihr in Gunſt geſetzt zu haben ‒ ‒ Was nun! ‒ ‒ Was nun! ‒ ‒ Montags Abends. Wie ſteif beſteht dieſe Fraͤulein auf ihren Kopf! ‒ ‒ Noch einmal waͤre ſie uns beynahe entwiſchet! ‒ ‒ Was fuͤr ein unbeweglicher Wi- derwillen! ‒ ‒ Sie hatte bloß zu dem Ende, wie ich finde, ſich ein wenig ruhiger geſtellt, damit ſie den Verdacht vermindern moͤchte. Sie war hin- unter gegangen, und hatte ſchon wirklich die Thuͤ- re nach der Gaſſe zu aufgeriegelt: ehe ich an ſie kommen konnte; da mich die Koͤchinn der Frau Sinclair rege gemacht hatte, welche ſie allein vorbey

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/698
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 692. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/698>, abgerufen am 30.12.2024.