Der zwölfte Brief von Fräulein Clarissa Harlowe an Fräulein Howe.
Donnerstags, Abends, den 8. Jun.
Da mein letztes von nichts, als guter Hoffnung, geredet hat: so werden Sie über den Jnn- halt des gegenwärtigen in Bestürzung gerathen. O meine allerliebste Freundinn, der Kerl hat sich endlich offenbar als einen Bösewicht bewiesen! Jch habe mich verwichne Nacht nur mit der äußersten Mühe von der schändlichsten Enteh- rung gerettet. Er drang mir ein Versprechen ab, daß ich ihm vergeben und ihn den folgenden Tag eben so wieder sehen wollte, als wenn nichts vorgefallen wäre. Aber wie konnte ich ihn den Tag darauf wieder sehen, wenn es nur möglich war, zu fliehen und einem so elenden Kerl zu ent- kommen, der eine versteckte Charte gespielet hat- te, das Haus in Feuer zu setzen und durch ein solches Schrecken mich beynahe nackend in seine Arme zu jagen? Dieß habe ich nur allzu viele Ursache zu glauben.
Jch bin entkommen, der Himmel sey geprie- sen! und habe nun keinen andern Kummer, als daß ich die einzige Hoffnung, welche mir einen solchen Gemahl erträglich gemacht haben könnte, die Aussöhnung mit meinen Freunden, die meiu
Onkel
Der zwoͤlfte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe.
Donnerſtags, Abends, den 8. Jun.
Da mein letztes von nichts, als guter Hoffnung, geredet hat: ſo werden Sie uͤber den Jnn- halt des gegenwaͤrtigen in Beſtuͤrzung gerathen. O meine allerliebſte Freundinn, der Kerl hat ſich endlich offenbar als einen Boͤſewicht bewieſen! Jch habe mich verwichne Nacht nur mit der aͤußerſten Muͤhe von der ſchaͤndlichſten Enteh- rung gerettet. Er drang mir ein Verſprechen ab, daß ich ihm vergeben und ihn den folgenden Tag eben ſo wieder ſehen wollte, als wenn nichts vorgefallen waͤre. Aber wie konnte ich ihn den Tag darauf wieder ſehen, wenn es nur moͤglich war, zu fliehen und einem ſo elenden Kerl zu ent- kommen, der eine verſteckte Charte geſpielet hat- te, das Haus in Feuer zu ſetzen und durch ein ſolches Schrecken mich beynahe nackend in ſeine Arme zu jagen? Dieß habe ich nur allzu viele Urſache zu glauben.
Jch bin entkommen, der Himmel ſey geprie- ſen! und habe nun keinen andern Kummer, als daß ich die einzige Hoffnung, welche mir einen ſolchen Gemahl ertraͤglich gemacht haben koͤnnte, die Ausſoͤhnung mit meinen Freunden, die meiu
Onkel
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0176"n="170"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#fr">Der zwoͤlfte Brief</hi><lb/>
von<lb/><hirendition="#fr">Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein<lb/>
Howe.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#et">Donnerſtags, Abends, den 8. Jun.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>a mein letztes von nichts, als guter Hoffnung,<lb/>
geredet hat: ſo werden Sie uͤber den Jnn-<lb/>
halt des gegenwaͤrtigen in Beſtuͤrzung gerathen.<lb/>
O meine allerliebſte Freundinn, der Kerl hat ſich<lb/>
endlich offenbar als einen Boͤſewicht bewieſen!<lb/>
Jch habe mich verwichne Nacht nur mit der<lb/>
aͤußerſten Muͤhe von der ſchaͤndlichſten Enteh-<lb/>
rung gerettet. Er drang mir ein Verſprechen<lb/>
ab, daß ich ihm vergeben und ihn den folgenden<lb/>
Tag eben ſo wieder ſehen wollte, als wenn nichts<lb/>
vorgefallen waͤre. Aber wie konnte ich ihn den<lb/>
Tag darauf wieder ſehen, wenn es nur moͤglich<lb/>
war, zu fliehen und einem ſo elenden Kerl zu ent-<lb/>
kommen, der eine verſteckte Charte geſpielet hat-<lb/>
te, das Haus in Feuer zu ſetzen und durch ein<lb/>ſolches Schrecken mich beynahe nackend in ſeine<lb/>
Arme zu jagen? Dieß habe ich nur allzu viele<lb/>
Urſache zu glauben.</p><lb/><p>Jch bin entkommen, der Himmel ſey geprie-<lb/>ſen! und habe nun keinen andern Kummer, als<lb/>
daß ich die einzige Hoffnung, welche mir einen<lb/>ſolchen Gemahl ertraͤglich gemacht haben koͤnnte,<lb/>
die Ausſoͤhnung mit meinen Freunden, die meiu<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Onkel</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[170/0176]
Der zwoͤlfte Brief
von
Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein
Howe.
Donnerſtags, Abends, den 8. Jun.
Da mein letztes von nichts, als guter Hoffnung,
geredet hat: ſo werden Sie uͤber den Jnn-
halt des gegenwaͤrtigen in Beſtuͤrzung gerathen.
O meine allerliebſte Freundinn, der Kerl hat ſich
endlich offenbar als einen Boͤſewicht bewieſen!
Jch habe mich verwichne Nacht nur mit der
aͤußerſten Muͤhe von der ſchaͤndlichſten Enteh-
rung gerettet. Er drang mir ein Verſprechen
ab, daß ich ihm vergeben und ihn den folgenden
Tag eben ſo wieder ſehen wollte, als wenn nichts
vorgefallen waͤre. Aber wie konnte ich ihn den
Tag darauf wieder ſehen, wenn es nur moͤglich
war, zu fliehen und einem ſo elenden Kerl zu ent-
kommen, der eine verſteckte Charte geſpielet hat-
te, das Haus in Feuer zu ſetzen und durch ein
ſolches Schrecken mich beynahe nackend in ſeine
Arme zu jagen? Dieß habe ich nur allzu viele
Urſache zu glauben.
Jch bin entkommen, der Himmel ſey geprie-
ſen! und habe nun keinen andern Kummer, als
daß ich die einzige Hoffnung, welche mir einen
ſolchen Gemahl ertraͤglich gemacht haben koͤnnte,
die Ausſoͤhnung mit meinen Freunden, die meiu
Onkel
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/176>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.