Wie erschrocken, verwirrt, bestürzt, erstaunt haben Sie mich durch Jhre fürchterliche Nach- richt gemacht! - - Mein Herz ist zu schwach, einen solchen Streich auszuhalten! - Da alle Hoffnung auf meiner Seite war! Da meine Um- stände ein so viel vortheilhafteres Ansehen gewon- nen hatten! - - Aber kann ein Mensch ein sol- cher Bösewicht und Betrieger seyn, als dieser schändliche Anführer und sein eben so schändlicher Unterhändler!
Jch befinde mich in der That übel - Recht übel - Betrübniß und Schrecken und, nun will ich sagen, Verzweifelung haben mich übernom- men! - - Alles, alles, was Sie als Muthmas- sung niedergeschrieben haben, ist in meinen Au- gen itzo offenbar mehr als Muthmaßung!
O daß Jhre Frau Mutter die Güte haben möchte, mich durch meiner liebsten Freundinn Gegenwart des einzigen Trostes zu gewähren, wodurch mein niedergeschlagenes, mein halbge- brochnes Herze, wieder aufgerichtet werden könn- te! Aber ich beschwere Sie, daß Sie ohne ihre gütige Erlaubniß nicht daran denken zu mir zu kommen - - Jch befinde mich itzo zu übel, mei- ne Allerliebste, daß ich mich mit diesem fürchter- lichen Menschen in einen Streit einlassen und aus diesem scheuslichen Hause fliehen könnte.
Das
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An Fraͤulein Howe. Meine allerliebſte Freundinn.
Wie erſchrocken, verwirrt, beſtuͤrzt, erſtaunt haben Sie mich durch Jhre fuͤrchterliche Nach- richt gemacht! ‒ ‒ Mein Herz iſt zu ſchwach, einen ſolchen Streich auszuhalten! ‒ Da alle Hoffnung auf meiner Seite war! Da meine Um- ſtaͤnde ein ſo viel vortheilhafteres Anſehen gewon- nen hatten! ‒ ‒ Aber kann ein Menſch ein ſol- cher Boͤſewicht und Betrieger ſeyn, als dieſer ſchaͤndliche Anfuͤhrer und ſein eben ſo ſchaͤndlicher Unterhaͤndler!
Jch befinde mich in der That uͤbel ‒ Recht uͤbel ‒ Betruͤbniß und Schrecken und, nun will ich ſagen, Verzweifelung haben mich uͤbernom- men! ‒ ‒ Alles, alles, was Sie als Muthmaſ- ſung niedergeſchrieben haben, iſt in meinen Au- gen itzo offenbar mehr als Muthmaßung!
O daß Jhre Frau Mutter die Guͤte haben moͤchte, mich durch meiner liebſten Freundinn Gegenwart des einzigen Troſtes zu gewaͤhren, wodurch mein niedergeſchlagenes, mein halbge- brochnes Herze, wieder aufgerichtet werden koͤnn- te! Aber ich beſchwere Sie, daß Sie ohne ihre guͤtige Erlaubniß nicht daran denken zu mir zu kommen ‒ ‒ Jch befinde mich itzo zu uͤbel, mei- ne Allerliebſte, daß ich mich mit dieſem fuͤrchter- lichen Menſchen in einen Streit einlaſſen und aus dieſem ſcheuslichen Hauſe fliehen koͤnnte.
Das
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An Fraͤulein Howe.
Meine allerliebſte Freundinn.
Wie erſchrocken, verwirrt, beſtuͤrzt, erſtaunt
haben Sie mich durch Jhre fuͤrchterliche Nach-
richt gemacht! ‒ ‒ Mein Herz iſt zu ſchwach,
einen ſolchen Streich auszuhalten! ‒ Da alle
Hoffnung auf meiner Seite war! Da meine Um-
ſtaͤnde ein ſo viel vortheilhafteres Anſehen gewon-
nen hatten! ‒ ‒ Aber kann ein Menſch ein ſol-
cher Boͤſewicht und Betrieger ſeyn, als dieſer
ſchaͤndliche Anfuͤhrer und ſein eben ſo ſchaͤndlicher
Unterhaͤndler!
Jch befinde mich in der That uͤbel ‒ Recht
uͤbel ‒ Betruͤbniß und Schrecken und, nun will
ich ſagen, Verzweifelung haben mich uͤbernom-
men! ‒ ‒ Alles, alles, was Sie als Muthmaſ-
ſung niedergeſchrieben haben, iſt in meinen Au-
gen itzo offenbar mehr als Muthmaßung!
O daß Jhre Frau Mutter die Guͤte haben
moͤchte, mich durch meiner liebſten Freundinn
Gegenwart des einzigen Troſtes zu gewaͤhren,
wodurch mein niedergeſchlagenes, mein halbge-
brochnes Herze, wieder aufgerichtet werden koͤnn-
te! Aber ich beſchwere Sie, daß Sie ohne ihre
guͤtige Erlaubniß nicht daran denken zu mir zu
kommen ‒ ‒ Jch befinde mich itzo zu uͤbel, mei-
ne Allerliebſte, daß ich mich mit dieſem fuͤrchter-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/169>, abgerufen am 21.11.2024.
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