sprechen wollte, etwas von Hünern zu essen, die für mich zurecht gemacht würden, so wollte er sich be- ruhigen. So gütig ist er, wenn er zürnet!
Jch versprach es. Denn ich muß schon Vorbe- reitungen dazu machen, mich noch weiter herunter zu lassen. Wie glücklich werde ich mich schätzen, wenn ich ihn eben so aufgeräumt finde, daß er ge- neigt ist mir zu vergeben.
Jch bin mir zwar selbst gram, allein ich will mich doch nicht höhnen lassen. Warlich nicht!
Der zwölfte Brief von Fräulein Clarissa Harlowe an Fräulein Howe
Dienstags den 16ten May.
Diesesmahl scheint es, als ob wir einander wie- der näher kämen, allein durch einen Sturm. Jch will Jhnen die genauern Umstände melden.
Jch hörte ihn schon heute früh um fünf Uhr in dem Speise-Zimmer. Jch hatte sehr wenig geschla- fen, und war auch schon aufgestanden: ich öffnete aber die Thür nicht eher als bis um sechs Uhr. Hier- auf brachte mir Dorcas eine Empfehlung von ihm, nebst Bitte, ihm meine Gesellschaft zu gönnen.
So bald ich in das Speise-Zimmer trat, kam er mir entgegen, ergriff meine Hand, und sagte: Fräu- lein, ich bin vor zwey Uhr nicht zu Bette gegangen, und habe nicht einen Augenblick geschlafen. Um
GOt-
ſprechen wollte, etwas von Huͤnern zu eſſen, die fuͤr mich zurecht gemacht wuͤrden, ſo wollte er ſich be- ruhigen. So guͤtig iſt er, wenn er zuͤrnet!
Jch verſprach es. Denn ich muß ſchon Vorbe- reitungen dazu machen, mich noch weiter herunter zu laſſen. Wie gluͤcklich werde ich mich ſchaͤtzen, wenn ich ihn eben ſo aufgeraͤumt finde, daß er ge- neigt iſt mir zu vergeben.
Jch bin mir zwar ſelbſt gram, allein ich will mich doch nicht hoͤhnen laſſen. Warlich nicht!
Der zwoͤlfte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe
Dienſtags den 16ten May.
Dieſesmahl ſcheint es, als ob wir einander wie- der naͤher kaͤmen, allein durch einen Sturm. Jch will Jhnen die genauern Umſtaͤnde melden.
Jch hoͤrte ihn ſchon heute fruͤh um fuͤnf Uhr in dem Speiſe-Zimmer. Jch hatte ſehr wenig geſchla- fen, und war auch ſchon aufgeſtanden: ich oͤffnete aber die Thuͤr nicht eher als bis um ſechs Uhr. Hier- auf brachte mir Dorcas eine Empfehlung von ihm, nebſt Bitte, ihm meine Geſellſchaft zu goͤnnen.
So bald ich in das Speiſe-Zimmer trat, kam er mir entgegen, ergriff meine Hand, und ſagte: Fraͤu- lein, ich bin vor zwey Uhr nicht zu Bette gegangen, und habe nicht einen Augenblick geſchlafen. Um
GOt-
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ſprechen wollte, etwas von Huͤnern zu eſſen, die fuͤr
mich zurecht gemacht wuͤrden, ſo wollte er ſich be-
ruhigen. So guͤtig iſt er, wenn er zuͤrnet!
Jch verſprach es. Denn ich muß ſchon Vorbe-
reitungen dazu machen, mich noch weiter herunter
zu laſſen. Wie gluͤcklich werde ich mich ſchaͤtzen,
wenn ich ihn eben ſo aufgeraͤumt finde, daß er ge-
neigt iſt mir zu vergeben.
Jch bin mir zwar ſelbſt gram, allein ich will
mich doch nicht hoͤhnen laſſen. Warlich nicht!
Der zwoͤlfte Brief
von
Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein
Howe
Dienſtags den 16ten May.
Dieſesmahl ſcheint es, als ob wir einander wie-
der naͤher kaͤmen, allein durch einen Sturm.
Jch will Jhnen die genauern Umſtaͤnde melden.
Jch hoͤrte ihn ſchon heute fruͤh um fuͤnf Uhr in
dem Speiſe-Zimmer. Jch hatte ſehr wenig geſchla-
fen, und war auch ſchon aufgeſtanden: ich oͤffnete
aber die Thuͤr nicht eher als bis um ſechs Uhr. Hier-
auf brachte mir Dorcas eine Empfehlung von ihm,
nebſt Bitte, ihm meine Geſellſchaft zu goͤnnen.
So bald ich in das Speiſe-Zimmer trat, kam er
mir entgegen, ergriff meine Hand, und ſagte: Fraͤu-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/78>, abgerufen am 22.01.2025.
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