Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite


Mich deucht du fragest mich: warum ihres Bru-
ders Anschlag noch in meinem Gehirn schwärmet,
wenn ich gegen sie ehrlich seyn will? Antwort:
wenn man demüthig ist, und sich nichts über seine
Kräfte zutrauet, so sucht man immer eine Ausflucht
für sich zu behalten. Bedencke noch dieses: wenn
wir einmahl etwas wollen, wir finden aber eine Hin-
derniß, und die Hinderniß verschwindet: so hält
es sehr schwer, daß wir nicht unsern ehemahligen
Vorsatz von neuen fassen sollten.



Der neun und funfzigste Brief
von
Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.

Unser Haus hat alle Hände voll zu thun, weil
wir uns zur Reise nach London anschicken.
Jch weiß nicht warum mein Hertz so schlägt? Es
steigt mir fast bis in die Luft Röhre, daß ich fast er-
sticke, so oft ich an die Früchte dieser Reise gedencke.
Jch habe den vesten Vorsatz ehrlich zu seyn: desto
mehr wundere ich mich darüber, daß sich mein Herz
wider meinen Willen freuet. Mein Hertz ist ein
Schelm: das ist es von meiner Kindheit an gewe-
sen, und es wird nie aufhören ein Schelm zu seyn.
Es freuet sich, so oft eine Schelmerey ihren Fort-
gang gewinnet. Jch bin so wenig Herr darüber!
Mein Kopf ist recht darnach gemacht, daß er den
dreyeckigten Schelm Anschläge geben kann! Jch

will


Mich deucht du frageſt mich: warum ihres Bru-
ders Anſchlag noch in meinem Gehirn ſchwaͤrmet,
wenn ich gegen ſie ehrlich ſeyn will? Antwort:
wenn man demuͤthig iſt, und ſich nichts uͤber ſeine
Kraͤfte zutrauet, ſo ſucht man immer eine Ausflucht
fuͤr ſich zu behalten. Bedencke noch dieſes: wenn
wir einmahl etwas wollen, wir finden aber eine Hin-
derniß, und die Hinderniß verſchwindet: ſo haͤlt
es ſehr ſchwer, daß wir nicht unſern ehemahligen
Vorſatz von neuen faſſen ſollten.



Der neun und funfzigſte Brief
von
Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.

Unſer Haus hat alle Haͤnde voll zu thun, weil
wir uns zur Reiſe nach London anſchicken.
Jch weiß nicht warum mein Hertz ſo ſchlaͤgt? Es
ſteigt mir faſt bis in die Luft Roͤhre, daß ich faſt er-
ſticke, ſo oft ich an die Fruͤchte dieſer Reiſe gedencke.
Jch habe den veſten Vorſatz ehrlich zu ſeyn: deſto
mehr wundere ich mich daruͤber, daß ſich mein Herz
wider meinen Willen freuet. Mein Hertz iſt ein
Schelm: das iſt es von meiner Kindheit an gewe-
ſen, und es wird nie aufhoͤren ein Schelm zu ſeyn.
Es freuet ſich, ſo oft eine Schelmerey ihren Fort-
gang gewinnet. Jch bin ſo wenig Herr daruͤber!
Mein Kopf iſt recht darnach gemacht, daß er den
dreyeckigten Schelm Anſchlaͤge geben kann! Jch

will
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0446" n="432"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Mich deucht du frage&#x017F;t mich: warum ihres Bru-<lb/>
ders An&#x017F;chlag noch in meinem Gehirn &#x017F;chwa&#x0364;rmet,<lb/>
wenn ich gegen &#x017F;ie ehrlich &#x017F;eyn will? Antwort:<lb/>
wenn man demu&#x0364;thig i&#x017F;t, und &#x017F;ich nichts u&#x0364;ber &#x017F;eine<lb/>
Kra&#x0364;fte zutrauet, &#x017F;o &#x017F;ucht man immer eine Ausflucht<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;ich zu behalten. Bedencke noch die&#x017F;es: wenn<lb/>
wir einmahl etwas wollen, wir finden aber eine Hin-<lb/>
derniß, und die Hinderniß ver&#x017F;chwindet: &#x017F;o ha&#x0364;lt<lb/>
es &#x017F;ehr &#x017F;chwer, daß wir nicht un&#x017F;ern ehemahligen<lb/>
Vor&#x017F;atz von neuen fa&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollten.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#fr">Der neun und funfzig&#x017F;te Brief</hi><lb/>
von<lb/><hi rendition="#fr">Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.</hi></head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Dien&#x017F;tags den 25&#x017F;ten April.</hi> </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">U</hi>n&#x017F;er Haus hat alle Ha&#x0364;nde voll zu thun, weil<lb/>
wir uns zur Rei&#x017F;e nach <hi rendition="#fr">London</hi> an&#x017F;chicken.<lb/>
Jch weiß nicht warum mein Hertz &#x017F;o &#x017F;chla&#x0364;gt? Es<lb/>
&#x017F;teigt mir fa&#x017F;t bis in die Luft Ro&#x0364;hre, daß ich fa&#x017F;t er-<lb/>
&#x017F;ticke, &#x017F;o oft ich an die Fru&#x0364;chte die&#x017F;er Rei&#x017F;e gedencke.<lb/>
Jch habe den ve&#x017F;ten Vor&#x017F;atz ehrlich zu &#x017F;eyn: de&#x017F;to<lb/>
mehr wundere ich mich daru&#x0364;ber, daß &#x017F;ich mein Herz<lb/>
wider meinen Willen freuet. Mein Hertz i&#x017F;t ein<lb/>
Schelm: das i&#x017F;t es von meiner Kindheit an gewe-<lb/>
&#x017F;en, und es wird nie aufho&#x0364;ren ein Schelm zu &#x017F;eyn.<lb/>
Es freuet &#x017F;ich, &#x017F;o oft eine Schelmerey ihren Fort-<lb/>
gang gewinnet. Jch bin &#x017F;o wenig Herr daru&#x0364;ber!<lb/>
Mein Kopf i&#x017F;t recht darnach gemacht, daß er den<lb/>
dreyeckigten Schelm An&#x017F;chla&#x0364;ge geben kann! Jch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">will</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[432/0446] Mich deucht du frageſt mich: warum ihres Bru- ders Anſchlag noch in meinem Gehirn ſchwaͤrmet, wenn ich gegen ſie ehrlich ſeyn will? Antwort: wenn man demuͤthig iſt, und ſich nichts uͤber ſeine Kraͤfte zutrauet, ſo ſucht man immer eine Ausflucht fuͤr ſich zu behalten. Bedencke noch dieſes: wenn wir einmahl etwas wollen, wir finden aber eine Hin- derniß, und die Hinderniß verſchwindet: ſo haͤlt es ſehr ſchwer, daß wir nicht unſern ehemahligen Vorſatz von neuen faſſen ſollten. Der neun und funfzigſte Brief von Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford. Dienſtags den 25ſten April. Unſer Haus hat alle Haͤnde voll zu thun, weil wir uns zur Reiſe nach London anſchicken. Jch weiß nicht warum mein Hertz ſo ſchlaͤgt? Es ſteigt mir faſt bis in die Luft Roͤhre, daß ich faſt er- ſticke, ſo oft ich an die Fruͤchte dieſer Reiſe gedencke. Jch habe den veſten Vorſatz ehrlich zu ſeyn: deſto mehr wundere ich mich daruͤber, daß ſich mein Herz wider meinen Willen freuet. Mein Hertz iſt ein Schelm: das iſt es von meiner Kindheit an gewe- ſen, und es wird nie aufhoͤren ein Schelm zu ſeyn. Es freuet ſich, ſo oft eine Schelmerey ihren Fort- gang gewinnet. Jch bin ſo wenig Herr daruͤber! Mein Kopf iſt recht darnach gemacht, daß er den dreyeckigten Schelm Anſchlaͤge geben kann! Jch will

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/446
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/446>, abgerufen am 21.12.2024.